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„Die Bibel in gerechter Sprache“

„Bibel in gerechter Sprache“ – in richtiger und angemessener Sprache?

Landeskirchenamtlich bezuschußt und empfohlen, erschien zur Buchmesse 2006 im Gütersloher Verlagshaus die „Bibel in gerechter Sprache“, hrsg. von U. Bail, F. Crüsemann u.a. Die gute Absicht von 52 Übersetzerinnen und Übersetzern, die Bibel so zu übersetzen, daß sie Frauenperspektiven ernst nimmt und sensibel für den christlich-jüdischen Dialog sowie für soziale Auseinandersetzungen erscheint, hat in den unterschiedlichen Büchern der Bibel bei durchaus unterschiedlichen Übersetzungsstrategien zu qualitativ stark divergierenden, teilweise einleuchtenden, häufig aber katastrophalen Ergebnissen geführt. Einige Stichproben sollen das negative Urteil belegen. Jegliche Ästhetik wird dem Text ausgetrieben.

Wegen angestaubter Anti-Herrschafts-Ideologie kommt die seit der ältesten Übersetzung, der LXX, überkommene Wiedergabe des Gottesnamens JHWH durch Herr nicht infrage. Ob Adonaj ein sinnvoller Ersatz ist (sogar im NT oft für Kyrios, soweit damit Gott gemeint ist!), mag der Diskussion überlassen bleiben. Der in manchen Büchern systematische, nicht selten zwanghaft-wahnhafte Wechsel zwischen männlichen und weiblichen Übersetzungsäquivalenten für den biblischen Gott führt zu religionsgeschichtlichen Absurditäten z.B. in Ex 34,23: Dreimal im Jahr sollen alle deine Männer vor Ihr, der Herrin, der Gottheit Israels erscheinen“ (warum Jeremia wohl in 44,15ff gegen die Himmelskönigin wettert?) und karikiert sich selbst durch Unverständlichkeit in Ex 15,3 Er ist ein Krieger, sein Name ist Sie. Auch scheinen die Übersetzerinnen selbst sich in diesem Geschlechterdickicht verlaufen zu haben. So führt die Technik, im Zwölfprophetenbuch (besonders exzessiv in Hosea) den JHWH-Namen durch die Ewige wiederzugeben, in Hos 2,18 zu folgendem mehrfach rätselhaften Vorwurf: An jenem Tag geschieht’s – spricht die Ewige –: Du nennst mich „mein Mann“, und nennst mich nicht weiter „mein Baal, mein Herr“.

Dem männlichen Teil der Menschheit gegenüber zeigt sich die Übersetzung verklemmt und prüde. Vermeintlich genaue Differenzierung führt in Gen 2+3 zu atemberaubender Häßlichkeit. Adam erscheint dort wahlweise als Adam, das Menschenwesen; der Mensch als Mann; der Mann als Mensch; der männliche Mensch; der Mann-Mensch; letzte Steigerung 2,22: Adam, der Rest des Menschenwesens. Adam minus Eva gleich Rest des Menschenwesens: wie einfach, wie gerecht, wie dämlich! Während die ganzheitlichen Evas weiterhin gebären, dürfen die Adamsreste nicht mehr (er)zeugen, sie bekommen ihre Kinder (Gen 5 u. ö.); wo aber TM zurückhaltend passivisch formuliert, fragt Abraham nun in Gassen-Jargon Gen 17,17: Soll etwa ein 100-Jähriger Kinder machen? Diesem Sprachniveau entspricht 3,1: Die Schlange hatte weniger an, aber mehr drauf, und so reduziert sich die Sündenfallerzählung auf einen kleinen Betrug 3,13: Die Schlange hat mich reingelegt. Die Sodomiten andererseits haben es anscheinend nur auf eine Schlägerei mit den beiden Engeln abgesehen 19,6: Sie sollen uns kennenlernen! Ist Feuer vom Himmel dafür nicht eine zu strenge Strafe? Wie spricht der Mann von Welt zur Hure am Wegrand? Gen 38,16: Na, mach schon, ich will zu dir kommen! Dickerchen Noach ist 6,9 ein rundherum gerechter Mann. Zu Abraham kommen Gen 18 nicht drei Männer, sondern drei Gestalten. Aber warum soll Sara über die Sohnesverheißung nicht juchzen 18,13? Da Abraham in 17,17 jedoch lacht, geht der Bezug zwischen beiden Szenen verloren. Völlig überflüssige erklärende Zusätze verderben den Text: Gen 17,1: Ich bin El Schaddaj, die Gottheit, die nährt und zerstört. Ebenso unnötigerweise wird mehrdeutiger Wortlaut vereindeutigt: Abraham wird in Gen 15,6b einziges mögliches Subjekt: Da glaubte er Adonaj und zählte es als eine Tat der Gerechtigkeit. So lässt man die Argumentation des Paulus Röm 4,22 listig ins Leere laufen. Ganz locker geht Rebekka ihre Intrige gegen Esau an 27,6: Schau mal, ich habe gehört. Von Juda heißt es nach der Tamar-Episode in Beamtendeutsch Gen 38,26: Er wurde nicht noch einmal mit ihr intim. Von eher anrüchiger Fantasie zeugt dagegen Ri 3,22.23: Die Klinge ging zum Hintern hinaus. Ehud aber ging durch den Abort hinaus. Das Elterngebot des Dekalogs lautet nun Dtn 15,16: Dein Vater und deine Mutter sollen für dich Gewicht haben. Das Begehrensverbot wird gegen alle gesellschaftliche Evidenz der altisraelitischen Gesellschaft gleichmäßig auf Männer und Frauen bezogen Dtn 5,21: Sei nicht auf den Partner oder die Partnerin anderer aus. Das Ehebruchsverbot schließlich wird so formuliert, daß es sich auch auf Lebensabschnittspartner und gleichgeschlechtliche Paare beziehen kann Dtn 5,18: Verletze keine Lebenspartnerschaft, bzw. Ex 20,14: Geh nicht fremd. Die neutestamentlichen Zitate dieses Dekalogverbots sprechen nach wie vor von Ehe.

Der Geist Gottes ist natürlich auch viel zu maskulin, nun tritt generell seine Geistkraft auf. Besonders die jüdische Gottesbezeichnung Ha-Makom Ps 3ff. werden christliche Psalmbeter innig begrüßen. Ps 6,4: Du aber, du, ha-Makom, wie lange? In Jes 52,13 wird aus mein Knecht (so TM): der Mensch in meinem Dienst, in 53,3 aus dem Mann erst ein Mensch, dann eine Gestalt, damit man fürderhin in femininen Formen von ihr sprechen (In Wahrheit trug sie unsere Krankheiten etc.) und so einen christologischen Bezug im Keim unterbinden könne. Vor Isebel rettete Obadja nach 1Kön 18,4 nicht 100 JHWH-Propheten (so TM), sondern 100 Prophetinnen und Propheten der Ewigen; ob er sie nach Geschlecht getrennt auf die zwei Höhlen verteilte, verrät uns die Übersetzerin nicht. Es muß damals auch viele Amazonen gegeben haben, denn nach Ri 13,1 wurden die Israelitinnen und Israeliten … in die Gewalt der Philisterinnen und Philister gegeben, nach Ri 15,9–11 stiegen die Philisterinnen und Philister nach Lehi hinauf gegen Simson, worauf 3000 Judäerinnen und Judäer ihn in Fesseln legten, und in Ps 2 halten Würdenträgerinnen Kriegsrat. Die Heilige, die dort anstelle JHWHs redet, will sich entsprechend auch nicht auf das Geschlecht der Gottesgeburt festlegen. Aus unzumutbarem maskulinischen mein Sohn bist du 2,7 wird, da „Tochter“ oder „Kind“ nun doch nicht angingen: Mein bist du. Das ist die Erfindung der inklusiven Lücke.

Mit dem Wort Sohn steht diese Übersetzung auf dem Kriegsfuß. Lieber verwendet sie dafür Kind; z.B. in Hebr 1,1–4 und Kol 1,13–20; dort findet sich auch die gewagte Wiedergabe: Und es ist das Haupt der ganzen himmlischen Versammlung. Das Kind göttlicher Liebe ist Anfang. Der Weltenrichter in Mt 25 wird zwar mit Herr angesprochen, er ist aber nicht der König, sondern die königliche Person, so daß wenigstens in V 41 sie, nicht er zu den auf der Linken sprechen kann. Die Gesegneten meines Vaters in 25,34 sind zu sprachlich schwierigen Gesegnete Gottes, Vater und Mutter für mich, die Zwölf im Abendmahlssaal 26,20 zur gesamten Gemeinschaft aus Jüngerinnen und Jüngern geworden. Im Prolog Joh 1,1 geht der Übersetzerinnenwettkampf mit Goethes Faust so aus: Am Anfang war die Weisheit! Sie wohnt unter den Menschen 1,14, nachdem sie zuvor abscheulicherweise Materie geworden war, sie, das einziggeborene Kind von Mutter und Vater; da wird die mythologische Rede nun doch wohl auf die Spitze getrieben.

Die (freilich durchaus prekäre) Trennlinie zwischen Übersetzung = Präsentation eines Textes und dessen Auslegung nach vordefinierten Interessen und Fragestellungen wird systematisch unterlaufen, indem die Auslegung derart in die Übersetzung integriert wird, daß der Text ihr gegenüber seine Eigenständigkeit verliert. Aus ideologischer Verbiesterung wird so eine „Übersetzung“ der Bibel geschaffen, die in wichtigen Teilen durch sprachliche Häßlichkeit abschreckt, sachlich irreführt und so viele Brücken zwischen AT und NT abbricht wie möglich. Wenn einige dieser Leute so viel besser als die biblischen Autoren wissen, wie diese hätten formulieren sollen, warum schreiben sie nicht die Bibel auf eigene Verantwortung neu, statt die unglaubwürdige Behauptung aufzustellen, sie hätten sie übersetzt?

Aus:  Theologische Quartalschrift, Bd. 186 (2006), 4, S. 343-345