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Wort des Rates der EKD zum Buß- und Bettag 1964

Wort des Rates der EKD zum Buß- und Bettag 1964 (18. November 1964) an die Gemeinden der westlichen Gliedkirchen der EKD

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland wendet sich zum Buß- und Bettag mit folgendem Wort an die Gemeinden der westlichen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland:

Die Zeichen moralischer Entartung in unserem öffentlichen und privaten Leben mehren sich in erschreckender Weise. Es erscheinen Aufsätze und Bilder in Illustrierten, auch Bücher, die – zuweilen unter dem Deckmantel der Sozialkritik oder angeblicher moralischer Entrüstung – Vorgänge des geschlechtlichen Lebens, ja abartige menschliche Triebe unter Verletzung der Scham behandeln. Filme zerren Intimstes an die Öffentlichkeit oder überbieten einander in der Darstellung von Grausamkeiten. Alkohol und Sexualismus verwüsten ungezählte Ehen. Die Zahl der Abtreibungen ist erschütternd groß. Oft genug verwandelt brutale Rücksichtslosigkeit unsere Straßen – insbesondere an den Sonntagen – in Stätten des Grauens.

Viele machen mit; die Öffentlichkeit schweigt weithin. Einem staatlichen Eingreifen sind Grenzen gesetzt. Die Selbstkontrolle der Verantwortlichen aber droht zu versagen, weil feste und gemeinsame Maßstäbe fehlen.

Uns Christen, unsere Gemeinden und Kirchen beschämen diese Tatsachen tief, weil sie Zeichen der Wirkungslosigkeit unserer Verkündigung und Erziehung sind und unsere Passivität auf vielen Gebieten unseres öffentlichen Lebens enthüllen. Wir sind in der Gefahr, unter die Diktatur der Unanständigkeit zu geraten.

Der Buß- und Bettag ruft uns auf, auch auf diesen Gebieten wachsam zu werden und ein Neues zu pflügen.

Wir sind gewarnt. Uns ist gesagt: „Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten“.

Wir sind besonders gefordert. Uns gilt das Wort unseres Herrn: „Ihr seid das Salz der Erde“.

Wir haben die Pflicht, nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Umgebung, vor allem unsere Kinder, unser Dorf und unsere Stadt, unser Land und Volk vor Fäulnis zu bewahren, den Mißbrauch der Freiheit, die Verwirrung der Gewissen, die Entehrung der Frau, die Verletzung der Menschenwürde furchtlos beim Namen zu nennen und zum Widerstand gegen die Verwüstung der Seelen aufzurufen.

Wir sind durch Gottes Gnade besonders verpflichtet. Über uns steht die Verheißung und der Auftrag des Herrn: „Ihr seid das Licht der Welt“. Wir wissen aus Gottes Wort, wozu der Mensch auf der Welt ist. In Gottes Geboten haben wir Maßstäbe, die auch heute für jedermann gelten. Wir sind dazu berufen, unseren Wohlstand zu meistern, dabei die großen Nöte in unserer Nähe und in der Ferne nicht zu vergessen, die guten Gaben Gottes maßvoll und dankbar zu genießen, das Massenangebot an Unterhaltung mit sorgfältiger Auswahl zu gebrauchen, auch alle gute Produktion in Presse und Film, Rundfunk und Fernsehen zu fördern, unserer Jugend neue, gesunde Leitbilder von Ehe und Familie, von Leben und Zukunft zu geben.

Unser Herr Jesus Christus spricht: „So soll euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“.

Berlin, den 16. Oktober 1964

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland

D. Scharf