Gemeindenetzwerk

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„Suchet der Stadt Bestes!“

Montag 28. Oktober 2013 von Pastor Uwe Holmer (1929-2023)


Pastor Uwe Holmer (1929-2023)

Der Beitrag der Christen für eine Kultur der Vergebung

Ich bin gerne hierher gekommen. Ich freue mich über die Arbeit des Gemeindehilfsbundes sehr. Wir haben inzwischen weite Kreise in unseren Kirchen, die gar nicht mehr wirklich an das Zentrum des Evangeliums glauben. Es ist das Zentrum, dass Gott seinen Sohn gesandt hat zur Sühne für unsere Sünden. Da gibt es Leute, die sagen, das können sie so nicht glauben, dabei sind sie Prediger auf den Kanzeln. Da freue ich mich, dass der Gemeindehilfsbund dafür eintritt, dass die ganze heilige Schrift Gottes Wort ist. Es geht nicht, dass wir uns daraus suchen, was Gottes Wort ist, sondern die ganze Heilige Schrift ist Gottes Wort. Und da fühlt man sich wohl. Ich freue mich über dieses Anliegen und unterstütze das gern.

1. Suchet der Stadt Bestes!

Das Thema „Suchet der Stadt Bestes“ ist ein Zitat aus dem Propheten Jeremia an die aus Jerusalem nach Babylon deportierten Juden. Diese Menschen hatten dort in Jerusalem Schrecklichstes erlebt. Desgleichen auf dem Deportationsweg nach Babel hin. Sie haben bei der Einnahme von Jerusalem gesehen, wie ihre nächsten Angehörigen vor ihren Augen erstochen wurden. Sie haben gesehen, wie ihre Freunde auf dem langen Marsch von Jerusalem nach Babel, das sind rund 1.000 km, entkräftet liegen geblieben sind und einen Todesstoß bekamen und dort blieben zum Fraß für die Schakale. Heute würde man sagen, das waren furchtbar traumatisierte Menschen in Babel.

Nun mussten sie sich dort einrichten. Vielleicht ist der Brief auch geschrieben worden, als sie sich dort schon ein bisschen besser zurechtgefunden hatten. Aber sie hatten immer die Hoffnung, zurück zu kommen nach Jerusalem. Sie fragten sich immer, wann geht es los. Jeremia musste ihnen sagen, das dauert noch insgesamt 70 Jahre. Jeremia schreibt an die Juden dort in Babel: „Suchet der Stadt Bestes … und betet für sie zum Herrn, denn wenn es ihr wohl geht, dann wird es auch euch wohl gehen“ (Jer 29,7).

Kann man das eigentlich? Wenn man das alles so erlebt hat, kann man dann der Stadt Bestes suchen? Kann man auch für die, die einen so unterdrückt haben, das Beste suchen? Jeremias Antwort lautet, Gott will das so. Das ist erst einmal der erste Punkt: Gott will das. Gott weiß, warum er das will. Er sagt: „Ich weiß, was ich für Gedanken über euch habe – Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jer 29,11).

Die Juden in Babel standen in der Gefahr, immer wieder zurück zu schauen. Sie wollten nach Jerusalem zurück. Alles, was sie erlebt hatten, blockierte ihre Herzen. Aber Gott will sie bereit machen für Zukunft und Hoffnung: „Schaut nicht mehr zurück, sondern schaut nach vorne! Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn, denn wenn es ihr wohl geht, dann geht es euch wohl.“ Er zeigt damit, es ist besser, wenn ihr Frieden sucht. Das ist die beste Möglichkeit, um den Feind zu überwinden. Ihr überwindet die Feindschaft in euch selbst und auch die Feindschaft beim Gegner. So lebt es sich besser. Gutes gedeiht nur im Frieden und in der Versöhnung.

Wer seine Feinde hasst, verdunkelt sein Herz und schadet sich selbst. Er hat schlaflose Nächte und Bitterkeit im Herzen. Wer Hass und Groll im Herzen behält, der macht sich selbst kaputt und kann auch daran sterben. Wer aber vergibt, der bekommt ein freies Herz und eine freie Seele. Nur wer vergibt wird frei für die Gegenwart und für die Zukunft. So sollen die Juden, die jetzt der Stadt Bestes suchen, für die Stadt beten. Nun sollen sie auch ein gesundes Familien- und Volksleben aufbauen, sich und den Kindern Frauen nehmen, Kinder zeugen, und ein gesundes Volk werden. Sie sollen sich in Babel auf den Herrn besinnen und auf eine gesunde Lebensweise. Und wenn das schwer wird, der Stadt Bestes zu suchen, denen, die einem so viel Böses getan haben – kann man das überhaupt? Dann schaltet Gott ein. Betet für die Stadt. Gebt alles ab bei Gott. So wird es ihnen und euch besser gehen.

2. Eine Kultur der Vergebung

Gibt es einen Beitrag der Christen für eine Kultur der Vergebung? Es gibt Hassprediger, die mit ihren Predigten viele junge Menschen zu Hass und Terror erziehen und prägen, dann kann ich nur sagen, das darf bei uns nicht passieren. Das möge Gott verhindern, dass unter uns Hassprediger Raum gewinnen. Wenn es Hassprediger gibt, die andere zum Hass erziehen, dann kann es ja auch Prediger geben, die zur Liebe und zur Versöhnung rufen. Das ist es, was wir wollen, was wir dürfen und was wir tun.

Es ist gerade mal 150 Jahre her, dass in den USA die Nord- und die Südstaaten einen heftigen Bürgerkrieg zur Befreiung der Sklaven begonnen haben. Dieser Krieg forderte viele Tote. Es geschahen auch etliche Gräueltaten auf beiden Seiten. Die Nordstaaten hatten gesiegt. Was wird mit all dem, was an Gräueltaten geschehen ist? Was wird, wenn der Hass weitergeht? Was wird, wenn die Südstaaten keine Ruhe geben, weil sie von den Nordstaaten besiegt wurden? Die Sieger haben eine allgemeine Amnestie ausgerufen. Sie sagten, wir wollen und müssen einander vergeben. Nur dadurch sind diese beiden Teile der USA wieder zu einer wirklichen Nation zusammengewachsen. Das war zwar schwierig, aber ohne die Amnestie wäre es wahrscheinlich überhaupt nicht gelungen.

Dann denke ich auch an unser entspanntes Verhältnis zu Polen und Frankreich. Ich bin noch Hitlerjunge gewesen, das musste ich ja damals. In meiner Jugend waren die Franzosen der Erbfeind Deutschlands. Das war eine sehr lange Feindschaft. Aber heute kann man einfach so über die grüne Grenze fahren. Man merkt gar nicht, ob das nun Deutschland oder Frankreich ist. Ich war nie in Frankreich, aber ich bin desto öfter nach Polen gefahren. Dort ist es genauso. Die Polaken, die Russen… Je mehr davon umkommen, umso besser, haben wir in der Hitlerjugend gelernt. Heute haben wir ein friedliches Verhältnis und schätzen gerade die christlichen Polen. Wir haben Polen wieder lieb gewonnen.

Also gibt es das, eine Kultur der Versöhnung, eine Kultur des Vergebens? Ich kann nur dankbar sein, dass es das wirklich gibt. Ich hoffe und denke, dass jeder von uns sich daran beteiligt, dass das Vergeben zu einer Kultur wird. Wir wissen, dass es auch bei uns nicht selbstverständlich ist, zu vergeben. Denken wir an die Neonazi-Szene, an die roten Zellen damals, wo wirklich auch Hass gelehrt und praktiziert wird.

Ich habe vor kurzem das Buch gelesen „Wie das Christentum die Welt veränderte“. Da wird berichtet vom alten Rom. Das alte Rom, die Spätzeit des römischen Reiches, war geprägt von Reichtum über Reichtum. Sie hatten den ganzen Mittelmeerraum erobert und aus allen Ländern bekamen sie Steuern und Gelder, die nach Rom flossen. Die Römer haben sich daran gewöhnt, dass sie gar nicht zu arbeiten brauchten. Dann forderten sie vom Kaiser „Brot und Spiele“. Und der Kaiser hat ihnen Brot gegeben. Sie hatten Wohlstand, beinahe so gut wie in Deutschland. Und sie haben Spiele gehabt. Spiele hieß, wir wollen sehen, wie im Kolosseum dort, in den großen Arenen, Menschen gegeneinander kämpfen. Schwertkämpfe. Wenn ein Kämpfer mit dem Schwert den anderen niedergestochen hat und der todwund am Boden lag, dann jubelte die Menge dem Sieger zu, wie es heute die Menschen tun, wenn ein Tor gefallen ist. So entmenschlicht war das, dass man sich freuen konnte über den, der den anderen todgestochen hat und überhaupt nicht an den denkt, der da unten am Boden liegt.

Ein Leben galt nicht viel damals in Rom. Ein Vater konnte entscheiden, ob das Kind, das seine Frau gebar, am Leben blieb oder nicht. Wenn nicht, dann wurde es beseitigt, wie heute auch. Das ist ein Zeichen von Dekadenz, vom Zerfallen einer Gesellschaft. Spaß war angesagt. Es war eine reine Spaßgesellschaft. Wie hat man Spaß? Mit Sex! Mit völlig zuchtlosem Sex, wie es einem gefiel, sogar mit Tieren, öffentlich. Und es gab nur wenig gesunde Familien, nur wenig gesunde Ehen.

Dann kamen die Germanen und haben das römische Reich beendet. Aber kurz davor kam eine neue Bewegung in das römische Reich, und das war das Christentum. Es war unter den Nöten und Verfolgungen stark geworden und hat sich stark ausgebreitet. So hat das Christentum Rom innerlich durchzogen. Dann besiegten die Germanen das römische Reich. Und dann sind die Germanen Christen geworden durch die Christen, die dort lebten.

Das ist immer der beste Weg der Mission, wenn die Gemeinde missioniert, wenn die Gemeinde ein christliches Vorbild gesunden Familienlebens ist. Das ist es, was dort geschehen ist. Dadurch wurde dann langsam Europa zu einem Kontinent mit einer christlichen Kultur. Wenn das auch alles ziemlich äußerlich war – es ist doch eine christliche Kultur entstanden, die immer noch besser war als in anderen Teilen dieser Welt.

Gibt es eine christliche Kultur? Wir wissen, vieles blieb äußerlich. Und doch sind wir von daher vom Christentum geprägt. Wo Vergebung der Sünden praktiziert wird, da kann Liebe sich entfalten und Frieden werden im Land.


3. Der Beitrag der Christen zu einer Kultur der Vergebung

Was ist Vergebung? Es ist die zentrale Botschaft unserer christlichen Lehre, dass Gott in Christus zu uns gekommen ist und unsere Sünde getragen hat. Er zündet unter uns eine Kultur der Vergebung, ein Praktizieren der Vergebung an.

Ich denke an die Zeit, als ich noch kleine Kinder hatte. Zwei unserer Kinder spielten zusammen in der Sandkiste. Sie stritten sich um eine Schaufel. Der Größere ist natürlich stärker und erbeutete die Schaufel. Die Kleine wollte ihn hauen, da haute er ab aus der Sandkiste. Sie rannte hinter ihm her, aber er war natürlich viel zu schnell für sie. Nach 15 Metern blieb sie stehen und rief ihm hinterher: „Das werde ich mir merken, Markus Holmer!“ Stellen Sie sich vor, so eine Dreieinhalbjährige…

Ich dachte mir, genau das passiert bei uns. Die beiden haben wieder ganz friedlich miteinander am Abendbrottisch gesessen. Bei Kindern ist das glücklicherweise noch möglich, dass das schnell vergessen ist. Aber was passierte da? „Das werde ich mir merken!“ – das heißt, das nehme ich in mein Inneres hinein. Das halte ich in meiner Seele und in meinem Gedächtnis fest.

Das ist das Problem: Wenn wir Unrecht erleiden, sagen wir es vielleicht nicht, aber tun es doch, dass wir es uns merken. Dann füllt sich unsere Seele langsam mit dunklen Dingen. Wenn das immer wieder passiert, dann prägt es mich in meinem Verhältnis zu dem Nächsten. Besonders, wenn es über einen langen Zeitraum passiert. Es prägt mich, es verdunkelt mein Verhältnis zu dem anderen und es verdunkelt meine eigene Seele.

Das passiert, wenn ich mir merke, was der andere mir angetan hat, um ihm das bei passender Gelegenheit unter die Nase zu reiben. So entstehen Mauern zwischen Menschen. So stirbt die Liebe in Ehen und in Familien. So zerbrechen Freundschaften. Stück für Stück immer ein Stück dunkler, immer ein Stück fester.

„Das werde ich mir merken“, – damit sammelt sich eine Menge von Unrat und Gift in unseren Herzen an. Daran können wir seelisch krank werden, körperlich krank werden und geistig krank werden. Das muss heraus aus unseren Herzen. Vergebung heißt, das muss heraus aus unseren Herzen und aus unserer Seele.

Das Heilmittel ist die Vergebung. Vergeben heißt, ich gebe es weg. Ich gebe das Gift und den Schrott ab aus meinem Herzen. Vergeben heißt frei werden. Dann kann neuer, guter Inhalt in mein Herz kommen. Dann kann Liebe sich entfalten, Verantwortung und Treue. Dann wird mein Denken, Fühlen und Wollen neu. Vergebung heißt frei werden zu einem lebendigen Glauben – zur Liebe und zu einem guten Miteinander mit unsrem Nächsten. Vergebung fängt bei mir an, nicht beim Anderen. Ich vergebe dem anderen nicht erst dann, wenn der sich so verhält, dass ich ihm vergeben mag, sondern Vergebung fängt bei mir an. Ich gebe das weg, was ich gegen den anderen habe.

3.1 Meine Last mit Honecker

Als die Honeckers bei uns waren, wurde ich öfter gefragt: „Wie konnten Sie dem Mann so schnell vergeben?“ Es war gar nicht so schnell, aber ich konnte es relativ leicht. Innerlich war in mir der Wunsch da, dass wir uns nach der Wende nicht gegenseitig zerfleischen. Wenn wir ihnen den gleichen Ärger bereiten, den sie uns bereitet haben, würde es nie zum richtigen Frieden kommen. Christen wünschen Frieden, denn nur im Frieden geschieht Gutes. Also hab ich ihm vergeben. Allerdings hab ich den Fragenden die Antwort gegeben: „Wer täglich und immer wieder neu von Vergebung lebt, der kann auch vergeben.“

Aber es war bei mir auch ein wunder Punkt vorhanden. Alle unsere Kinder kamen nicht auf die Oberschule. Auch nach hartem Kampf kam ich nicht durch damit, obgleich es völlig ungerecht war. Öffentlich, also nach außen hin, hat die DDR erklärt, wir werden kein Kind diskriminieren wegen seiner Rasse, Religion, politischen Einstellung. Innerlich war es dann doch ganz anders bei uns, und keines unserer Kinder durfte auf die Oberschule. Dabei hatten zwei unserer Mädchen nur Einsen. Die anderen hatten ihre Zensuren zwischen 1 und 2. Aber keines der Kinder durfte studieren.

Als ich mit allem durch war und nichts erreicht hatte, meine Eingaben wurden alle abgewiesen, da haben sie mir gesagt, nicht der Staat oder die Partei benachteiligt deine Kinder, sondern du. Denn du hast deine Kinder so gelehrt, dass sie nicht sozialistisch sind. Da gab man mir die Schuld.

Ich hatte alle meine Briefe in Kopie an den Bischof und den Generalsuperintendenten geschrieben, und da fragte ich: „Soll ich jetzt den letzten Schritt wagen, den ich angedroht hatte, dass ich an die Menschenrechtskommission der UN schreibe?“ Der Generalsuperintendent schrieb mir, ich hätte so weit gekämpft, ich solle nun auch den letzten Schritt noch kämpfen. Aber der Bischof schrieb: „Sie leiten eine Bibelschule. Der Staat hätte sicher gerne einen Vorwand, Ihre Bibelschule zu schließen. Ich rate Ihnen, tun Sie es nicht, denn an dem Punkt ist der Staat hochempfindlich.“

Da merkte ich, das will ich nicht, dass Gottes Sache dadurch verhindert werden könnte. Wir unterrichteten doch so viele junge Leute an dieser Bibelschule. Ich will nicht meine privaten Dinge über die Bibelschule stellen, auch wenn dieses auch die Konfirmanden betraf. Ich habe aufgegeben. Und dann bin ich niedergekniet und habe gesagt: „Herr, als meine Eltern in den Westen gingen, bin ich bewusst hier geblieben, weil ich hier gebraucht werde. Da wussten wir, dass so etwas auf uns zukommen kann. Und nun kommt es auf uns zu. Nun will ich es tragen um deinetwillen und um des Dienstes Willen.“ Ich habe es wirklich abgegeben bei Gott: „Ich will es in der Sache tragen, aber den Ärger und die Wut gebe ich an dich!“ Ich habe danach wirklich ein ruhiges Herz gehabt. Das war ungefähr 15 Jahre bevor Honeckers zu uns kamen. Ich bin froh, dass ich nicht 15 Jahre die Wut im Herzen behalten habe! Ich habe sie abgegeben und konnte deshalb auch relativ leicht und schnell vergeben.

3.2 Jesus will, dass wir vergeben

Jesus will das von uns, dass wir vergeben. Er hat uns das so eindrücklich deutlich gemacht in dem Gleichnis vom Schalksknecht. Was mir dabei ganz besonders wichtig und wertvoll ist – Jesus sagt, Gott ist wie ein reicher Mann, der dir 10 Millionen € Schulden erlässt – 10.000 Zentner. Das ist für jeden von uns eine unbezahlbare Summe. Das war auch für den Mann eine unbezahlbare Summe. Er konnte sie nicht bezahlen. Da hieß der Herr ihn und alles was er hatte, seine Frau und seine Kinder verkaufen und einsperren, bis er das bezahlt hatte. Da fiel der Knecht auf seine Knie und bat: „Herr, hab doch Erbarmen und Geduld mit mir. Ich will es ja alles bezahlen, ich kann es nur nicht.“ Es heißt dort, da erbarmte sich der Herr und er vergab ihm seine Schuld und ließ ihn frei.

Das ist es, was Gott an mir getan hat. Ich könnte nie für meine Sünde bezahlen. Adam wurde allein wegen einer Übertretung aus dem Paradies geworfen. Ich wäre schon glücklich, wenn ich bloß eine Übertretung gemacht hätte. Wir sind doch alle Sünder. Es geht uns allen nicht besser. Wir sind eher noch schlechter. Aber das hier heißt, Gott hat mir vergeben und nimmt mich wieder an als sein Kind. Er hat mir die himmlische Herrlichkeit geschenkt. Wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit. Seligkeit heißt auch Herrlichkeit. Ich darf wieder bei Gott sein.

Dann kommt der andere. Der ist vielleicht 500 € schuldig. Und dem erließ der Mann die Schulden nicht.

3.3 Was die Vergebung uns bringt

Wenn wir wirklich die Vergebung Gottes empfangen haben, dann ist eine Freude in unsrem Herzen. Ich bin gesprungen damals, als ich von dem Seelsorger nach Hause lief, meine Sünden bekannt und mein Leben in die Hand Jesu gelegt habe. „Jesus, ich will dir gehören. Ich will dir dienen. Ich will dein sein.“ – Da bin ich gesprungen vor Freude! Wenn die Leute mich gesehen hätten, die hätten gesagt, der ist verrückt geworden. Aber es war ja abends um 23 Uhr.

Ich wusste, ich hab jetzt Frieden mit Gott. Und wenn ich sterbe, habe ich ein Zuhause bei Gott im Himmel. Das weiß ich jetzt. Ich war vorher so ungewiss, so unsicher. Ich bin fromm erzogen worden, aber wird das einmal zählen? Reicht das bei Gott? Jetzt wusste ich, alles ist beglichen. Er hat mir alles vergeben. Ich bin ein Kind Gottes. Diese Freude ist geblieben, selbst als meine erste Frau starb. Diese Freude wird ja dann überhaupt erst richtig aktuell, wenn der andere in die Ewigkeit geht und wir wissen, er ist im Frieden bei dem Herrn.

Das ist die Hauptsache. Damit fängt es an. Vergebung heißt, ich lebe von dem, was Gott mir geschenkt hat. Und dann kann ich auch vergeben. Wenn einer mir 10 Millionen € schenkt, dann kann ich auch dem vergeben, der mir 500 € schuldet. Alles, was wir erleben, auch das Schwere, ist in etwa das, was hier im Gleichnis steht. Wenn Jesus das will, dann will ich es auch tun, dann will ich auch vergeben.

Es ist mir ein großer Schmerz, dass wir in unserer Christenheit und der Kirche sehr wenig über Sünde und Vergebung hören. Wir hören alles Mögliche. Ich habe Weihnachtsansprachen von Bischöfen gehört, da ging es nur um Frieden auf Erden. Kaum mal ging es um Frieden mit Gott. Aber wo nicht wirklich Sünde Sünde ist, da ist Vergebung überflüssig. Da wird sie auch nicht gepredigt. Da kommen dann statt dessen gute Ratschläge über Ernährung und über das Wetter – alles, aber nicht das, was wirklich biblisch und von Gott her wertvoll und recht ist.

Jesus nimmt das ernst: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend“ (1 Joh 1,9). Das ist die Voraussetzung für mein Vergeben, dass mir von Gott vergeben worden ist. Wenn das so ist, dann will aber auch Jesus, dass wir vergeben und dass wir gehorsam sind.

Vielleicht liegt uns das nicht. Es liegt uns allen nicht, zu vergeben, aber ich möchte gerne Vergebung. Doch weil er, dieser Herr, es mir vorgemacht hat und es von mir will, will ich es auch. Ich finde es so eindrücklich von Jesus, der doch sonst so liebevoll spricht, dass er hier liebevoll hart spricht. Wenn ihr nicht vergebt, dann wird euch der himmlische Vater auch nicht vergeben! Das ist knallhart. Und wenn einer sagt, ich kann nicht vergeben, ich will nicht vergeben, dann sagt Jesus, dann vergibt Gott dir auch nicht.

So hat uns das damals in Lobetal überwunden, als wir die Frage gestellt bekamen, ob Erich Honecker bei uns aufgenommen werden kann oder nicht. Wir beten jeden Sonntag in unserer Kirche „vergib uns unsere Schuld wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ Wir wollen es nicht nur beten und reden, sondern wir wollen es dann auch tun, damit wir keine Schwätzer sind, sondern das, was wir glauben, auch wirklich tun. Wer das nicht tun will, der hat nicht wirklich begriffen, was Vergebung, was Barmherzigkeit Gottes heißt.

3.4 „Sie haben kein Recht, Honecker zu vergeben!“

Es war mir das eindrücklichste Erlebnis in der Honecker-Zeit, dass ein Mann auf mich zukommt mit wütenden und verbitterten Gesichtszügen und sagte: „Sie haben kein Recht, dem Honecker zu vergeben. Sie haben ja nichts durchgemacht. Aber ich war 5 Jahre in Bautzen. Eigentlich war ich zum Tode verurteilt. Dann haben sie mich zu 15 Jahren begnadigt. Dann habe ich 5 Jahre in Bautzen gesessen. Was ich da durchgemacht habe, können Sie sich nicht vorstellen. Sie haben kein Recht, dem Honecker zu vergeben.“

Ich konnte nur sagen: „Das glaube ich, dass ich das nicht nachfühlen kann, was Sie durchgemacht haben. Ich habe aber Honecker nicht vergeben, was er Ihnen angetan hat. Ich habe Honecker nur vergeben, was er mir angetan hat. Alle meine Kinder kamen nicht auf die Oberschule. Ich bin mit Gefängnis bedroht worden. Und ich bin in meinem Dienst oft gehindert worden. Aber was er Ihnen angetan hat, das müssen Sie ihm selber vergeben, sonst frisst die Bitterkeit Ihres Herzens Sie auf.“ Da war der Mann einen Augenblick still und dann sagte er: „Sie haben recht. Ich muss vergeben, und ich will vergeben.“

Je schwerer die Verletzung ist, desto notwendiger ist die Vergebung. Manche haben gesagt, was der Honecker sich alles geleistet hat – dem kann man doch nicht vergeben. Ja, aber wenn dieser Mann nicht vergeben würde, dann ist er nach ein paar Wochen kaputt. Erich Honecker hat nichts davon. Aber bei ihm ist etwas im Leben drin, was ihn kaputt macht. Je schwerer die Verletzung ist, desto notwendiger ist die Vergebung. Da ist es nicht die Frage, ob der andere Schuld hat oder ob er das einsieht. Wenn der andere es nicht einsieht, dann ist Vergebung doch nötig um Gottes Willen. Sonst kann keine Versöhnung entstehen.

Versöhnung heißt, beide gehen aufeinander zu. Der Eine nimmt die Vergebung des Anderen an. Der Andere bittet um die Vergebung. Das ist wechselseitig. Aber wenn der Andere nicht will, sich gar nicht darum kümmert, dann will ich es trotzdem nicht im Herzen behalten, sondern ich will es heraus geben, und ich gebe es Gott. Vergebung hängt nicht davon ab, ob der Andere mich darum bittet. Es ist schwerer, wenn der Andere mich nicht bittet. Aber dennoch – ich soll vergeben. Vergeben ist auch keine Frage des Gefühls und der Neigung, sondern Vergebung ist eine Frage des Gehorsams und der Entscheidung. Ich entscheide mich: ich will vergeben.

3.5 Vergebung auch für einen KZ-Aufseher

Bewegend ist die Geschichte, die Corrie ten Boom erzählt. Corrie ten Boom war mehrere Jahre im KZ Ravensbrück. Ihre Schwester ist in Ravensbrück gequält worden und verhungert. Corrie ten Boom hielt nach dem Krieg einige Vorträge in Deutschland. Da kam ein Mann auf sie zu, und es stellt sich heraus, der ist einer der Aufseher in Ravensbrück gewesen. Der Mann reichte ihr die Hand und sagte: „Ich bitte Sie um Vergebung.“ Stellen Sie sich das vor. Corrie hat gesehen, wie ihre Schwester dort ganz elendiglich gestorben ist durch die Grausamkeiten der KZ-Aufseher. Das steht alles vor ihr da. Sie schildert, sie hätte einen Moment gezögert. Sie hat einen Moment lang gar nicht gewusst, was sie tun sollte. Doch dann hat sie die Hand genommen und gesagt: „Ich vergebe Ihnen.“ Corrie ten Boom wurde dann eine wirkliche Segensträgerin und eine Botschafterin der Gnade Gottes in unserem Leben. Es sind viele durch sie zum Glauben gekommen.

3.6 „Ich habe dem Mörder meiner Tochter vergeben“

Die Vergebung schafft Freiheit. Dazu zitiere ich drei Seiten eines kleinen Heftes mit dem Titel „Ich habe dem Mörder meiner Tochter vergeben“:

„In der Neujahrsnacht 2000 kam meine Tochter Steffi, 16 Jahre alt, von einer Feier nicht mehr nach Hause. Sie wurde auf brutalste Weise ermordet. Ein Mann, der zur Sado-Maso-Szene gehörte, stach sie mit dem Messer nieder, entblößte sie dann, missbrauchte sie mit dem Messer, schnitt ihr am Ende den gesamten Bauchraum auf.

Für meine jüngere Tochter Nadine, damals 14 Jahre alt, und mich war das Leben danach furchtbar und unerträglich. Seit 1992 war ich alleinerziehend und hatte mit dem Glauben nicht viel zu tun. Ein Jahr nach diesem Ereignis unternahm Nadine einen Selbstmordversuch, weil sie das Geschehene nicht mehr ertragen konnte. Sie wurde gerettet, verbrachte dann einige Zeit in der Jugendpsychiatrie und begann aus ihrer großen seelischen Not heraus sich selbst mit Rasierklingen zu verletzen. Wenn das Blut floss, ging es ihr vorübergehend besser.

Im November 2002 waren wir beide an einem Punkt tiefster Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit und gingen zu einer Freundin, weil wir einfach nicht mehr weiter wussten. Die sagte uns: „Ich weiß nicht, wie ich euch helfen kann. Aber ich kenne jemanden, der das kann.“ Und dann erzählte sie uns von Jesus Christus.

An diesem Tage übergaben Nadine und ich unser Leben Jesus. Der schenkte uns dann Begegnungen mit vielen gläubigen Christen, die uns in unserer Not beistanden. Von Gottes Liebe erzählten sie und redeten mit uns über die Bibel. Es ging uns von Tag zu Tag, von Woche zu Woche besser. Ich wurde von schwersten Depressionen geheilt und bekam wieder Lebensmut. Auch Nadine erholte sich langsam…“

…und dann tauchte die Frage auf, was ist mit Steffi, die ermordet worden ist? Wo ist sie nun? Ist sie nun im Himmel? Beim Aufräumen findet die Mutter eine kleine Bibel, die Steffi in der Schule von den Gideons bekam, als sie 11 Jahre alt war. Die Mutter schlägt die Bibel auf, blättert darin und findet am Ende des Neuen Testaments ein Übergabegebet an Jesus. Und das hat Steffi unterschrieben. Es heißt darin:

„Mein Entschluss, Jesus Christus als meinen Erretter anzunehmen: Ich bekenne, dass ich ein Sünder bin, und ich glaube, dass der Herr Jesus Christus für meine Sünden am Kreuz gestorben und zu meiner Rechtfertigung auferstanden ist. Ich nehme ihn jetzt an, und ich bekenne ihn als meinen persönlichen Erretter.“

Wir können uns vorstellen, dass das für diese Mutter eine der glücklichsten Stunden war, wo sie herausfand, Steffi hat schon mit 11 Jahren Jesus als ihren Erretter angenommen.

„Der Mörder meiner Tochter war nach dem Verbrechen schnell gefasst worden. Aufgrund der Grausamkeit der Tat wurde er zu lebenslänglicher Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. In einem langsamen inneren Prozess, der Jahre dauerte, machte Jesus mir deutlich, wie wichtig es ist, zu vergeben. Eines Tages war ich soweit, dass ich sagen konnte: „Herr Jesus, ich vergebe diesem Mann aus vollem und ganzem Herzen.“ In diesem Moment durfte ich erfahren, dass ich noch einmal freier und heiler wurde an meiner Seele.

Im Februar 2009 besuchte ich den Mörder meiner Tochter im Gefängnis. Er war schwer an Krebs erkrankt. Ich konnte ihm sagen, dass ich ihm vergeben habe und dass auch Gott ihm vergeben möchte. Der Mann bat mich darum, mit ihm zu beten, was ich dann auch tat. Unter Tränen übergab er sein Leben Jesus Christus. Vierzehn Tage später starb er.“

Mir ist das ein ganz tiefes Erleben, was diese Frau erlebt hat. So schwer kann unser Leiden sein, wenn andere uns Unrecht getan haben. Und so befreiend ist es, wenn Jesus Schuld vergibt und uns annimmt und wir es erfahren, was es heißt, „ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Es ist so wunderbar, dass auch die Tochter das gemacht hat.

Unendlich schwer war diese Vergebung. Aber Jesus kann uns helfen, auch so ein Verbrechen zu vergeben. Noch schwerer wäre es gewesen, mit diesem Verbrechen im Herzen immer weiter zu leben. Aber es wurde wirklich leichter, als die Mutter vergeben konnte, als Gott das wegnahm. Gott nimmt das aber nicht einfach so weg, sondern du gibst das ganz bewusst in Gottes Herrschaft. „Die Rache ist mein, spricht der Herr!“ Rache ist nicht im Sinne von Vergeltung gemeint, sondern es ist die Antwort: „Gib es mir. Ich werde schon mit dem fertig, was der andere dir angetan hat.“ – Gib es ihm, und dann darfst du wissen, er nimmt dir die Wut, den Schmerz, den Hass. Er hilft mir, dass mich das nicht kaputt macht.

Beachten wir, es kann lebensrettend sein, Schuld zu vergeben. Es ist wunderbar, eine lebendige Gemeinde zu haben, wo Bibel und Gebet gelebt werden und wo ein Mensch frei wird von der eigenen Schuld, um dann schließlich auch frei zu werden, dem anderen zu vergeben. Vergebung heißt, ich nehme meine Verletzung – meinen Zorn, meinen Groll – und gebe sie ab bei Gott. Er macht mich frei. Es ist seine Sache. Gott macht meine Verletzungen, Gott macht meinen Ärger, Gott macht meine Wut, Gott macht das, was mir Unrecht getan wird zur Chefsache! Er sagt: „Gib es mir. Ich werde damit fertig!“ Und das macht wunderbar reich und frei.

3.7 Schlaflose Nächte

Kennen Sie das, dass man, wenn man starken Ärger hat, schlaflose Nächte bekommt? Andauernd denkt man daran? Ich kenne das. Ich habe Nächte gehabt, wo ich gebetet habe, weil man mir ziemlich schwer Unrecht getan hat. Es ging um Gottes Sache, und ich hatte auch um Gottes Sache Sorge. Und dann hab ich doch verloren. Da hab ich langsam gelernt, gib das doch Gott ab. Dann hab ich meinen „Gegner“ eingeladen: „Komm, wir wollen uns versöhnen.“ Er sah das nicht ein, aber ich sagte, ich vergebe. Und wir haben eine Versöhnung gefunden, die nicht von beiden Seiten so ganz herzlich war. Doch für mich war es klar, ich gebe das jetzt ab. Jetzt kann ich ihm begegnen, ohne dass es mir im Magen grummelt. Als ich dann vor einiger Zeit mal aufräumte, hab ich auch diesen ganzen Schriftwechsel, alles, was ich mit Herzblut geschrieben oder auch empfangen hatte, abgegeben. Ich will nichts mehr damit zu tun haben. Haben Sie noch solche Sachen zuhause, wo Sie gestritten haben mit dem Bruder, der Schwester, den Kindern, den Verwandten? Gib das ab an ihn und tu das weg! Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich geschrieben habe. Jetzt kann ich das nicht mehr hervorholen, mir noch mal ins Gedächtnis rufen, oder dem anderen vorzeigen. Jetzt hab ich es abgegeben. Das macht frei.

Wir haben eben von einer Frau gehört, die ganz schwere Sachen vergeben hat. Aber Vergebung kann auch in ganz leichten Sachen notwendig sein. Zum Beispiel in Ehekrisen. Ich hab mich eigentlich immer ganz gut mit meiner Frau verstanden. Aber es gab auch Krisen in unserer Ehe. Ich kenne das auch, dass du einschläfst, und der andere schläft auch ein, und du denkst, er schläft, tut er aber nicht, und du auch nicht, weil das nicht ausgesprochen ist. Und dann denkst du daran. Du hast am nächsten Morgen so drei Stunden geschlafen, aber es war kein guter Schlaf.

Der Apostel Paulus sagt: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“ (Eph 4,26). Bring das heute in Ordnung. Dann kannst du wieder schlafen. Das ist ein großes Geschenk. Da ist Vergebung das beste Schlafmittel, das es überhaupt gibt. Du kannst das abgeben, und dann bist du frei. Da hat die Liebe wieder Raum und kann sie wieder entfalten.

3.8 Wie kann ich dem vergeben?

Wenn du meinst, du kannst nicht vergeben, ist es oftmals eine große Hilfe, wenn du das bekennst, Missbrauch und alle diese Dinge, die so schwer zu vergeben sind. Es ist gut, das vor einem Seelsorger auszusprechen und in dessen Gegenwart zu sagen: „Ich vergebe meinem Vater.“ Geben Sie das ab, und dann halten Sie das fest, dass Sie es abgegeben haben. Wenn Sie es ganz bewusst abgeben, kann ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin eine Hilfe sein. Sagen Sie das konkret, deutlich, laut ausgesprochen, und sagen Sie es jetzt; nicht „Ich will“, sondern „Ich vergebe“. Da kann man sich dann auch wieder gegenseitig daran erinnern, dass es „weg ist“.

Wenn wir vergeben, dann strahlt immer etwas aus an Freundlichkeit und Liebe und Leutseligkeit. Wenn wir vergeben, können wir dem anderen freundlicher begegnen. Im Titusbrief Kapitel 3 steht in einer alten Übersetzung: „Als aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, da errettete er uns.“ Die Vergebung begegnet uns als Freundlichkeit Gottes. Und dann kommen alle die anderen Dinge, von denen Jesus gesprochen hat: „Segnet, die euch fluchen. Tut wohl denen, die euch hassen.“ Das ist alles möglich aus der Haltung der Vergebung. Die Vergebung schafft eine Haltung des Friedens und der Freundlichkeit gegenüber dem Nächsten. Das tut uns so wohl. Und dann wird es so, wie Jesus das gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Ihr seid das Licht der Welt.“ Er verhilft uns dazu, dass auch wir an dem Platz, an dem wir stehen, Licht der Welt sein können.

Als ich für mich Vergebung der Sünden empfangen durfte, dachte ich, ich hätte das große Los gewonnen. Ich möchte in dieser Haltung bleiben, dass mir vor Augen steht, das hat Gott an mir getan. Er hat mir alle meine Sünden vergeben, und ich darf zurückkehren aus der Gottesferne hinein in die Gottesnähe, hinein in das Paradies.

Da hat doch der alte Heinrich Heine, dieser Spötter, gegen Ende seines Lebens gesagt: „Ich habe zurückgefunden zum Gott meiner Väter. Ich habe allen meinen Feinden Amnestie erteilt.“ Soviel hat Heinrich Heine begriffen, und das will ich von ihm lernen. Hast du das auch getan, allen deinen Feinden Amnestie erteilt? Oder gibt es noch Menschen, für die das nicht gilt? Machen wir unsere Seelen frei, erteilen wir Amnestie, nachdem Gott mir volle Amnestie gegeben hat. Er sagt: „Alles, was ihr an Schuld bringt, das vergebe ich!“ Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, betrügen wir uns selbst. Wenn wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt. Gott vergibt uns alles, was wir getan haben, auch diesem Mörder, und dann dürfen wir auch allen unseren Feinden Amnestie erteilen und dürfen ein freies Leben führen. Daraus wächst die Kultur der Vergebung. Daraus wächst Freundlichkeit, Liebe, Frieden, Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft.

Wir sind eine kleine Schar. Wir können nicht die ganze Welt verändern. Aber wir strahlen ein Stück weit aus in diese Welt hinein, und das ist der Beitrag der Christen zu einer Kultur der Vergebung. Gott schenkt es jedem einzelnen von uns. Wir wissen es oft nicht, aber die Wirkung ist größer als wir uns denken.

Pastor Uwe Holmer

Vortrag vom Kongress des Gemeindehilfsbundes “Die Kraft der Vergebung – Persönlicher und gesellschaftlicher Frieden durch den christlichen Glauben” in Bad Gandersheim am 16.3.2013. Alle Beiträge der beiden Kongresse des Gemeindehilfsbundes in Bad Gandersheim (15.3-17.3.2013) und in Bad Teinach-Zavelstein (22.3.-24.3.2013) sind in einem Dokumentationsband für 7,60 Euro erhältlich. Er kann in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes bestellt werden kann.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 28. Oktober 2013 um 11:50 und abgelegt unter Gemeinde, Gesellschaft / Politik.