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Aufruf „Erziehung zur Liebe. Sexualpädagogik ist mehr als Aufklärung.“

1. Grundsätzliches

Das Streben nach Glück ist das Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Gerade die Sexualität kann Quelle großen Glücks – nicht selten aber auch großen Unglücks – sein. Daher ist die Erziehung zu einem selbstbestimmten, reifen und verantwortlichen Umgang mit eigener und fremder Sexualität unerlässlich. Für die große Mehrheit junger Menschen gehören eine dauerhafte Beziehung zwischen Mann und Frau sowie eigene Kinder wesentlich zu ihrer Vorstellung glücklichen Lebens.

In dieser Sehnsucht sollen sie bestärkt werden – auch wenn ihre jetzige familiäre Lebensrealität gegebenenfalls anders aussieht (Patchworkfamilie, Scheidungssituation, Alleinerzie­hende etc.). Sie sollen fähig werden, zu einem sinnerfüllten Leben als Mann oder als Frau zu finden und eigene Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Mensch mit seiner Sexualität in bestimmte Ordnungen des Daseins eingebunden ist. Es gibt Lebensgesetze und Erfahrungen, die allen Menschen gemein sind und sich vernünftig erkennen und mitteilen lassen. Sie sind offensichtlich nicht einfach willkürlich abzuändern, sondern kultur- und religionsübergreifend objektivierbar.

Sexualität betrifft den ganzen Menschen. Sie hat eine physische, emotionale, kognitive, soziale, kulturelle und spirituelle Dimension. Sexuelle Entwicklung ist Teil der Identitätsentwicklung der einzelnen Person und wesentlich für die Herausbildung von Beziehungsfähigkeit. Im Gegensatz zum Tier lässt sich menschliche Sexualität nicht auf eine Folge von Triebregung und -befriedigung reduzieren. Als vitale persönlich­keitsprägende Lebenskraft des Menschen ist sie zugleich Gabe und Aufgabe, insofern der Umgang mit ihr und die Folgen sexuellen Handelns auch verantwortet sein wollen. In seiner Sexualität drückt sich der ganze Mensch aus. Als (nonverbale) Kommunika­tion ist sie gleichzeitig auch störanfällig und kann missverstanden werden. Um zu einem glücklichen Leben beizutragen, muss Sexualität als Körpersprache der Liebe erlernt, müssen ihre Gesetzmäßigkeiten berücksichtigt werden.

Es ist wichtig, Kindern und Jugendlichen zuerst eine positive und ganzheitliche Sicht von Sexualität zu vermitteln, damit sie eine möglichst natürliche und angstfreie Haltung zur Sexualität entwickeln können. Sie soll als elementare Lebenskraft verstanden werden, die zu kultivieren ist. Ebenso müssen Kindern und Jugendlichen aber auch Gefahren im Bereich der Sexualität aufgezeigt werden.

Eine wesentliche Entwicklungsaufgabe der Heranwachsenden besteht in der Integration der Sexualität in ihre Gesamtpersönlichkeit, in Auseinandersetzung mit dem sozialen und kulturellen Umfeld. Ist dies gelungen, bildet das eine wichtige Grundlage für den achtsamen Umgang mit sich selbst und anderen. Daher brauchen Kinder und Jugendliche eine Erziehung und Förderung, die sie in ihrer persönlichen Gesamt­entwicklung berücksichtigt. Eine Reduzierung auf eine rein technische bzw. biologische Aufklärung greift zu kurz.

Da die sexuelle Entwicklung der (positiven) Formung bedarf, ist Sexualerziehung das primäre Recht und die Pflicht der Eltern. Familie ist der wichtigste Lernort für eine gesunde sexuelle Entwicklung. Die Schule hat die Aufgabe, die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen.

2. Ziele der Sexualpädagogik

Eine ganzheitliche Sexualpädagogik strebt folgende Ziele an:

Eine solche ganzheitliche Sexualpädagogik ist von hohem gesellschaftlichem Interesse. Denn neben der positiven Persönlichkeitsförderung der Einzelnen hilft sie nicht nur bei der Heranbildung einer jungen Generation, die den Generationenvertrag einlösen kann, sondern fördert allgemein ein gesundheitliches Verhalten und die Familien- und Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft.

3. Qualitätsstandards der Sexualpädagogik

Pädagogische Standards

Ausbildungsstandards

4. Inhalte der Sexualpädagogik

Im Vordergrund der Sexualerziehung steht die Stärkung der eigenen Identität, der Erwerb von Kompetenzen in Sprache und Kommunikation, Sachlichkeit, soziale und ethische Normen, Medien, interkulturelle und interreligiöse Kenntnisse sowie das Lernen durch Beziehung. Dabei wird Sexualität als etwas grundsätzlich Lebensdienliches und Aufbauendes dargestellt: als Identität stiftende Grundlage der Person, als Ausdruck von Liebe und Zeichen der Bindung, als Quelle des Lebens und des Glücks.

Inhaltliche Schwerpunkte der Sexualpädagogik sind:

5. Rahmenbedingungen

Sexualerziehung ist primär Recht der Eltern oder der Erziehungsberechtigten. Insofern sind Eltern und Erziehungsberechtigte von Seiten der Bildungsträger immer zu informieren und einzubeziehen, wenn Sexualerziehung angeboten wird.

Manche Eltern sind allerdings zeitlich und inhaltlich, auch aufgrund ihrer Biografie, überfordert, ihre Kinder im Bereich der Sexualität zu begleiten. Sie brauchen oft selbst Unterstützung und Schulung.

Gleichzeitig ist der im Jugendalter entwicklungsbedingt nötige Ablösungsprozess von den Eltern zu beachten. Daher sind außerfamiliäre Angebote eine wichtige Unter­stützung für die elterliche Erziehungsaufgabe. Insofern hat schulische wie außer­schulische Sexualerziehung eine unterstützende und ergänzende Funktion. Dabei muss das Recht, freiwillig am Sexualkundeunterricht teilzunehmen bzw. seine Kinder oder als Jugendlicher sich selbst davon abzumelden, gewährleistet sein.

Quelle: www.prinzipien-sexualpaedagogik.org

Unterzeichner:

Prof. Dr. med. Arnd Barocka, Neurologe, Psychiater und Klinikleiter, Oberursel, Deutschland

Consuelo von Ballestrem, Dipl.-Psychologin, Dipl.-Heilpädagogin, systemische Therapeutin, Eichstätt, Deutschland

Dr. Dominik Batthyány, Psychotherapeut, Institut für Verhaltenssüchte, Siemund Freud Privatuniversität, Wien, Österreich

Prof. Dr. Raphael Bonelli, Psychiater, Siegmund Freud Privatuniversität, Wien, Österreich

Prof. Dr. Martin L. Fontanari, Stiftung für Familienwerte, Trier, Deutschland

Dr. Hermann Geissler, Kongregation für die Glaubenslehre, Rom, Vatikan

Prof. em. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Universitätsprofessorin für Religionsphilosophie, TU Dresden, Erlangen, Deutschland

Dipl. Theol. Michaela F. Heereman, Publizistin und Autorin, Vorstandsmitglied des schulpolitischen Elternvereins Nordrhein Westfalen, Meerbusch/Düsseldorf, Deutschland

Prof. Dr. Stephan Kampowski, Universitätsprofessor für Philosophie, Lateranuniversität – Johannes Paul II. Institut, Rom, Italien

Dr. Michael Matzner, Lehrer für Pädagogik, Soziologie und Didaktik/Methodik an der Katholischen Fachschule für Sozialwesen, Stuttgart, Deutschland

Mons. Prof. Dr. Livio Melina, Präsident des Johannes Paul II. Institut, Lateranuniversität, Rom, Italien

Prof. Dr. Maróth Miklós, Universitätsprofessor für Philosophie, Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest, Ungarn

PhDr. Ing. Marie Oujezdská, Nationales Zentrum für Familie, Brno, Tschechische Republik

Prof. (US) Dr. phil. Jakob Pastötter M.A., Sexualwissenschaftler, Kulturanthropologe, Professor an der American Academy of Clinical Sexologists, Orlando, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, Düsseldorf, Deutschland

Dr. Horst Schetelig, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Norderney, Deutschland

Prof. MUDr. ThLic. Květoslav Šipr Prof. für Bioethik in Olomouc (Olmütz), erster Vertreter der Tschechischen Republik im Rat European Academy of General Practice Teachers (8 Jahre Vorstandsmitglied).

Prim. Mag.phil. Dr.med. Christian Spaemann, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Schalchen, Österreich

Prof. PhDr. Jaroslav Šturma, Professor für Psychologie, Karlsuniversität, Prag, Tschechien

Prof. Dr. Albert Wunsch, Professor für Ökonomie und Management, Essen/Neuss, Deutschland

Prof. em. Dr. Hans-Bernhard Wuermeling, Universitätsprofessor für Rechtsmedizin, Erlangen, Deutschland