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Gefährlicher Zentralismus: Die EU-„Grundrechte“ als Waffe gegen Ehe, Familie und Bürgerwillen?

Die EU versteht sich als Verteidiger der Grundrechte, die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ ist ihre Magna Carta und die Grundrechte-Agentur in Wien ihr Ausführungsorgan. In ihrer Präambel heißt es, die Charta trage zur „Erhaltung und zur Entwicklung der gemeinsamen Werte der EU-Mitgliedsstaaten unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten“ bei. Außerdem bekräftigt sie die Rechte, die sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ergeben. Es gilt also prinzipiell die Achtung der Zuständigkeiten und Aufgaben von Union und Mitgliedsstaaten unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips.

Mit anderen Worten: Es soll nur vergemeinschaftet werden, was allen Mitgliedsstaaten bereits gemeinsam ist. Artikel 51 legt diesen Anwendungsbereich der EU-Grundrechte-Charta fest: „Diese Charta gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. (…) Diese Charta begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Gemeinschaft und für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.

Diese Subsidiaritätsregel der Grundrechte-Charta wollen die EU-Volksvertreter löschen. Stattdessen fordern sie einen autonomen politischen Kontrollmechanismus, der von Brüssel aus die Einhaltung der Grundrechte in den Mitgliedsstaaten politisch bewerten soll. Denn die fortschreitende Zentralisierung der EU betrifft immer häufiger den Bereich der Grundrechte, und damit auch die institutionelle Steuerung von Normen und Werten in den Mitgliedsstaaten. Der Estrela-Bericht („Grundrecht auf Abtreibung“, Verletzung des Eltern-Rechts auf Erziehung ihrer Kinder) und der Lunacek-Bericht (von der EU gesteuerte Vorzugsbehandlungen für gleichgeschlechtlich lebende Menschen in allen Mitgliedsstaaten) sind die jüngsten Belege dieser Absicht. Die Grundrechte-Agentur in Wien funktioniert dabei als Agenda-Setter, mithin schon als Steuerungsinstrument. Die Entscheidungen bezüglich wirklich schutzbedürftiger Minderheiten werden politisch ausgehandelt Auf diese Weise verselbständigt sich die europäische Grundrechte-Politik –  ein Prozess, der bisher noch nicht von Fachleuten, Experten oder Politikern untersucht wurde.

Im vom früheren belgischen Außenminister und EU-Entwicklungskommissar Louis MICHEL vorgelegten Jahresbericht über die Lage der Grundrechte (2012) geht das EU-Parlament nun einen Schritt weiter. Es fordert einen neuen „Kopenhagen-Mechanismus“, um die Umsetzung der in der Grundrechte-Charta aufgezählten Werte sicherzustellen. Ursprünglich dienten die „Kopenhagen-Kriterien“ als Gradmesser der Beitrittsfähigkeit zukünftiger Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Grundrechte, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Chancengleichheit und dem Schutz von Minderheiten. Beitrittskandidaten mussten ihre EU-Fähigkeit an den „Kopenhagen-Kriterien“ messen lassen.

Gegenüber den Mitgliedsstaaten ist der EuGH für die juristische Feststellung tatsächlicher Grundrechts-Verletzungen letztverantwortlich. Die EU-Kommission ergreift zwar gerne politische Maßnahmen, wie sie es in Litauen, Frankreich und Ungarn tat. Aber jede dieser Maßnahmen gegen einen Mitgliedsstaat war politisch motiviert und erwies sich immer als juristisch haltlos; folglich musste die EU-Kommission zurückrudern. Eine neue „Kopenhagen-Kommission“, zusammengesetzt auf der Grundlage einer interinstitutionellen Vereinbarung und bestehend aus unabhängigen hochrangigen Grundrechteexperten, die vom Parlament berufen werden, soll die Richter am EuGH und am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strasbourg politisch ersetzen. Die Zuständigkeiten der Grundrechte-Agentur sollen massiv erweitert werden. Grundrechte sollten nur im Sinne der Brüsseler Verwaltung und Institutionen definiert werden. Dafür werden zukünftig in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Organisationen Indikatoren entwickelt, um eine systematische Bewertung nach Thema und Mitgliedsstaat der EU-korrekten Anwendung aller Menschenrechtsinstrumente (also auch von Europarat und UNO) vorzunehmen. Danach werden Empfehlungen und Sanktionen zum Umgang mit Verstößen gegen den EU-Wertekatalog ausgesprochen.

Dieser  neue politische Steuerungsmechanismus richtet sich schon heute gegen den Bürgerwillen. In Ungarn wählten die Bürger eine absolute konservative Mehrheit ins Parlament. In Kroatien wurde eine Volksabstimmung durchgeführt. Beide Mitgliedsstaaten definierten in ihrer Verfassung den Begriff „Ehe und Familie“ als Verbindung zwischen Mann und Frau. Das stieß auf harsches Missfallen in Brüssel. Die von Brüssel favorisierten, neuen EU-Grundrechte-Indikatoren missachten das Prinzip der Subsidiarität und richten sich de facto gegen Ehe und Familie, gegen den Bürgerwillen und gefährden damit den Konsens in den Gesellschaften Europas und vielleicht sogar den Zusammenhalt der Europäischen Union.

Brief aus Brüssel, Februar 2014

Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.

www.i-daf.org [1]