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Predigt über Röm. 3,23 und 24

Sonntag 11. März 2007 von Pfr. Wolfgang Sickinger


Pfr. Wolfgang Sickinger

Predigt über Röm. 3,23 und 24 am Sonntag Oculi (11.3.2007)
im Geistlichen Rüstzentrum Krelingen

Römer 3, 23-24

Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

In letzter Zeit habe ich kaum noch das “Wort zum Sonntag” im Fernsehen gesehen. In früheren Jahren war das häufiger der Fall, aber ich habe mich auch häufig geärgert: über verpaßte Chancen, Geplauder ohne geistlichen Tiefgang, sozialpolitische Phrasen…

Ein Traum wäre, daß ein „Wort zum Sonntag“ so beginnen würde: „Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie, liebe Zuschauer… „Zunächst die schlechte: Wir alle sind Sünder (V. 23) Die gute: Christus hat uns aus Gnade aus der Sünde erlöst (V.24)“. Dann hätte man etwa 2,5 Minuten Zeit, das Evangelium zu sagen, ohne daß die Zuschauer abschalten oder neues Bier aus dem Keller holen. Ich bin sicher, daß kirchliche Rundfunkbeauftragte sagen würden: So etwas kann man dem modernen Fernsehzuschauer nicht zumuten!

Vielleicht hätten sie recht: Die Bibel ist unzumutbar. Jedenfalls für den liberalen, pluralistischen Zeitgeist von heute. Der moderne Mensch kann nur protestieren gegen die Aussage von V.23 … Er will kein absoluter Sünder sein, fühlt sich nicht als Sünder!

Die Botschaft der modernen Menschen lautet: Der Mensch ist gut, er ist frei, er kann sein Leben selbst in die Hand nehmen, selbst verantworten. Paul Schütz, ein verstorbener christlicher Denker, schrieb: „…Es gibt keine Sünder mehr in der Welt. In der Welt ist heute nichts seltener geworden als ein Sünder. Der Mensch ist gut lautet die große Parole des Tages. Da hängt der einsame Gekreuzigte unter einem Volk, das gut ist. Nicht der Mensch ist verloren, Gott ist verloren. Sein Evangelium ist eine verlorene Sache. Seine Kirche ist am Ende. Denn der Mensch ist ja gut. Was braucht der gute Mensch Gott? Der gute Mensch kann ja nur gottlos sein. Denn er ist sich selbst genug. Der gute Mensch von heute ist der Ursprung der Gottlosigkeit von heute…”

Der Mensch ist gut, und Gott, der seinen Sohn ans Kreuz schickt, ist böse. Nach diesem Motto gehen die politischen Ideologien vor: Ändert die Verhältnisse, schafft Gerechtigkeit für alle, erzieht zum Frieden und zur Toleranz – denn der Mensch ist im Kern gut!

Auch die Religionen lehren danach: Es gilt der Wahlspruch: “Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen” (Goethe, Faust II) – der Mensch soll sich selbst erlösen, denn das Gute, das Göttliche steckt in ihm! So lautet die Überzeugung alter Hochreligionen wie neuer religiöser Bewegungen bis hin zu Esoterik und New Age. Auch die Überzeugung ganz normaler Menschen klingt nicht anders: Ich bin im Grunde in Ordnung. Macken hat jeder, Sünden habe ich auch schon begangen – im Straßenverkehr oder im Karneval … Aber V. 23 – vor Gott allesamt Sünder? Ich doch nicht!

Hier scheiden sich die Geister. Hier wird die Bibel unzumutbar. Dabei müssen wir den Unterschied Sünden – Sünder beachten: Es geht nicht um einzelne kleine oder große Vergehen.

Sondern der Mensch ist radikal von Gott getrennt, ist unfähig, den Weg zu Gott zu gehen, kann nicht den Sinn seines Lebens selber schaffen, genausowenig Gerechtigkeit, Frieden, Heil für alle Menschen. Sünde bedeutet umfassend: Zielverfehlung.

Der Protest lautet: Ich fühle mich nicht so! Ich halte doch die 10 Gebote (oder wenigstens 5-6 davon) Doch entscheidend ist nicht, was ich fühle… Nach der Bibel sind auch die Sünder vor Gott, die sich anständig verhalten und sich rundherum wohl fühlen.

So lebt und denkt eine große Mehrheit in der Volkskirche: Ich lebe anständig; fühle mich wohl … Das ist unser Grundproblem, daß sich viele so wohl fühlen, daß sie meinen, Gott nicht ernsthaft zu brauchen! Höchstens einmal zu den Amtshandlungen und zu Weihnachten… Die Mitgliedschaft in der Kirche sieht dann aus wie eine passive, fördernde Mitgliedschaft im Sportverein. Kirchenmitgliedschaft ist dann wie eine Art Feuer-Versicherung: man hofft, daß man sie nie ernsthaft braucht, aber es ist besser, eine zu haben; gerne geht man zu den Familienfesten der Freiwilligen Feuerwehr mit Grillwurst und Bierstand.

Ich will nicht spotten – ich lebe auch davon, daß Menschen ihre Kirchensteuer bezahlen. Aber es ist eine volkskirchliche Überzeugung, die sich von der Wirklichkeit der Bibel weit entfernt hat. Die Meinung in der Kirche ist heute umgekehrt: die Überzeugung der Bibel habe sich von der Lebenswirklichkeit weit entfernt. Doch Gottes Wort spricht deutlich: V.23

Eine Aussage ist das, an der Martin Luther fast zerbrochen ist: als Mönch im Kloster rang er um einen gnädigen Gott… Er kämpfte darum bis zu seiner reformatorischen Entdeckung: Allein Gottes Gnade in Christus rettet, schenkt Heil, reißt aus dem Tod …

Wir sträuben uns heute gegen diese Entdeckung Luthers: Wir fühlen uns stark, der Mensch ist gut, wir haben kein Verständnis für Luthers Gewissenskämpfe. Aber dann haben wir auch kein Verständnis für die Befreiung: V. 24 Christus hat uns erlöst von der Macht der Sünde!

Er schlägt durch sein Kreuz die Brücke von Gott zu uns Menschen. Luther erkannte: Die Gerechtigkeit Gottes bedroht uns nicht, zerstört uns nicht – sondern im Glauben an Christus wird sie uns zugesprochen, geschenkt. Wir können dafür nichts tun, nur empfangen. Zitat Luther: „Der Glaube ergreift die Barmherzigkeit, die in Christus dargeboten wird.“ Für ihn war das die befreiende Entdeckung seines Lebens, die Grundlage der Reformation, unsere Basis als ev. Christen bis heute.

In der ev. Kirche stehen wir heute etwas verlegen davor. Viele meinen, wir hätten heute andere Probleme als die Befreiung von der Sünde, die Rechtfertigung durch Glauben an Christus.

Wir leben in einer säkularisierten Gesellschaft – in einem gottlosen Alltag. Es ist eine hochtechnisierte Zeit mit einer Fülle von Informationen, Hektik, Streß – wo passen da die Gedanken der Bibel hinein? Eine Freizeit- und Konsumgesellschaft, in der es gilt zu kaufen, zu reisen, zu genießen.. Es wächst Resignation, Depression, Suchtverhalten, Kriminalität … Was soll da die Gnade Christi? Sie sagt etwas dem Arbeitslosen genauso wie dem Millionär. Sie sagt etwas, was vielleicht beide nicht gerne hören:

1. Ohne Christus bist du und bleibst du ein Sünder.

Du landest in der Sackgasse, ob du nun reich, schön und stark bist oder arm, häßlich und schwach. Du verfehlst dein Leben, auch wenn religiöser Eifer und großartige Menschlichkeit dein Leben prägen. Aus einem Grund: weil du immer wieder auf dich selbst zurückgeworfen bist. Wie ein Bumerang: Ein großartiger Wurf soll dein Leben sein – und immer wieder kommt es auf dich selbst zurück, du landest ohne Gott bei deinen eigenen Fehlern, Schwächen, Begierden und unerfüllten Sehnsüchten. Ein paarmal ist das vielleicht amüsant – aber wenn dich immer wieder die alten Probleme einholen, ist es eine furchtbare Last! V.23 !

2. Allein die Gnade, allein Christus

führen mich über mich selbst hinaus in das Licht der Liebe Gottes. Nur weil Christus durch sein Kreuz den Graben der Sünde überwunden hat, gewinnt mein Leben Sinn und Ziel über Sünde und Tod hinaus. Nur wenn ich mich auf Christus verlasse, auf das, was er getan hat nicht auf meine eigene Kraft und mein eigenes Tun), kann ich mein Leben auch in Unvollkommenheiten, in Schuld und Schwachheit ertragen – denn nicht ich allein muß damit fertig werden, ich kann es bei ihm abgeben und mir vergeben lassen.

Hier ist der Scheideweg – hier gibt es kein Jein, sondern nur Ja oder Nein. Hier kann ich nicht sagen: Ich bin gut – sondern nur: Herr, sei mir Sünder gnädig! Ich darf im Glauben gewiß sein: Gott ist mir in Christus gnädig! So lautet für heute das Wort zum Sonntag, die befreiende Botschaft des Evangeliums!

Amen

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 11. März 2007 um 9:59 und abgelegt unter Predigten / Andachten.