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Verkündigung ohne Vollmacht

Kann man dem modernen Menschen noch eine ungekürzte biblische Verkündigung zumuten? Ist es nicht klüger, gewisse Dinge wegzulassen oder wenigstens zu entschärfen? Schließlich sollen die Leute ja für Jesus Christus und den Glauben gewonnen werden. Da darf man sie doch nicht mit irgendwelchen harten Aussagen vor den Kopf stoßen. Aber Moment mal! Wer sagt denn, dass man das nicht darf? Hat nicht Jesus selbst so hart geredet, dass die meisten seiner Jünger ihn verließen? (Joh. 6,60). Hart meint ja nicht unbedingt verletzend. Vielmehr ist es die Wahrheit der Bibel, die der sündige und unbußfertige Mensch als hart empfindet. Wahrheit kann eben auch weh tun. Und das wollen viele nicht.

Deshalb suchen sie sich Verkündiger, die ihnen das predigen, wonach „ihnen die Ohren jucken“ (2. Tim. 4,3f). Und solche Verkündiger gibt es heutzutage zuhauf. Dabei verkündigen diese Prediger nicht unbedingt grobe Irrlehren. Vielem, was sie sagen, kann man durchaus zustimmen. Aber bei genauerem Hinhören entdeckt man doch gewaltige Defizite. So macht man z. B. aus dem Hammer des Wortes Gottes, der Felsen zerschmeißt (Jer. 23,29) ein Plastikhämmerlein, von dem sich das Sünderherz überhaupt nicht beeindrucken lässt. Und dem zweischneidigen Schwert (Hbr. 4,12) wird sowohl die Spitze als auch die Schärfe genommen, so dass es keinem mehr weh tut. Was aber kommt bei einer derart aufgeweichten Verkündigung am Ende heraus? Wohl kaum konsequente Christusnachfolger. Vielmehr werden die Hörer zu einem wohltemperierten, weltangepassten Christentum verführt. Wenn klare Aussagen der Bibel verschwiegen werden, ist das im Grunde ein Verbrechen an den Seelen.

1             Defizitäre Verkündigung entehrt Gott und betrügt die Menschen.

Nehmen wir nur einmal eine moderne Evangelisationsveranstaltung. Schon das Vorprogramm kann da Fragen aufwerfen. Die Besucher, so heißt es, sollen sich wohlfühlen und ihren Spaß haben. Folglich muss man sie unterhalten. Und am besten gelingt das mit einer peppigen Show. Entsprechend angepasst ist dann natürlich auch die Verkündigung. Darum wird die Botschaft möglichst schmackhaft zubereitet und in kleinen, leicht verdaulichen Appetithäppchen serviert. Nur ja keine harten Brocken. Die könnten den Zuhörern nämlich unangenehm im Halse stecken bleiben und sie verärgern. Und das gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.

Wie aber gehen diese Prediger dann mit den tatsächlich harten Brocken in Gottes Wort um? Nun, mit ein bisschen Geschick lassen sich solche Klippen leicht umschiffen. So macht man z. B. aus dem heiligen, souveränen Gott kurzerhand einen Kuschelgott, einen lieben Papi, der es mit den Fehlern seiner Kinderlein nicht so genau nimmt. Und Jesus wird zum Wohltäter degradiert, der dafür zuständig ist, dass es uns auf möglichst allen Lebensebenen gut geht. Er wird sozusagen als Erfüllungshilfe unserer Bedürfnisse und Wünsche angepriesen. Wo aber bleibt da noch Raum für die Botschaft von Gottes Zorn und Gericht? Ohne Gerichtsbotschaft aber verkommt die teuer erworbene Gnade zwangsläufig zu einer billigen Gnade ohne Ruf zur Buße und Umkehr. Doch wo steht in der Bibel geschrieben, dass Gott auch den unbußfertigen Sünder begnadigt? Dem Unbußfertigen werden vielmehr ewige Höllenstrafen angedroht.

Nun wird es für solche Verkündiger allerdings schwierig. Wer auf der einen Seite einen nur liebenden und barmherzigen Gott verkündigt, der weder zürnt noch straft, kann auf der anderen Seite unmöglich von einer ewigen Verdammnis sprechen. Damit aber fehlt der Verkündigung ein ganz entscheidendes Stück. Und es stellt sich die Frage, was hinter einem solchen Predigtverhalten steckt. Ist es der Mangel an Erkenntnis der biblischen Wahrheiten? Dem könnte durch ein gründliches Schriftstudium abgeholfen werden. Oder ist es vielleicht sogar Kritik an der Bibel? Dann sollte man sich nicht Verkündiger des Wortes Gottes nennen. Aber es könnte auch etwas ganz anderes dahinter stecken. Z.B. das Bedürfnis des Predigers, bei den Leuten gut anzukommen. Das Haschen nach Zustimmung und Applaus? Wer macht sich schon gerne unbeliebt beim Publikum? Und gleich gar nicht will man als engstirnig oder gesetzlich gelten, als ob die Verkündigung der ganzen biblischen Wahrheit etwas mit Gesetzlichkeit zu tun hätte.

Doch wie dem auch sei, was immer sich hinter der defizitären Verkündigung verbergen mag, sie täuscht und betrügt die Zuhörer. Wer die unbequemen Aussagen der Bibel verschweigt, um sich Ärger zu ersparen, oder weil er gut dastehen will, hinterlässt ein Heer betrogener und verführter Seelen.

2.            Nur die ganze biblische Wahrheit ehrt Gott und dient den Menschen

Wer die Wahrheit der Bibel oder Teile davon unterschlägt, darf sich nicht Botschafter an Christi statt bzw. Prediger des Wortes Gottes nennen. Ein Botschafter hat das zu verkündigen, was sein Herr ihm aufträgt. Und was der Herr seinen Boten aufgetragen hat, das steht in der Bibel, dem unfehlbaren Gotteswort. Dieses Wort müssen die Botschafter Christi ohne Abstriche verkündigen, wenn sie nicht schuldig werden wollen. Der Apostel Paulus hat sich strikt an die Anweisungen seines Herrn gehalten (Apg. 20, 20.27). Ihm ging es nicht um den Beifall der Massen, sondern um die Ehre Gottes und um das Heil der Menschen. Deshalb scheute er um Jesu und des Wortes Gottes willen auch kein Leiden (vgl. 2. Kor. 6,3-10; 2. Kor 11, 23-28). Aber davon wollen die Wohlstandsprediger nichts wissen. Und ihre verführten Anhänger auch nicht. Vielmehr behaupten manche sogar, Gott wolle nicht, dass seine Kinder leiden, und wer doch leide als Christ, der glaube nicht richtig.

Die Bibel sagt etwas anderes. Das krasse Gegenteil. Christusnachfolge ist immer Kreuzes- und Leidensnachfolge. Wer sich Jesus unterwirft und den Weg des Glaubensgehorsams einschlägt, dem bleiben Kreuz und Leiden nicht erspart. Da beginnt zum einen ein innerer Kampf, weil das Fleisch beständig gegen den Geist streitet und umgekehrt (Gal. 5,17). Und der Welt sind die echten Jesusleute ein Dorn im Auge, den man mit allen Mitteln zu beseitigen sucht. Die Welt hasst Jesus, und sie hasst seine Leute (Matth. 10,22). Das muss jedem klar sein, der sich ganz auf die Seite Christi und des Wortes Gottes stellt und nicht nur halbe Sache macht.

Doch an der Stelle brechen die kritischen Fragen auf. Werden die Leute mit einer solchen Botschaft nicht abgeschreckt? Ist es klug, heilsuchende Menschen mit Kreuz und Leiden zu konfrontieren? Gewinnt man sie wirklich für Jesus, wenn man sie zu einer radikalen Umkehr, Selbst- und Weltverleugnung auffordert? Ist es hilfreich, die Sünde schonungslos beim Namen zu nennen und auf ein ewiges Gericht hinzuweisen? Ja, so oder ähnlich wird gefragt. Doch was verbirgt sich hinter diesen Fragen? Ist es nicht eine ziemlich scharfe Gottes- und Bibelkritik? Weiß Gott denn nicht besser, was die Menschen zu ihrem Heil brauchen als diese kritischen Frager in ihrer Kurzsichtigkeit?

Darum predige, wer sich bibeltreu nennt, den ganzen Heilsratschluss Gottes und nicht nur das Liebliche und Angenehme. Denn nicht das, was die Leute gerne hören wollen, rettet sie, sondern das, was sie hören müssen. Und das sagt ihnen die Bibel. So muss ihnen z. B. der Spiegel des Gesetzes vorgehalten werden, damit sie sich in ihrer Sünde und Verlorenheit erkennen (Röm. 3,20). Und das Evangelium darf nicht verniedlicht werden. Was auf dem Hügel Golgatha geschah, darf nicht zu einem Wohlfühlevangelium verkommen. Dort ging es nicht um die Lösung unserer Problemchen, sondern um die Erlösung aus dem Rachen der Sünde, des Todes und der Hölle. Am Kreuz sehen wir wie nirgends sonst Gottes heiligen Zorn über die Sünde. Das Kreuz zeigt uns mit letzter Klarheit, dass mit der Sünde nicht zu spaßen ist. Die Sünde ist und bleibt unser Verderben (Spr. 14,34). Deshalb findet unter dem Kreuz auch nur Frieden, wer mit aller Sünde entschieden bricht und sich dem gekreuzigten und auferstandenen Christus völlig unterwirft.

Kreuz und Auferstehung weisen weit über ein paar Jahre Wohlergehen auf dieser Erde hinaus. Kreuz und Auferstehung sagen uns, dass Gott vor allem unser ewiges Heil im Blick hat. Diesem Ziel muss letztendlich alles dienen, was der himmlische Vater in seiner Liebe und Weisheit in unser Leben hinein verordnet. Eben auch die eine und andere nicht so leicht zu verdauende Aussage in seinem Wort. Doch wohl uns, wenn wir uns vor diesem Wort beugen und uns auf alles einlassen, was darin geschrieben steht. Und wohl uns, wenn wir uns nicht von Verkündigen verführen lassen, die glauben, besser als Gott zu wissen, was man dem modernen Menschen noch zumuten kann und was nicht mehr. Darum darf ernsthaft bezweifelt werden, ob auf einer bewusst defizitären Verkündigung sein Segen ruht. Vollmächtig jedenfalls kann sie nicht sein.

Pfarrer i. R. Hans-Otto Graser