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Das Auge: Fehlkonstruktion oder schöpferische Meisterleistung?

Vielleicht reiben sie sich verwundert ihre Augen, nach dem sie diese Überschrift gelesen haben. Ist denn nicht schon allein die Tatsache, dass wir sehen und deshalb auch diesen Artikel lesen können, durch eine Fülle atemberaubender Konstruktions- und Funktionsdetails unserer Augen oder des Gehirns überhaupt erst möglich? Vieles, was durch die Forschung aufgedeckt wurde, spricht doch eine ganz eindeutige Sprache.

Ein kurzer Steckbrief des menschlichen Auges, welches zu den Linsenaugen gehört, soll dies unterstreichen:

– Auf der Netzhaut mit einer Größe  ca. 2 cm2 finden ca. 130 Millionen Lichtsinneszellen (Rezeptoren) Platz. Unsere modernen digitalen Kameras sind von dieser Bildpunktdichte (Pixel) noch weit entfernt. – Von den angesprochenen Sinneszellen sind ca. 60-125 Millionen sogenannte Stäbchenzellen. Sie sind für die Hell-Dunkel Wahrnehmung verantwortlich. Die übrigen 3-6 Millionen Zapfenzellen ermöglichen das Farbsehen.

– Die unterschiedliche Farbwahrnehmung sowie die Unterscheidung von Hell und dunkel basiert auf Eigenschaften spezieller Eiweise (Opsine) in den Sinneszellen, welche spezifisch auf bestimmte Wellenlängenbereiche des Lichtes (Farben) reagieren. Ihr Zusammenspiel erlaubt es  dem Menschen, ca. 7×106 Farbtöne zu unterscheiden.

– Die Sinneszellen können einen Nervenimpuls aus einem einzigen eingefangenen Photon (oder Lichquant) generieren.  Die Höhe der dabei ausgelösten Spannung in einer Sinneszelle bei Lichteinfall beträgt 30 mV. Das entspricht einer enormen Verstärkungsleistung von ca. 105-106.

– Der daraufhin nur im Millisekundenbereich fließende Strom genügt, um als codierter Rohdatensatz dem Gehirn die notwendigen Informationen für die Bilderzeugung zu übermitteln.

– Die Sinneszellen sind vielfältig über andere Nervenzellen und ihre Verbindungen miteinander verschaltet. 1000 einzelne Sinneszellen können ihr Signal zusammenführen, es gegenseitig verstärken, abschwächen oder hochkomplex interagieren.

– Das menschliche Auge kann etwa 1012 unterschiedliche Leuchtdichtenstufen wahrnehmen.

– Die Pupille steuert den Lichteinfall in das Auge und vermag  diesen um das sechzehnfache zu verstärken bzw. abschwächen. Ähnlich arbeitet auch die Blende in einem Fotoapparat.

– Die Linse unseres Auges ist im Gegensatz zu den Linsen im Fotoapparat verformbar, kleine Muskeln sorgen dafür, dass die erforderliche Brechung der Lichtstrahlen im Zusammenspiel mit der davor gelegenen Hornhaut erfolgen kann.

– Die Brechungskraft (Akkomodationsbreite) des Auges reicht von 58 bis 68 Dioptrien, das bedeutet die geringste Entfernung in der noch scharf gesehen werden kann (Nahpunkt) beträgt 10 cm, die größte Entfernung in der scharf gesehen werden kann (Fernpunkt) liegt -physikalisch gesprochen- in der Unendlichkeit.

– Der kleinster Winkel, bei dem das Auge zwei nebeneinander liegende Punkte im Abstand von über 10 cm noch getrennt wahrnimmt, beträgt 0,0166 Grad. (Ein Kreis misst bekanntlich 360 Grad.) Das entspricht in etwa dem Abstand von zwei Nervenzellen auf unserer Netzhaut.

– u.v.a.m.

Vergleicht man unser Auge mit dem Sehorgan anderer Tiergruppen, kommt man auch hier aus dem Staunen nicht mehr heraus. Faszinierend ist, wie stark die aufgeführten Einzelmerkmale variieren können und dabei auffallend für jedes Lebewesen exakt auf dessen Lebensumwelt abgestimmt sind. So kann der Adler aus der Luft die kleinste Maus scharf erkennen (ca. 10-fach größere Seeschärfe als beim Menschen), der Tiefseefischfisch auch Licht im ultravioletten Bereich optimal nutzen oder ein nachtaktives Tier sich im Dunkeln hervorragend orientieren. Manche Insekten oder Krebse können mit ihren Komplexaugen, die aus vielen zylinderförmige Einzelaugen zusammengesetzt sind, neben dem für uns sichtbaren Licht auch im infraroten oder ultravioletten Bereich sehen und sogar die Polarisation des Sonnenlichtes durch die Lufthülle der Erde zur Orientierung ausnutzen.

Kommen wir zu unserer Ausgangsfrage zurück. Warum gilt für viele das Auge des Menschen als eine Fehlkonstruktion? Was sind die Gründe dafür?

Die Ansicht, dass das Auge in mancher Hinsicht eine Fehlkonstruktion sei, wird seit mehr als 100 Jahren immer wieder von Wissenschaftlern behauptet aber ebenso deutlich widersprochen. Der berühmte Naturforscher Herman von Helmholtz stellte schon1868 eine Reihe von „Fehlern“ des menschlichen Auges zusammen, die man der „bildenden Naturkraft“ aber einem Optiker, der uns ein optischen Gerät mit diesem Fehlern anbieten würde, niemals verzeihen könne.

Die Ansatzpunkte, das eine oder das andere zu vertreten, sind recht vielschichtig. Nachteile bezüglich unserer optischen Fähigkeiten im Vergleich mit anderen Tieren, unverstandene Konstruktionsmerkmale des Auges und der Verweis auf seine evolutionäre bzw. stammesgeschichtliche Herkunft werden als Begründungen dafür am häufigsten aufgeführt.

Und das gilt bis heute. Zwei Beispiele. In einem von der Öffentlichkeit sehr beachteten Artikel konnten die Leser der „Zeit“ am 11.8.2005 folgende Einschätzung des Genetikers Steve Jones lesen: „Gott pfuscht auch … Kein grandioser Ingenieur hat Augen und alles andere in der Welt des Lebens geschaffen. Es war ein Kesselflicker. Ob es einen großen Designer da draußen gibt, ist nicht Gegenstand der Wissenschaft. Wenn es ihn geben sollte, beweist die Evolution vor allem eins: Er erledigt seinen Job miserabel.” 

Und 2011 äußern sich die Autoren Neukamm und Beyer in einem Internetbeitrag zu diesem Thema gleichlautend: „Objektiv betrachtet besteht nach wie vor kein Zweifel daran, dass die Struktur des Wirbeltierauges nicht den Eindruck einer sauberen, langfristigen Planung erzeugen kann (etwa, indem es von Anfang an auf optische Optimalität angelegt worden wäre), sondern den eines strukturellen, mit konstruktiven Mängeln übersäten Flickenteppichs, …“

Charles Darwin, der mit seinem Hauptwerk „Über die Entstehung der Arten“ 1859 den Durchbruch der Abstammungslehre einleitete, war begeistert vom Bauplan des Auges. „Die Annahme, daß das Auge mit all seinen unnachahmlichen Einrichtungen – die Linse den verschiedenen Entfernungen anzupassen, wechselnde Lichtmengen zuzulassen und sphärische wie chromatische Abweichungen zu verbessern – durch natürliche Zuchtwahl entstanden sei, erscheint, wie ich offen bekenne, im höchsten Grade als absurd.“ Im gleichem Atemzug traute er es aber seiner Theorie zu, das sie befriedigende Antworten geben wird, wie das Auge auf natürliche Art und Weise ohne Eingreifen eines Schöpfers entstanden ist.

150 Jahre nach Charles Darwin muß man nüchtern festhalten, die Erklärungen für eine natürliche Entstehung der Augen fehlen immer noch. Das gilt übrigens für alle Augentypen. Und je mehr man über die hochkomplexen Zusammenhänge der Augen in Erfahrung bringt, um so mehr scheint man sich, von diesem hochgesteckten Ziel Darwins zu entfernen. Es ist unbekannt, wann und auf welche Art und Weise die unterschiedlichen spezialisierten Augen der Wirbeltiere, der Insekten oder Quallen entstanden sind oder wie sie ihre Funktion im Zusammenspiel mit dem Gehirn und anderen Sinnesorganen erhielten. Betrachtet man die versteinerten Überreste ausgestorbener Lebensformen (Fossilien), dokumentieren diese immer eins: Vielfalt und Perfektion von Anfang an.

Obwohl unter den Fachleuten über diesen Tatbestand Einigkeit, ist man überzeugt, Spuren der evolutionären Vergangenheit sind heute noch sichtbar und begründen so manchen „Mangel“ bzw. Fehler des menschlichen Auges. Sehr häufig wird  auf den Feinbau der Netzhaut als Paradebeispiel für eine Fehlkonstruktion verwiesen. Die Sinneszellen, welche das ankommende Licht in elektrische Signale umwandeln, werden von mehreren Schichten anderer Nervenzellen überlagert. Das Licht muß also erst diese Schichten passieren und erreicht dadurch offenbar nur abgeschwächt die Zielzellen. Es gibt andere Lebewesen, zum Beispiel beim Tintenfisch, wo die Sinneszellen nicht als unterste sondern als oberste, also der Licht zugewandten Seite auf der Netzhaut, angeordnet sind. Auf den ersten Blick scheint hier eine energetisch bessere Konstruktion verwirklicht zu sein als beim Menschen. Man meinte darin einen schweren Konstruktionsfehler sehen zu können, den, wenn es einen Schöpfer gäbe, dieser vielleicht übersehen hat. Offensichtlich ist der Schöpfer gar nicht so intelligent, wie die Christen behaupten. Wenn man aber die Evolution als Schöpfer einsetzt, dann wäre es normal, wenn bestimmte Unzulänglicheliten auf dem Milliarden Jahre währenden Entwicklungsweg mitgeschleppt und vererbt würden. Das Argument des Konstruktionsfehlers dient also auch dazu, den Glauben an einen direkt eingreifenden und handelnden Schöpfergott im Namen der Wissenschaft unmöglich und lächerlich zu machen. Aber gerade die Wissenschaft ist es, die diesem und manch anderen ähnlich gelagerten Argumenten den Wind aus den Segeln nimmt.

Wir wissen heute durch eindrucksvoll bestätigte Erkenntnisse, dass die Netzhaut durchsetzt ist  mit einer Art Lichtleitkabelsystem. Dieses hocheffektive System wird bereitgestellt  durch zarte Nervenfortsätze anderer Nervenzellen (Müller Zellen), die das Licht von der Oberfläche der Netzhaut bis zu den tiefer gelegenen Sinneszellen  leiten. Verlustfrei wird so das ankommende Licht durch die Schichtpakete bis zu den Sinneszellen gebracht. Und das geschieht auch noch perfektioniert und abgestimmt in Bezug auf eine störungsfreie Farbwahrnehmung. Die Forscher, denen diese Entdeckung gelungen ist, beurteilen den Aufbau der Netzhaut deshalb so: «Wir haben mit der Netzhaut einen Hightech-Apparat vor uns, in jeder Hinsicht.» Selbst wenn die „verkehrte“ Lage der Netzhhaut beim Menschen unverstanden wäre (was sie offenkundig schon lange nicht mehr ist), wäre es forschungshemmend, vorschnell die Evolution für vermeintliche Konstruktionsfehler verantwortlich zu machen. „Die Suche nach Funktionen ist ein sinnvolles Forschungsprogramm, das unsere unzulänglichen Funktionskenntnisse vorantreiben und die vielfachen Hinweise auf sogenannte funktionslose Organe eliminieren wird“, schrieben vor über 30 Jahren Gutmann & Peters (1973) deshalb den Biologen ins Stammbuch.

Der durch wissenschaftliche Erkenntnislücken bisher am Leben erhaltene Mythos vom „Konstruktionsfehler“ des Wirbeltierauges ist nicht mehr nötig, um die Funktion und den Aufbau der Netzhaut zu charakterisieren. Die bekannten Fakten entziehen einer solchen Argumentation die Grundlage. Auch da, wo man meint noch andere Fehler – nicht nur beim Auge – gegen einen Schöpfer ins Feld führen zu können, gilt dies m.E. in gleicher Weise.

Die Evolutionsbiologie wird so ein weiteres Mal durch den Erkenntnisfortschritt herausgefordert, plausible Erklärungen ihrer Grundthese zu geben, dass biologische Strukturen wie die Netzhaut zwar „designt“ erscheinen, aber dennoch nicht „designt“ sind. Die Inanspruchnahme von Nichtwissen erweist sich dabei wohl als das schlechteste aller möglichen Argumente.

Die Berücksichtigung von Wissen führt uns dagegen zum Staunen und zur Anbetung eines genialen Schöpfers. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass wir IHN im Glauben sehen wollen.

Dr. med. Henrik Ullrich
1. Vorsitzender der Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V.

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