- Gemeindenetzwerk - https://www.gemeindenetzwerk.de -

Erklärung des Vereins Wüstenstrom

Markus Hoffmann,
Vorsitzender Wüstenstrom e.V.
Erklärung des Vereins Wüstenstrom zur Kampagne gegen das Christival

Wüstenstrom e.V. ist ein Beratungsdienst, der solche Menschen begleitet, die ihre Sexualität konflikthaft empfinden. Dazu gehören Menschen mit Problemen im Bereich der Heterosexu­alität genauso wie Menschen, die Fragen hinsichtlich ihrer homoerotischen Empfindungen haben. Die Gruppe der Ratsuchenden, die homosexuell empfindend sind, liegt derzeit bei rund 25%.

Wüstenstrom e.V. führt die Beratungen auf der Grundlage genau ausgewiesener ethischer Grundlagen durch. (1) Diese umfassen die Entscheidungsoffenheit der Beratung genauso wie die Klarstellung, dass wir jede Form der “Umpolung“ wie auch der Konversionstherapie ablehnen.

Dagegen haben wir uns, wie in der modernen Sexualwissenschaft üblich, einem plastischen Sexualbegriff verpflichtet. (2) Er basiert darauf, dass sexuelle Orientierungen komplexe und nicht zuletzt psycho-sozial wie auch kulturell bedingte Phänomene sind.

Auch haben wir genau und für jeden Fachmann nachvollziehbar definiert, wann Sexualität als konflikthaft bezeichnet werden kann. Ein Leitkriterium dafür ist die Beobachtung, dass Menschen ihre Sexualität als Absicherung für unsichere, emotionale Zusammenhänge ihrer Persönlichkeit benutzen können. (3)

In der Begleitung von Menschen, die ihre Sexualität konflikthaft erleben, steht daher auch nicht die Sexualität im Mittelpunkt der Beratung, sondern die emotionalen Zusammenhänge, die ein Mensch als Motiv hinter seinem sexuellen Handeln erkennt.

Wir folgen dem Grundsatz, dass wir mit Menschen nur an den emotionalen Zusammenhängen arbeiten können, die sie jeweils für sich im Rahmen eines Beratungsprozesses formulieren können. Nicht behandelt werden können eingeredete oder angelesene Probleme. Daher helfen wir Menschen, sich im Prozess von Beratung zu entdecken, unbewusste Gefühle zu erkennen und die innere Motivation für ihr Handeln zu explizieren. Wir treten für das Recht ein, dass jeder Mensch die motivationalen Grundlagen seines Handelns selbst verstehen kann und dass er weder durch Umpolungstheorien noch durch einseitiges Aufzwingen von affirmativen Therapien in der Freiheit seines Personseins eingeschränkt werden darf. Vielmehr muss die Beratung ein Raum sein, wo der Mensch zu seiner eigenen Entscheidung findet.

Daher gilt: Hat ein homosexuell empfindender Mensch den Wunsch nach Veränderung, so muss dieser Wunsch eindeutig intrinsisch motiviert sein. Es gehört zur ethischen Aufgabe unserer Berater, dass wir Ratsuchenden helfen, ihre Motivation zu überprüfen. Genauso wird mit jedem Ratsuchenden aus dem Bereich Homosexualität die Motivation seines Veränderungswunsches genau erörtert. Moralische Fixierungen, Zwänge des sozialen Umfeldes oder Drohungen von Eltern- und Partner-Seite dürfen niemals die Motivation für eine Beratung sein, da sonst die Gesundheit und psychische Stabilität des Ratsuchenden gefährdet wird.

Am Anfang der Beratung und im Verlauf einer Begleitung wird immer wieder auch die Frage reflektiert, was geschieht, wenn zwar eine psychische Entlastung eintritt, aber keine Verände­rung der sexuellen Orientierung. Wir sehen es schon immer als unsere Aufgabe, Menschen zu beglei­ten, einerlei ob sie die Veränderung ihrer sexuellen Orientierung anstreben oder nicht. Dabei ist uns wichtig, dass der Ratsuchende selbst über das Ziel der Beratung bestimmen darf.

Wir protestieren gegen die Bezeichnung „Fundamentalistische Gruppe“ oder den Vorwurf der „Scharlatanerie“. Unser Anliegen ist eben nicht, Menschen umzupolen. Vielmehr wollen wir ihnen das Recht geben, in einer ganzheitlichen Weise über ihre Sexualität und sexuelle Orien­tierung nachzudenken, um am Ende dann eine begründete Entscheidung für oder gegen einen Lebensstil treffen zu können.

Wir halten aber auch an der Erfahrung fest, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung durch eine Bearbeitung ihrer intrapsychischen Motivation, die sie im Erleben ihrer Sexualität inszenieren, eine Veränderung ihrer sexuellen Orientierung erleben. Solche Veränderungen sind wissenschaftlich immer wieder belegt worden, früher und in jüngster Zeit. (4)

18.1.2008

Anmerkungen

1 steht unter dem Stichwort Ethik unter www.wuestenstrom.de zum Download bereit

2 Gindorf Rolf; Sexualität als sozialer Tatbestand: Emile Durkheims Spuren in der Sexualwissenschaft heute; erschienen in: Gindorf Rolf, Haeberle Erwin J.; Sexualität als sozialer Tatbestand; Berlin, New York; 1985; (Schriftenreihe sozialwissenschaftliche Sexualforschung; 1)
Gindorf Rolf; Homosexualitäten in der Geschichte der Sexualforschung; erschienen in Gindorf Rolf, Haeberle Erwin D. (Hrsg.); Sexualitäten in unserer Gesellschaft; Berlin, New York 1989 (Schriftenreihe Sozialwissenschaftliche Sexualforschung; 2)
Schmidt, Gunter, Motivationale Grundlagen sexuellen Verhaltens. In: Thomas, H. (Hg.), Psychologie der Motivation, Bd. 2, Göttingen 1983
Schmidt Gunter; Kurze Entgegnung auf Volkmar Siguschs „Lob des Triebes“; erschienen in: Danecker M., Schmidt G., Schorsch E. und Sigusch V. (Hrsg.); Sexualtheorie und Sexualpolitik; Ergebnisse einer Tagung; Stuttgart 1984 (Beiträge zur Sexualforschung; 59)
Dannecker Martin; Das Drama der Sexualität; Hamburg 1992
Gagnon John H.; Stein Greenblat Cathy, Kimmel Michael; Bisexualität aus soziologischer Sicht; In: Haeberle Erwin J.; Gindorf R. (Hrsg.); Bisexualitäten; Ideologie und Praxis des Sexualkontaktes mit beiden Geschlechtern; Stuttgart, Jena, New York 1994; S. 69 – 92
Gooß Ulrich; Sexualwissenschaftliche Konzepte der Bisexualität von Männern; Beiträge zur Sexualforschung 72; Stuttgart 1995

3 Morgenthaler, Fritz; Sexualität und Psychonalayse. In: Beiträge der Sexualforschung 59: 20, 1984
Morgenthaler Fritz; Sexualität und Psychoanalyse; erschienen in: Danecker M., Schmidt G., Schorsch E. und Sigusch V. (Hrsg.); Sexualtheorie und Sexualpolitik; Ergebnisse einer Tagung; Stuttgart 1984 (Beiträge zur Sexualforschung; 59)
Mentzos, Stavros; Neurotische Konfliktverarbeitung; Frankfurt am Main 1984
Pfäfflin Friedemann; Transsexualität: Beiträge zur Psychopathologie, Psychodynamik und zum Verlauf; Stuttgart 1993
Schorsch Eberhard, Pfäfflin Friedemann; aus: Handbuch forensischer Psychiatrie S. 323 – 365 Die sexuellen Deviationen und sexuell motivierte Straftaten.
Stoller, Robert, Perversion, Die erotische Form von Haß, Gießen 2004

4 Aus den Jahren 1966 bis 1974 gibt es mehr als 1.000 Artikel über die Therapie von Homosexualität in der Datenbank Medline. Die Durchsicht eines repräsentativen Querschnitts verschiedener Therapiearten und ihrer Ergebnisse in diesen 1.000 Artikeln ergibt eine durchschnittliche Erfolgsquote von 52 Prozent.
Spitzer, Robert, Can Some Gay Men and Lesbians Change Their Sexual Orientation? 200 Participants Reporting a Change from Homosexual to Heterosexual Orientation, Arch Sex Behavior, 32, 5, 2003, S. 403-41
K. K. Kinnish et al., Geschlechtsspezifische Differenzen der Flexibilität der sexuellen Orientierung – Eine mehrdimensionale retrospektive Studie, In: Zeitschrift für Sexualforschung, Heft 1/ 2004
Stanton L. Jones, Mark A. Yarhouse; Ex-Gays?: A Longitudinal Study of Religiously Mediated Change in Sexual Orientation, IVP Academie 2007