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Der Glaubenskurs „SPUR8“ und die Theologie des Kreuzes

Freitag 1. August 2014 von Prof. Dipl.-Kfm. Helmut Kind


Prof. Dipl.-Kfm. Helmut Kind

Eine Orientierungshilfe

1. Vorbemerkungen

Der Glaubenskurs „SPUR8“ ist zusammen mit anderen Glaubenskursen Teil des umfassenden Reformprojekts „Erwachsen glauben“ der „Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste“ (AMD) innerhalb der Evangelischen Kirche. Der Kurs „SPUR8“ geht zurück auf den früheren Glaubenskurs „Christ werden – Christ bleiben“ und  möchte insbesondere die Liebe Gottes den Menschen näher bringen. Dafür gebührt der „Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste“ (Hg.) und den Autoren des Arbeitsmaterials großer Dank. Der Kurs richtet sich hauptsächlich an Menschen, die noch wenig von der Bibel gehört haben bzw. dem Glauben distanziert gegenüberstehen. Er soll kein Bibel- und Studienkurs für Christen sein und biblische Themen nicht vollständig vermitteln. Handbuch, Präsentationsfolien, Referententexte und Teilnehmerhefte sind hervorragend aufbereitet, sodass der Glaubenskurs mit Sicherheit gut „ankommt“. Dennoch habe ich Bedenken in Bezug auf die im Glaubenskurs vertretene Theologie des Kreuzes, da insbesondere der Sühnetod Jesu indirekt abgelehnt und dem biblischen Befund nicht gerecht wird. Dies soll im Folgenden dargestellt und begründet werden.

2. Aspekte der Theologie des Kreuzes im Glaubenskurs „SPUR8“

Diesen Ausführungen liegen zugrunde einmal das Handbuch „SPUR8“, das für die Referenten bestimmt ist und zum anderen ein Beitrag mit dem Titel „Glaubenweckende Verkündigung als Wort vom Kreuz“. Dieser Beitrag (Umfang: 10 Seiten) ist auf der dem Handbuch beigefügten CD unter dem Button „Hintergrundinformationen“ enthalten und wird nachstehend als „Grundsatzpapier“ bezeichnet. Dieses Grundsatzpapier ist die unsichtbare Hintergrundfolie für die Kreuzestheologie des Glaubenskurses „SPUR8“. Die Thesen dieses Beitrags schlagen sich häufig nur teilweise bzw. indirekt und kaum merkbar im Handbuch „SPUR8“ sowie in den Referententexten und Teilnehmerheften nieder. Dies macht die Beurteilung der Theologie des Kreuzes im Glaubenskurs „SPUR8“ so schwierig.

(Die Klammer-Vermerke bei den folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Seitenangaben des Grundsatzpapiers bzw. auf die Seitenangaben des Buchs „SPUR 8“ – Neukirchen-Vluyn 2010)

Meine Bedenken beziehen sich auf die beiden folgenden Aspekte der Theologie der Rechtfertigung bzw. des Kreuzes Jesu (Grundsatzpapier, 1 u.2 bzw. 2 u.3).

  1. Aspekt: Verstehensrahmen bzw. Denk- und Sprachhorizont des heutigen Menschen.
  2. Aspekt: Ablehnung des angeblich juristischen Denkrahmens des Anselm von Canterbury in seinem Buch „Cur deus homo“.

Aufgrund dieser beiden Aspekte werden die folgenden direkten bzw. indirekten Aussagen (= Weglassungen) gemacht, die von mir kurz kommentiert werden.

3. Zum Verstehensrahmen  

Die biblischen Aussagen über das Kreuz

– in der Terminologie des Opferkults (Jesu Tod ist das vollkommene Sühneopfer für die Sünden der Welt) – z. B. Joh. 1,29 u. Röm. 3,25,

– in der Terminologie des Strafrechts (das Kreuz ist die anstelle der Schuldigen vom Schuldlosen übernommene Strafe des göttlichen Gerichts) – z. B. Gal. 3,13 u. Kol. 2,14,

– in der Terminologie des Besitzrechts (Jesu Sterben ist der Loskauf der Versklavten aus der Verderbensmacht der Sünde) – z. B. Kol. 1,13 ff.

würden jüdisch-alttestamentlichen Quellen entstammen und sich an die Adressaten des Neuen Testaments richten.

Bedenken: Die Ausführungen im Grundsatzpapier (S. 2) sind meines Erachtens so zu verstehen, dass die genannten biblischen Aussagen angeblich nicht mehr dem Denk- und Sprachhorizont der heutigen Menschen entsprechen.  

Die biblischen Deutungen des Kreuzes stellen nach dem Grundsatzpapier keine abgeschlossene Aufgabe dar. Allen Deutungen im Neuen Testament gemeinsam sei, „dass Gott im Kreuz Jesu Christi versöhnend handelt und der Mensch im Glauben …zum Frieden mit Gott kommt“ (Grundsatzpapier, 2). Dies ist quasi die „Vorgabe“ für alle zeitgemäßen Deutungsansätze. Die Auslegung des Kreuzes müsse vielmehr “in Verantwortung vor der neutestamentlichen Vorgabe immer wieder neu gewagt werden.“

Bedenken: Meines Erachtens enthält das Grundsatzpapier keinen Deutungsansatz, der dem biblischen Kreuzesgeschehen voll gerecht wird bzw. den Inhalt der o. a. biblischen Deutungen verstehbarer macht. Auch wird nicht genügend bedacht, dass Gott in seinem Wort bzw. durch sein Wort den Menschen den Heiligen Geist schenkt und der Heilige Geist den Menschen sein Wort und die biblischen Deutungen des Kreuzesgeschehens verstehbar macht. Die biblischen Aussagen über das „Wie“ der Versöhnung scheinen nicht verbindlich zu sein. Sie werden aus meiner Sicht relativiert. Meines Erachtens sollten die biblischen Deutungsansätze stehen gelassen und verständlich erklärt werden.

4. Zum Sühnetod Jesu

Dem Sühnegedanken und dem Sühnetod Jesu wird mit größter Zurückhaltung begegnet. Es wird in diesem Zusammenhang von überholten Deutungen aufgrund altgermanischer Rechtsvorstellungen gesprochen, vom Wandel im Rechtsbewusstsein und in der Strafrechtspraxis. Außerdem trete der Sühnegedanke zu Gunsten therapeutischer und resozialisierender Bemühungen zurück (Grundsatzpapier, 3).

Dabei wird m. E. übersehen, dass der Gedanke der Sühne im Strafrecht verankert ist und wie ein Archetypus im Bewusstsein aller Völker zugegen ist.

Positive Aussagen über das Sühnegeschehen und das Blut Jesu Christi fehlen. Damit fehlen auch positive Aussagen über die stellvertretende Genugtuung und über den Opfertod des gekreuzigten Christus. Diese Gedanken gehören angeblich zum juristischen Denkrahmen des Anselm von Canterbury und werden in Frage gestellt. Der Hinweis auf das „Sündenbock-Motiv“ (Grundsatzpapier, S. 8, Ziff. 6.1) nach 3. Mose 16 kann meine Bedenken nicht zerstreuen. Hier liegt m. E. ein Widerspruch vor, denn das Sündenbock-Motiv bejaht den Sühnetod, während die sonstigen Aussagen des Grundsatzpapiers zum Kreuzestod Jesu den Sühnetod direkt oder indirekt ablehnen.

Wenn im Grundsatzpapier ausgeführt wird, dass Gott Christi Tod nicht als Sühne brauche bzw. den Tod Jesu nicht brauche, um uns vergeben zu können (Grundsatzpapier, 7 u. 8), so wird übersehen, dass nach biblischer Aussage wir Menschen den Sühnetod Jesu zur Rettung, Versöhnung, Erlösung und zum Heil benötigen.

Die biblischen Aussagen (z. B. 1. Joh. 1,7), wonach das Blut Jesu Christi uns rein macht von aller Sünde, finden keinen Niederschlag im Konzept von SPUR8. Es stimmt nachdenklich, wenn lediglich ausgeführt wird, dass Gott kein Sadist ist, der erst Blut sehen muss, bevor er uns annimmt (Buch, 217 – Station 5).

5. Zum Kreuz Jesu

Das Kreuz Jesu wird folgendermaßen gedeutet (wörtliche Zitate), wobei m.E. das konkrete Heilshandeln Jesu am Kreuz nicht deutlich wird:

a) Es zeigt, wie sehr sich Gott mit den Leidenden solidarisiert (Buch, 172 – Station 3).

b) Gott selbst stellt sich an die Seite der Leidenden. Er wird im Gekreuzigten einer von uns. Er teilt das Leiden seiner Menschen (Buch, 218 – Station 5).

c) Gott selbst erleidet am Kreuz den Schmerz seiner Liebe (Grundsatzpapier, 5).

d) Am Kreuz opfert sich Gott selbst ins Leiden der Liebe hinein. Er hält seine Liebe zu uns im Schmerz durch. ………. Gott braucht das Kreuz Jesu nicht, um für uns gewonnen zu werden. Aber wir brauchen den Anblick des Gekreuzigten, um für Gott gewonnen zu werden, brauchen das Kreuz, um zu sehen, was wir so schwer glauben können: Gott hat uns unendlich lieb. Er scheut sogar Leiden und Tod nicht, um uns nahe zu sein. (Buch, 217 – Station 5)

e) Jesus erleidet am Kreuz das Misstrauen der Welt gegenüber Gott (Grundsatzpapier,4).

f) Gott braucht diesen Tod nicht, um uns vergeben zu können. Er richtet das Kreuz vielmehr als vertrauensbildende Maßnahme auf, als ein Zeichen seiner unbedingten Versöhnungsbereitschaft (Grundsatzpapier, 5).

g) Im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Luk. 15) ist „nicht vom Kreuz als dem Rechts- und Ermöglichungsgrund der Vergebung die Rede“ (Grundsatzpapier, 8).

Bedenken: Dies heißt doch, dass für die Vergebung das Kreuz nicht notwendig ist!

6. Weitere Kritikpunkte

a)  Worte von der Heiligkeit Gottes, der Strafe, dem Zorn und dem Gericht Gottes sowie von der ewigen Verdammnis haben in SPUR8 keinen Platz. Einen doppelten Ausgang des Todes scheint es nach SPUR8 nicht zu geben.

b)  Biblische Worte (z. B. Matth. 7,13 u. 14) von der weiten Pforte und dem breiten zur Verdammnis führenden Weg für die meisten Menschen bzw. von der engen Pforte und dem schmalen zum Leben führenden Weg für nur wenige Menschen können m. E. im Konzept von SPU8 nicht untergebracht werden.

c)  Der Sündenbegriff „Zielverfehlung“ ist grundsätzlich richtig, aber zu einseitig. Andere Begriffe wie „Rebellion“ oder „das willentliche Sichabwenden von der Autorität Gottes“ werden nicht gebracht. Sünde als Beziehungsstörung ist auch im Wesentlichen richtig. Die Auswirkung der Sünde als „Misstrauen“ ist m. E. zu kurz gegriffen. Die Überwindung der Sünde durch vertrauensbildende Maßnahmen reicht nicht. Es geht um Rettung, Versöhnung, Erlösung, Heil usw.; diese Gedanken kommen zu kurz. Die Aussagen in Röm. 7 „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leibe“ sind mit Misstrauen nicht zu erklären.

d)  Die Kreuzes-Theologie von SPUR 8 hat mit den biblischen Aussagen und den lutherischen Bekenntnisschriften m. E. nur wenig zu tun. Es wird zugegeben, dass die reformatorische Tradition dem Denkansatz des Anselm von Canterbury weithin gefolgt ist (Grundsatzpapier, 2).

e)  Die starke Relativierung biblischer Aussagen ist mehr als bedenklich.

f) Die jüdisch-christliche Verankerung unseres Glaubens sollte m. E. stärker entfaltet werden. Davon ist im Glaubenskurs „SPUR8“ nichts zu spüren.

Altbischof Ulrich Wilckens ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „Das Neue Testament ist voll von Hinweisen darauf, dass das Christusgeschehen in den Schriften des Alten Testaments im Voraus angekündigt wurde, …..…. Wir Christen müssen uns daher in das Alte Testament hineindenken, um die Verkündigung und den Glauben im Neuen Testament richtig zu verstehen.“ (in „Standpunkte“, Neukirchen-Vluyn 2010, S. 15)

7. Schlussbemerkung

Bei der Abfassung der kritischen Punkte und beim Lesen der Unterlagen zum Glaubenskurs „SPUR8“ habe ich doch irgendwie ein schlechtes Gewissen. Der Text der Unterlagen (z. B. Teilnehmerhefte und Handbuch für Referenten und Veranstalter) geht so glatt ein. Ich werde immer nachdenklich, wenn ich höre, dass Menschen durch diesen Glaubenskurs in vielen Jahren zu Jesus geführt wurden bzw. in ihrem Glauben gestärkt wurden. Das freut mich. Auch sind die Unterlagen pädagogisch und didaktisch hervorragend aufbereitet. Ist Kritik dann noch gestattet?

Und doch: Bei meiner grundsätzlich positiven Einstellung zu Glaubenskursen und bei ihrer Überprüfung am Wort der Bibel komme ich trotzdem nicht umhin, konstruktiv-kritische Anmerkungen zu machen, wenn es sein muss. Die Glaubenskurs-Unterlagen zu „SPUR8“ sollten meines Erachtens überarbeitet werden. Dabei sollte der Sühnetod bzw. Opfertod Jesu im Glaubenskurs die ihm gebührende zentrale Stellung und Bedeutung für den christlichen Glauben erhalten.

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Quellen-Hinweise:

  a) „Handbuch“: SPUR8 – Handbuch mit CD-ROM für Referenten und Veranstalter; Hg. Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste, Neukirchen-Vluyn 2010

   b) „Grundsatzpapier“: Beitrag „Glaubenweckende Verkündigung als Wort vom Kreuz“ (Autor: Landessuperintendent Dr. B. Krause), enthalten auf der dem Handbuch beigefügten CD (Button: Hintergrundinformationen)

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Emden, im August 2014

Autor: Helmut Kind, Prof. Dipl.-Kfm., Emden

E-Mail-Adresse des Autors: Helmut.Kind@t-online.de

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 1. August 2014 um 14:01 und abgelegt unter Allgemein, Gemeinde, Kirche, Theologie.