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Funktioniert die EKBO wirklich wie das DDR-System?

Offener Brief von Pfarrerin Astrid Eichler an die Mitglieder der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO)

Sehr geehrte Damen und Herren in der Kirchenleitung,

das hätte ich nicht für möglich gehalten, aber es ist offensichtlich wirklich so. Zu sehr ähneln sich die Erfahrungen, die ich und viele andere in der DDR machten, mit dem, was ich in den vergangenen zwei Jahren in meiner Landeskirche erlebt habe. Immer noch hatte ich die Hoffnung, dass Gespräch möglich wird. Jetzt bleibt nur diese Möglichkeit  der Kommunikation.

„Ich mache mir Sorgen um unsere Kirche“. Dieser Satz wurde mir zum Verhängnis. „Sie sagen, wir sind blöd“ wurde mir von einer Oberkonsistorialrätin entgegen geschleudert. Solches hatte ich bis zu diesem Moment nicht gedacht.

„Ich mache mir Sorgen um die DDR“ – das war einer der Sätze, durch den man zum Staatsfeind werden konnte. Denn die Sorge um die DDR oblag einzig den Genossen. Kann es wirklich sein, dass es mir nicht erlaubt ist, mir Sorgen um meine Kirche zu machen? Ich mache mir große Sorgen, fast zwei Jahre nach diesem Gespräch noch viel mehr.

Im Februar 2012 erhielt ich einen Brief aus dem Konsistorium, in dem mir mitgeteilt wurde: „… es besteht zwischen den hauptamtlichen und beauftragten Seelsorgern und Ihnen …eine …. grundlegende theologische Differenz…“

Die Rückfrage bei meinen ehemaligen Kollegen, worin diese Differenz bestehe und wie wir damit umgehen könnten, blieb ohne Antwort.

Noch dachte ich, in einer pluralistischen Kirche könnten theologische Differenzen im Gespräch bewegt werden und hätten auch verschiedene theologische Überzeugungen Platz. Die Bitte um ein Gespräch, die ich dann an die Absenderin des Briefes richtete, wurde abgelehnt. Leider scheiterte auch ein Versuch, mit dem Bischof darüber zu sprechen. Mehrmals und an verschiedenen Stellen signalisierte ich, dass ich dringend darauf warte, dass jemand mit mir über diese „tiefgreifende theologische Differenz“ spricht.

Sollte es wirklich so sein, dass alles, was in unserer Kirche geschieht „auf der Linie der EKBO“ sein muss, wie ich es auch in einem Gespräch im Konsistorium bei anderem Anlass hörte? Eine „Linie der EKBO“ – und wer davon abweicht, wird ausgegrenzt, zum Feindbild gemacht und kann ja „die Entlassung beantragen“.

Als ich diese Formulierung in einem Brief aus dem Konsistorium las, wurde mir kalt, wusste ich doch, dass so etwas auch in der Behörde der DDR gesagt wurde: „Sie können die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR beantragen.“

In meinem momentanen Dienst, zu dem ich freigestellt bin, ohne Bezüge (also wirklich nicht auf Kosten der EKBO!), komme ich viel herum. Und wenn das Gespräch auf Landeskirche kommt, weit über die EKBO hinaus, macht sich eine hoffnungslose Stimmung breit: „Es hat keinen Zweck… Die sitzen alles aus… Ich warte auch schon seit Jahren auf ein Gespräch… Da bewegt sich nichts.“ Da gibt es sogar Hausverbote und da ist die Rede von einem „Index“ auf dem bestimmte Personen stehen. Erinnerungen an den Sommer 1989 in der DDR. Da hatte ich es auch gesagt: „Es hat keinen Zweck…Da bewegt sich nichts. Da können wir nichts machen.“ Wirklich nicht?

Ich kann und ich will es noch nicht glauben, dass wirklich nichts geht, dass unsere und andere Landeskirchen Systeme sind, die wie die DDR funktionieren, dass Menschen, die anders denken als es der „Linie“ entspricht, keinen Platz haben, ausgegrenzt werden und dann ihre Entlassung beantragen können.

Ich habe das inzwischen getan. Aber ich will nicht lautlos verschwinden, weil es der einfachere Weg wäre.

Vier Wochen nach dem Antrag auf Entlassung erhielt ich ein förmliches Schreiben und die Entlassungsurkunde. Es wird mir mitgeteilt: „Nach der Entlassung besteht kein Anspruch auf Besoldung, Versorgung und sonstige Leistungen… Mit der Entlassung aus dem Dienst verlieren Sie gemäß § 100 i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.6 PfDG.EKD Auftrag und Recht zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung… Die Ordinationsurkunde ist zurückzugeben…“.

So soll ich mich auch nicht mehr ehrenamtlich als Ordinierte engagieren. Als solcher wurde mir seinerzeit das ehrenamtliche Engagement im Gefängnis untersagt. Das ist ein anderes Thema – gehört aber hinein in den kommunikationsfreien Raum, als den ich meine Landeskirche erlebe.

Allerdings, den Auftrag und das Recht, das Wort Gottes öffentlich zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten – dieser Auftrag steht nicht in der Macht meiner Landeskirche und diesen Auftrag werde ich auch weiterhin ausführen.

Ich mache mir Sorgen um unsere Kirche!

Es gibt so viele unbesetzte Stellen. Es fehlt an Geld, an Mitarbeitenden und an Menschen, die sich mit Überzeugung engagieren.

Es werden Überzeugungen absolut gesetzt und Kommunikation verweigert. Es werden ideologische Ziele verkündet und nachträglich theologische Begründungen dafür gesucht.

Daran ist die DDR zugrunde gegangen, dass sie nur auf ihre Linie bedacht war und anderen keinen Platz gab, dass sie da, wo anders gedacht und gesprochen wurde, sofort Feinde sah. Sie hat sich selbst nie hinterfragt.

Können sich die Landeskirchen das wirklich leisten, engagierte Gemeindeglieder, Ehrenamtliche und Hauptamtliche zu verdrängen und auszugrenzen?

Wie ernst ist das Bekenntnis zum Pluralismus in unserer Kirche wirklich? Offensichtlich ist das ein sehr begrenzter, theoretischer Pluralismus. Ich und viele andere erleben eine Engführung, die Sorge macht.

Ich bin ab 1. Jan. 2014 nicht mehr Pfarrerin der EKBO. Ich werde weiterhin im Dienst des Reiches Gottes stehen. Ich habe nicht vor, meine Landeskirche zu verlassen. Denn auch in der DDR gab es Dissidenten, die das Angebot der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft nicht angenommen haben. Und irgendwann gibt es genug Dissidenten, die das Volk erreichen und das Volk steht auf. Irgendwann wird es den Ruf in unseren Landeskirchen geben: „Wir sind das Volk.“ Und das Volk Gottes ist bunter und vielfältiger, kreativer und lebendiger, stärker und vollmächtiger als das „System Kirche“, wie es sich momentan vielfach darstellt.

So grüße ich Sie in froher Erwartung dessen, was unser GOTT tun wird – in Seiner Kirche.

Astrid Eichler, Pfarrerin (offener-brief@freenet.de)

Quelle: www.medrum.de [1]