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Die Ausstrahlung Jesu

Dienstag 26. September 2017 von Holger Lahayne


Holger Lahayne

Der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wird von manchen der Social-Media-Bischof genannt. RegelmĂ€ĂŸig postet er auf Facebook. Am 1. September nutzte er im Beisein von zwei Journalisten einen ersten Live-Video-Chat auf dem sozialen Netzwerk dazu, um mit der Social-Media-Gemeinde ĂŒber Kernfragen des Glaubens live ins GesprĂ€ch zu kommen. Bedford-Strohm schrieb vorher dazu: „Jetzt will ich das unter der Moderation von Johannes Minkus und Claudia Dinges mal versuchsweise umsetzen. Wie können wir als aufgeklĂ€rte Menschen heute ĂŒberhaupt noch von Gott reden? Was soll man heute mit Kreuz und Auferstehung Jesu Christi anfangen? Woher kommt Hoffnung? Warum lĂ€sst Gott Böses zu? Stellen Sie mir diese und ganz andere Fragen zum christlichen Glauben!“

„idea“ gab einen Überblick zu dem Chat von gut einer Stunde. Bischof, Team und viele User waren allgemein zufrieden mit dem Ablauf, weshalb es weitere Live-Chats geben soll. Warum auch nicht? TatsĂ€chlich bekommt so ein breites Publikum direkt mit, wie der oberste EKD-ReprĂ€sentant theologisch tickt.

„Was ist Erlösung?“

Eingangs wird der Bischof gefragt, ob Gott ein Geistwesen sein. Es scheint, dass dieser Begriff eine gewisse dunkle Note in Bedford-Strohm angeschlagen hat, denn er antwortet mit keinem Nein und keinem Ja. Vielmehr unterstreicht er gleich, dass Gott der ganz Andere sei, der in keine Kategorie passt und sich mit solchen Begriffen auch nicht angemessen erfassen lÀsst.

So kommt man schon zu Beginn ins Stutzen, denn Gott wird in der Bibel ja eindeutig als Geistwesen beschrieben, das eben keinen Körper wie die antiken Gottheiten besitzt. Wie so oft heute flieht man bei fast schon jeder Gelegenheit in eine Art theologischen Agnostizismus, macht also dort keine klaren Aussagen, wo wir sie aufgrund der Offenbarung Gottes durchaus machen können und sollten.

„Was ist Erlösung? Wovon sind wir erlöst? Welches Menschenbild steht hinter dem Gedanken der Erlösung?“ So lautet eine weitere Frage, die auf Grundlagen des Glaubens abzielt. Dies sei ein „ganz wichtiges Thema“, so Bedford-Strohm mit Nachdruck. Er sieht dahinter aber eine Art GefĂŒhl oder eine BefĂŒrchtung, die der Bischof so umschreibt: „Wenn wir ĂŒber SĂŒnde reden, dann wird der Mensch schlecht gemacht.“ Daher betont er noch einmal, dass dies ein „ganz wichtiger Punkt“ sei, „darĂŒber [sei] mal zu reden“.

Der Theologe unterstreicht, dass das Reden ĂŒber SĂŒnde alles andere als ein Kleinmachen von Menschen sei. Bedford-Strohm nennt Luthers Charakterisierung der SĂŒndhaftigkeit des Menschen als „in sich selbst verkrĂŒmmt“ sein; auch die lateinische Version darf nicht fehlen. Dies ist tatsĂ€chlich eine gute Veranschaulichung des existenziellen Aspekts der SĂŒnde; der Begriff ist verbunden mit egoistischer Selbstliebe, Blindheit und Verschlossenheit gegenĂŒber Gott und dem NĂ€chsten.

Bedford-Strohm gibt zu verstehen, dass der sĂŒndige Mensch nicht klein und schlecht, sondern eben in sich selbst verkrĂŒmmt ist. Letzteres klingt heute natĂŒrlich irgendwie besser. Leider hört man von dem Lutheraner nichts aus Luthers Schriften zur radikalen Verdorbenheit des Menschen und völligen UnfĂ€higkeit der Selbstrettung. Ist in sich selbst verkrĂŒmmt sein etwa nicht „schlecht“?

Der gefallene Mensch muss erkennen, „dass sein Heil gĂ€nzlich außerhalb seiner eigenen KrĂ€fte, Absichten, BemĂŒhungen und seines eigenen Willens, seiner Werke liegt und ganz und gar von der Entscheidung, der Absicht, vom Willen und Werk eines anderen abhĂ€ngt, nĂ€mlich Gott allein“, so Luther in Vom unfreien Willen. Erst dann ist er „vollstĂ€ndig gedemĂŒtigt“. Böse Zungen wĂŒrden sagen: völlig klein gemacht. Der Mensch darf sich nicht einreden, „dass er auch nur ein klein wenig zu seinem Heil beitragen kann“, denn sonst „bleibt er im Vertrauen auf sich selbst und verzweifelt nicht vollstĂ€ndig an sich, demĂŒtigt er sich nicht vor Gott.“ In diese Richtung geht auch die 18. These der Heidelberger Disputation des Reformators: „Es ist gewiss, dass ein Mensch von Grund aus an sich verzweifeln muss, damit er geeignet wird, die Gnade Christi zu erlangen.“

An sich selbst verzweifeln? VollstĂ€ndige DemĂŒtigung? Und dann auch noch in diese kategorische Sprache gepackt? Mit dem Bild vieler Kirchen als eine Art großer Selbstwertmanufaktur ist das gewiss kaum zu vereinbaren. Doch Luther wĂŒrde sicher antworten: Was wollt ihr? Ich mache den Menschen nicht klein und schlecht; ich beschreibe nur die tiefe Gefallenheit der menschlichen Natur.

Luther gebraucht den Begriff „in sich selbst verkrĂŒmmt“ schon in der Römerbriefvorlesung von 1515/16. Die SelbstverkrĂŒmmung zeigt sich vor allem auch darin, dass die gefallene Natur des Menschen ihre Gottwidrigkeit nicht erkennt. Der Mensch ist mit geistlicher Blindheit geschlagen, so in Vom unfreien Willen, „dass er glaubt, er sei frei, selig, erlöst, mĂ€chtig, gesund und lebendig.“ Daher ist das Gesetz Gottes gegeben, „um dem Menschen sein Elend offenbar zu machen“. Die UnfĂ€higkeit zum vollkommenen Gehorsam soll ihn zur Erkenntnis seiner selbst fĂŒhren, um die so „Zerbrochenen und Verwirrten zur Gnade zubereiten und zu Christus zu schicken“.

„Wie groß meine SĂŒnde und mein Elend ist“

Kommen wir nun zur Antwort des Bischofs auf die Frage, was Erlösung ist: „Erlösung heißt, dass wir durch diesen tiefen Glauben, dass Gott mich annimmt – mit meinen dunklen Seiten, mit all dem, womit ich mich immer wieder von Gott entferne; dass ich bedingungslos angenommen bin; dass ich in einem tiefen Frieden mit mir selbst und Gott leben darf.“

Bedford-Strohm sagt hier sicher viel Wahres, doch es fehlt der nĂŒchterne Unterbau, die knallharte Analyse Luthers; es fehlt im Zusammenhang der ganzen Frage (zu der eben auch „wovon sind wir erlöst?“ gehört) die Spannung von Gesetz und Evangelium. Der Bischof springt gleichsam direkt hinein in das Evangelium und vor allem seine Folgen (Frieden mit Gott) und ĂŒberspringt das Gesetz; oder mit dem Heidelberger Katechismus gesprochen: Teil 1 ĂŒber das „Elend“ des Menschen (Luthers Verzweiflung) wird ignoriert und gleich zum ‘netteren’ Teil 2 von der Rettung des Menschen ĂŒbergegangen. Frage 2 ĂŒber das, was man wissen „muss“ (!), um den Trost des Evangeliums zu genießen, nennt jedoch an erster Stelle: „Wie groß meine SĂŒnde und mein Elend ist“.

Der Bischof drĂŒckt sich als Theologe auch in einem Live-Chat natĂŒrlich gewĂ€hlt aus und prĂ€sentiert kein simples „Ich bin okay, so wie ich bin“-Evangelium (hier mehr), aber die Zuhörer werden die Unterschiede wohl eher nicht bemerken. Schließlich klang der Kern der Guten Nachricht auch bei VorgĂ€nger Nikolaus Schneider schon so: „Du bist ein von Gott geliebter Mensch
 Gott ist in allen Höhen und Tiefen des Lebens an deiner Seite.“

Gott und der Tsunami-Knopf

Eine weitere Frage der User zielt auf den Kern des Christentums: „Was soll man heute mit Kreuz und Auferstehung Jesu Christi anfangen?“ Bedford-Strohm bekrĂ€ftigt, dass Kreuz und Auferstehung das „Zentrum des Glaubens“ sind, ihretwegen ist er Christ. Sogleich umreißt er sein Gottesbild und betont: Gott fĂŒhrt die Welt nicht wie Marionetten; er ist auch nicht solch ein Gott, „der auf einen Tsunami-Knopf drĂŒckt und sagt: nun möchte ich mal ein bisschen Flut sehen“. An diesen Gott glaubt er keinesfalls. „Ich kann nichts mit einem fernen Gott anfangen“, so Bedford-Strohm. Jesus ist fĂŒr ihn vor allem „ein Gott, der uns unheimlich nahe ist“.

Was soll man mit solch einer Theologie anfangen? Sicherlich ist Gott uns in Jesus in besonderer Weise nahe gekommen. Aber bedeutet das im RĂŒckschluss, dass wir mit einem nichtinkarnierten Gott nichts anfangen können? Bekanntlich ist Jesus auf Erden nicht der einzige Gott und das Einzige, was wir vom dreieinen Gott sagen können. Warum wischt der Bischof den Schöpfer, Erhalter und Lenker der Welt mal eben so vom Tisch – und das in diesem Ton?

NatĂŒrlich können wir begrenzten Menschen mit einem allmĂ€chtigen und transzendenten Gott in gewissem Sinne weniger anfangen als mit einem Zimmermann aus GalilĂ€a. Aber was soll das konkret heißen: An diesen transzendenten Gott keine Gebete mehr richten? Sich nur noch an Jesus wenden (der nun aber auch im Himmel ist)? Dass Gott in Jesus in besonderer Weise nahe gekommen ist, bedeutet doch keineswegs, dass der ferne Gott abzulehnen sei. Ist es nicht vielmehr so, dass Gott uns bis zur Vollendung des Heils in der Zukunft und im Jenseits wegen der bleibenden SĂŒnde immer ein StĂŒck weit fern bleiben wird?

Es scheint, dass Bedford-Strohm hier populÀres Denken bedient und die Allmacht Gottes mal eben schreddert. Dabei gehört die umfassende Kontrolle Gottes, gegen die er so polemisiert, doch gerade zum Kreuz, ja zum ganzen Kommen von Jesu hinzu! Dies Kommen auf Erden war von Gott vorhergesagt und geplant. Und diese Planung beinhaltete eine genaue Steuerung, die er mit dem Marionettenvergleich lÀcherlich macht. Sie schloss auch böse Absichten ein, wie bei der Verurteilung Jesu ja offensichtlich ist. Gott richtete es so ein, dass die moralisch verwerfliche Hinrichtung eines Unschuldigen durch die Handlungen des Judas, Pilatus usw. Teil des Rettungsplans wurde.

Es ist ja eben nicht so gewesen, dass Gott im Himmel nach den Ereignissen von Golgota gedacht hĂ€tte: Upps, da ist was schief gelaufen; da habe ich den Menschen meinen Sohn geschickt, und dann bringen die ihn um! Haben wir noch einen Plan B? – Nein, Gott hat die VorgĂ€nge gelenkt. Denn es ging ihm auch, aber noch nicht einmal in erster Linie um die physische NĂ€he zu den Menschen (die konnte und kann Er auf verschiedenste Weise ausdrĂŒcken und herstellen). Gott hat den Tod seines Sohnes um des Heils der Menschen willen geplant. In der Konsequenz von Bedford-Strohms SĂ€tzen liegt, dass das Kreuz – der Tod – ein Betriebsunfall war. Nahe kommen, auch im Leiden nahe kommen – wenn es vor allem darum geht, warum dann aber unbedingt ein Tod am Kreuz?

„Tiefe Weisheit“ des Fegefeuers

Ein Teil der Fragen betrifft den Zustand der evangelischen Kirchen heute. Eine ordentliche Prise SchĂ€rfe hat diese: „Wieso hat man in der evangelischen Kirche nicht mehr das GefĂŒhl, in einer Kirche zu sitzen, sondern in einer Gruppentherapie mit dem wöchentlichen Motto ‘Habt euch lieb!’?“ Und weiter: „Wieso bekomme ich von der evangelischen Kirche nie zu hören, was ich im Jenseits zu befĂŒrchten habe, wenn ich mich falsch verhalte?“

In seiner Antwort lehnt Bedford-Strohm einen Kuschelgott ab. Wir mĂŒssen einmal Rechenschaft ablegen, und wir mĂŒssen auch vom Gericht Gottes reden. Es sei aber nicht gut, wenn „fundamentalistische Prediger den Eindruck erwecken, als wĂ€re ihnen nichts wichtiger als, erstens, dass es die Hölle gibt und dass da auf jeden Fall auch jemand drin ist. Das ist nicht die Ausstrahlung Jesu Christi, die ich spĂŒre.“ Jesus sei es immer darum gegangen, Menschen zu gewinnen. „Ich glaube, dass Gott niemanden aufgibt“, und er hofft und fragt sich, ob Gott nicht auch den „schlimmsten Verbrecher“ noch zu sich ziehen könnte.

Gewiss kann Gott auch den schlimmsten Verbrecher zu sich ziehen. Noch zu sich ziehen? Noch im Jenseits verĂ€ndern und umdrehen? Geht Gott auch im Jenseits Menschen noch nach und gibt sie nicht verloren? Bedford-Strohm grenzt sich von einem Kuschelgott ab, ersetzt ihn aber, so scheint es, durch einen kaum wirklich andersartigen Am-Ende-wird-alles-gut-Gott. Der Seitenhieb auf die Fundamentalisten ist natĂŒrlich billig und ĂŒberflĂŒssig. Diese Prediger wollen nur wiedergeben, was Jesus selbst gesagt und gepredigt hat, und bekanntlich hat dieser im NT am meisten von der Hölle gesprochen. Oder sind diese SĂ€tze schon historisch-kritisch entsorgt? Irgendwie kann ich nicht erkennen, dass Jesus immer nur Menschen gewinnen wollte. Bedford-Strohm verwechselt hier Jesus mit dem Dalai Lama.

„Es kommt drauf an, wie wir leben“, so der Bischof ganz richtig. Aber anstatt eine reformatorische Lehre vom ewigen Schicksal der GlĂ€ubigen und UnglĂ€ubigen in grober Skizze vorzulegen, durchbricht er auf einmal gleichsam die evangelischen Leitplanken und meint doch tatsĂ€chlich, im Fegefeuer „steckt eine tiefe Weisheit drin“. Nun prĂ€sentiert Bedford-Strohm natĂŒrlich nicht direkt die katholische Lehre der LĂ€uterung und jenseitigen Buße in einem Zwischenzustand. Ihm gefĂ€llt aber der Gedanke, dass dann alles wie die Wahrheit ĂŒber unser Leben auf den Tisch kommt und jeder durch solch eine Reinigung hindurch muss. Moltmann wird als AutoritĂ€t genannt: Das Feuer der Liebe Gottes könne verbrennen, was zwischen Gott und den Menschen steht.

Wie auch schon in frĂŒheren Veröffentlichung (s. auch hier) deutet Bedford-Strohm das jenseitige Gericht vor allem als Scham: Man wird sich fĂŒr seine Untaten und seine unterlassenen Taten in einem Maße schĂ€men, das man sich nicht vorstellen könne; das mag dann die Hölle sein. „Durch dieses Stadium mĂŒssen wir durchgehen.“ Daraus folge aber nicht, dass wir verloren sind. Er vertraut darauf: „Gott möchte das Leben und nicht den Tod“; dieser will auch nicht ewige Verdammnis. Die biblischen Gerichtstexte deutet der Bischof als Warnschilder.

Auf einmal ist die Hölle leergehofft

Was soll man zu solchen AusfĂŒhrungen des obersten ReprĂ€sentanten des deutschen Protestantismus im JubilĂ€umsjahr der Reformation sagen? HĂ€tte ich am Live-Chat teilgenommen, wĂ€re mein Kommentar an den lutherischen Bischof nur ein kurzes „WWLS“ gewesen – What would Luther say? Was wĂŒrde der Reformator dazu sagen? Ist es irgendwie mit evangelischer Lehre vereinbar, dass Menschen, die gerettet werden, nach dem Tod noch irgendwelche negativen Erfahrungen, und sei es eine Art heilende Scham, zu befĂŒrchten haben? Wir, d.h. die tatsĂ€chlich GlĂ€ubigen, mĂŒssen durch gar kein „Stadium“ mehr durchgehen! (Wir lassen hier einmal die Diskussion um ein Gericht ĂŒber die Werke der Christen beiseite; eine Art von Bewertung wird es wohl geben, aber noch einmal: dies wird keine leidvolle Erfahrung sein.)

Vielsagend ist außerdem das Jonglieren des Bischofs mit Gewissheiten und Ungewissheiten. Auf einmal weiß er genau: Eine ewige Verdammnis will Gott nicht. Wer hat ihm das geflĂŒstert? Wieso ist er sich da so sicher? Haben Christen und Theologen und KirchenvĂ€ter und Reformatoren das ĂŒber Jahrtausende hinweg etwa ganz falsch gesehen? Und dann kommt dann wieder dieser elende Agnostizismus dazwischen: Woher wissen wir, so die Denke von Bedford-Strohm, dass Gott nach dem Tod nicht doch noch Möglichkeiten, das ewige Schicksal des Einzelnen zu verĂ€ndern? Wir wissen ĂŒber das Jenseits so wenig, also mag Gott vielleicht, nein: wahrscheinlich vielen noch eine zweite Chance geben. Auf dieser Linie argumentiert ja auch Rob Bell (Christina Brudereck und so manch andere ebenfalls). Und auf einmal ist die Hölle leergehofft.

Die Lehre vom Fegefeuer kam erst im Mittelalter auf und wurde vor rund 600 Jahren dogmatisiert. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Ablasslehre und muss schlicht als anti-ökumenisch bezeichnet werden. FĂŒr Katholiken dient sie keineswegs dazu, die ewige Verdammnis ĂŒberflĂŒssig zu machen, denn ins Fegefeuer kommen ja nur Christen; Verworfene gelangen direkt in die Hölle.

Bedford-Strohm ĂŒbernimmt den Gedanken, dass mit dem Tode die WĂŒrfel eben noch nicht ganz gefallen sind; und er erweitert die Vorstellung in liberaler Weise: die Hölle verschwindet gleichsam, es bleibt eine LĂ€uterung fĂŒr alle. Und am Ende wird alles gut –fĂŒr jeden. Das ist die bischöfliche Vorstellung von Gerechtigkeit und Gericht. Ich kann nicht erkennen, was daran christlich, geschweige denn evangelisch sein soll. Aber fĂŒr diese unbequemen EinwĂ€nde hat der MĂŒnchener Bischof ja die Fundamentalisten-Keule parat


Gerechtigkeit ist bekanntlich auch in den Kirchen heute ein großes Thema. Überall soll man sich fĂŒr sie einsetzen, Kampf gegen Ungerechtigkeit ist zum Kern evangelischer Sozialethik geworden. Vieles scheint direkt bei Oxfam und politischen Parteien abgeschrieben zu sein. Ab und an sollte man aber auch bei Martin Luther nachschlagen. Gegen Ende von Vom unfreien Willen geht der Reformator auf die Erfahrung ein, dass es in dieser Welt ungerecht zugeht und selbst die vorbildlich Frommen von Ungerechtigkeit versucht werden. Warum geht es den GlĂ€ubigen oftmals schlecht und den Bösen wunderbar?

Diese Ungerechtigkeit Gottes, so wie es im „Licht der Natur“ erscheint, wird „ganz leicht aufgehoben durch das Licht des Evangeliums und die Erkenntnis des Gnade. Durch sie werden wir gelehrt, dass die Gottlosen zwar körperlich blĂŒhen, an der Seele aber zugrunde gehen. Und die kurze Lösung dieser unlösbaren Frage besteht in einem einzigen kleinen Wort, nĂ€mlich: Es gibt ein Leben nach diesem Leben, in dem alles, was hier nicht bestraft und belohnt wird, dort bestraft und belohnt werden wird. Denn dieses Leben ist nichts als ein Vorlauf oder vielmehr: ein Anfang des zukĂŒnftigen Lebens.“ Luther war auch ein Media-Theologe und konnte sich klar ausdrĂŒcken; er hĂ€tte sich auch bei Facebook wacker geschlagen.

„Wieso bekomme ich von der evangelischen Kirche nie zu hören, was ich im Jenseits zu befĂŒrchten habe?“ Bedford-Strohms Antwort lautete also: Weil es da nichts zu befĂŒrchten gibt! Und zwar fĂŒr niemanden. Es wird dort aber fĂŒr alle peinlich, alle werden sich schĂ€men.

Wahrscheinlich muss man lange Theologie studiert haben, um auf so elegante Weise die Vorstellung vom Gericht zu entsorgen. Die vielen Worte Ă€ndern nichts daran, dass man sich als Lutherfan fĂŒr so einen Leiter einer lutherischen Kirche und der EKD noch dazu nur schĂ€men kann. Außerdem ist es nur Ă€rgerlich, dass sich ein Theologe die Ausstrahlung Jesu subjektiv zurecht biegt. Zur Vereinnahmung und Umdeutung der katholischen Fegefeuer im Jahr der Reformation fehlen mir einfach die Worte. Ich befĂŒrchte, dass Bedford-Strohm in Zukunft so viel chatten mag er will, den Niedergang der EKD-Kirchen wird er so wohl kaum aufhalten.

Holger Lahayne, 12. September 2017, www.lahayne.lt

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 26. September 2017 um 9:52 und abgelegt unter Kirche, Theologie.