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Christen im Westjordanland – verfolgt und vergessen

Seit Generationen leben die Palästinenser im Westjordanland unter schwierigen Bedingungen. Die Infrastruktur der Wohngebiete ist extrem schlecht, die Arbeitslosigkeit hoch und Armut weit verbreitet. Das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern wird durch den politischen Konflikt stark belastet. Islamische Gruppierungen wie die Hamas versuchen, durch Gewalt und Terrorismus ihre Ziele durchzusetzen. Die Gegenmaßnahmen der israelischen Seite – insbesondere die Kontrollen durch das Militär an den Checkpoints – empfinden die Palästinenser als demütigend und ungerecht. Vorwürfe, Unversöhnlichkeit und Hass bestimmen die Atmosphäre in der Region. Ein ausgleichender Faktor sind jedoch auf beiden Seiten die Menschen, die an Jesus Christus glauben und deshalb eine Botschaft der Liebe, des Friedens und der gegenseitigen Annahme verbreiten.

Immer wieder nehmen Mitglieder des Philippus-Dienstes ihre Aufgabe wahr, sich vor Ort in Israel und in den besetzten Gebieten Einblick in die Situation der dortigen Christen zu verschaffen. Kürzlich bereisten wir das biblische Kernland Judäa und Samaria, wo fast ausschließlich arabische Muslime leben. Die christliche Minderheit ist verschwindend gering; abgesehen von Nominalchristen aus der anglikanischen, griechisch-orthodoxen und römisch-katholischen Kirche gibt es in der gesamten Westbank etwa zwölf evangelikale Gemeinden mit insgesamt über 1.000 Gläubigen.

Auf unserer Fahrt von Bethlehem nach Jenin im Norden der Westbank sahen wir viele ehemalige christliche Dörfer, in denen jetzt keine oder nur noch wenige christliche Familien leben. Einige von ihnen haben wir besucht. Viele Christen haben den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen den Rücken gekehrt und sind ausgewandert (die christlichen Palästinenser haben in der Regel eine sehr gute Schulbildung, die christlichen Schulen gelten als die besten im Land); deshalb finden sich meistens Staaten der westlichen Welt, die bereit sind, die Christen aus politischen Gründen aufzunehmen. So kommt es, dass in Bethlehem und Umgebung nur noch wenige Christen wohnen. An dem Ort, wo vor 2000 Jahren Jesus Christus geboren wurde, sind seine Nachfolger heute eine winzige Minderheit.

Der Philippus-Dienst sandte in der Vergangenheit immer wieder Gebetsgruppen dorthin und wird ab sofort verstärkt Fürbitter in diese Gebiete schicken, um die Geschwister dort zu ermutigen und ihnen den Rücken zu stärken. Die palästinensischen Christen sind Garant dafür, dass radikale Kräfte nicht die Überhand gewinnen und ein Weg zum friedlichen Zusammenleben mit Israel gesucht wird. So fanden wir viele tapfere Zeugen Jesu Christi, die den schwierigen Bedingungen trotzen und entschlossen sind, auch weiterhin ein Licht auf dem Berg zu sein.

Ein prominentes Beispiel dafür ist Tass, bekannt durch seine Autobiographie „Ich kämpfte für Arafat“. Als erfolgreicher Geschäftsmann führte er ein bequemes Leben in Amerika, bis Gott ihn wieder in seine Heimat zurückrief. Seit einigen Jahren baut er in Jericho die Arbeit „Seeds of Hope“ auf: ein Jugendzentrum, mehrere Kindergärten und als aktuelles Bauprojekt ein Gebetshaus hoch über der Oase Jericho zeugen von der Hoffnung, die Jesus Christus allen Menschen, die dort wohnen, geben möchte. Es ist beeindruckend zu sehen, wie förmlich in der geistlichen Wüste (es leben nur 400 Nominalchristen dort) neues Leben entsteht. Am Anfang riefen die Mullahs aus den Moscheen die Bevölkerung auf, diese christlichen Plätze zu meiden, aber nun hat Tass breite Akzeptanz gefunden. Mit eigenen Augen konnten wir uns davon überzeugen, wie gut die Kindertagesstätten (auch von Moslems) genutzt werden. Tatsächlich werden dort Samen der Hoffnung gesät und der Bibelkreis in Tass‘ Privathaus wird immer besser besucht.

Es gibt einen geistlichen Hunger in der Westbank und deshalb sollten wir nicht aufhören, unsere christlichen Brüder und Schwestern zum Bleiben zu ermutigen. Sind sie es doch, die das Evangelium unermüdlich verkündigen und wertvolle Arbeit in den Dörfern und Städten leisten und somit ein Bollwerk gegen den radikalen Islam bilden.

Ein anderes vorbildliches Beispiel sahen wir in Hebron. In dieser Stadt kann man die geistliche Auseinandersetzung förmlich mit Händen greifen. Mitten im Bazar, der die Lebensader der Stadt war, ziehen sich Mauern und Stacheldrähte, errichtet von der israelischen Armee. Auf den Dächern des historischen Stadtzentrums haben sich jüdische Siedler niedergelassen – ein permanenter militanter Konflikt. Es gibt lediglich ein einziges christliches Zeugnis in dieser Stadt: die christliche Schule, die ganz bewusst ein Gegengewicht zur angespannten gewaltbereiten Situation in Hebron bildet. Im Gespräch mit dem Direktor erfuhren wir, wie beliebt die Schule auch bei muslimischen Eltern ist, obwohl sie darüber Bescheid wissen, dass ihren Kindern dort ganz klar die christliche Botschaft vermittelt wird. Ein wunderbares Zeugnis von Nächstenliebe und der Achtung aller Menschen fanden wir vor, als wir die Taubstummenklasse besuchen durften: die Schüler/innen hingen an den Lippen der Lehrerin und wir spürten dieses tiefe Vertrauen, das die Kinder zu den Lehrkräften entwickelt haben. Gilt doch in der muslimischen Kultur eine Behinderung als Schande und ein Behinderter als minderwertiger Mensch, der aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Deutlich konnten wir in allen von uns besuchten christlichen Schulen einen anderen Geist spüren: einen Geist von Liebe, Annahme und Wertschätzung jedes einzelnen Menschen.

Überall im Westjordanland fanden wir solche christlichen Inseln, wo besonders die Kinder und Jugendlichen in christlichen Werten und im Evangelium unterwiesen werden; anstatt Unversöhnlichkeit, Hass und Gewalt weiterzuverbreiten, erleben sie einen anderen Lebensstil, den Christus selbst uns gelehrt hat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“

So tun die Christen, was in ihrer Macht steht, um für ihre muslimischen Nachbarn ein Licht zu sein und gute Beziehungen zu ihnen zu pflegen. Durch den liebevollen Dienst von Christen oder aber auch durch Träume kommen sie zum Glauben an Jesus Christus. Diese Entscheidung hat meist schwer wiegende Konsequenzen: Unter Moslems empfindet man den Abfall vom Islam als Schande und ein Religionswechsel wird mit dem Tod bestraft. Häufig werden deshalb Konvertiten von der eigenen Familie verfolgt und enterbt. Sie stehen dann mittellos da und benötigen Unterstützung. Deshalb hilft die internationale christliche Gemeinde mit, dass Muslime, die zu Jesus finden, das Land verlassen können, um der andauernden Lebensgefahr zu entkommen. Leider wird das Wachstum der Gemeinde in Palästina dadurch sehr erschwert.

Wir vom Philippus Dienst möchten uns um Israels Willen in diese bedrohte Kirche investieren. Die diesjährigen Sommercamps für Kinder konnten wir bereits finanziell unterstützen: ein einmaliger Besuch in einem Schwimmbad, ein Sandwich und ein Getränk für jedes Kind – normalerweise ein unerschwinglicher Luxus für die Bevölkerung Palästinas. Mit großer Hingabe engagieren sich christliche Lehrkräfte und Freiwillige auch in den langen, heißen Sommerferien in diese Kinder, um sie sehr persönlich die Liebe Christi spüren zu lassen.

Wir bitten die deutschsprachige Gemeinde, mit uns Verantwortung zu übernehmen und damit letztlich auch Israel zu segnen. Indem wir die arabische christliche Kirche stärken, stärken wir auch all jene Kräfte, die für den Frieden und das Existenzrecht Israels eintreten.

 „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue bringt er das Recht hinaus.“ (Jesaja 42,3)

 Wir glauben, dass Gottes Arm nicht zu kurz ist, um die harten Herzen weich zu machen und dass in seiner Liebe etwas Neues wachsen kann. Wir haben auf unserer einwöchigen Reise quer durch das Westjordanland zahlreiche Menschen getroffen, die bereit sind, ihr Leben für Jesus zu lassen. Wir wollen die nicht im Stich lassen, die sich ganz und gar für den Bau des Reiches Gottes engagieren und der teilweise großen Not und Armut unter den Palästinensern entgegenwirken.

Susanne Wustl aus Freilassing leitet gemeinsam mit ihrem Ehemann Bernd den Philippus Dienst, der die messianisch-jüdischen und arabisch-christlichen Gemeinden in Israel unterstützen möchte. Susanne Wustl schreibt regelmäßig in verschiedenen christlichen Publikationen zum Thema Israel.  Näheres zu ihrem Engagement in Israel: www.philippus-dienst.de. [1]   Der Gebetsbrief des Philippus Dienstes wird per E-Mail versandt und kann über das Büro angefordert werden (office@philippus-dienst.de [2]).