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Die Heilige Schrift trägt ihre Beglaubigung in sich selbst

Dienstag 19. September 2017 von Johannes Calvin (1509-1564)


Johannes Calvin (1509-1564)

Dabei also soll es bleiben: wer innerlich vom Heiligen Geist gelehrt ist, der verharrt fest bei der Schrift, und diese trägt ihre Beglaubigung in sich selbst; daher ist es nicht angebracht, sie einer Beweisführung und Vernunftgründen zu unter­werfen. Die Gewißheit aber, die sie uns gewinnt, die erlangen wir durch das Zeugnis des Geistes. Gewiß verschafft sich die Schrift ganz von selbst durch ihre eigene Majestät Ehrfurcht, aber sie ergreift uns erst dann recht und ernstlich, wenn sie durch den Geist in unserem Herzen versiegelt ist. Daß die Schrift von Gott kommt, das glauben wir, weil die Kraft des Geistes uns erleuchtet, nicht aber auf Grund des eigenen Urteils oder desjenigen anderer Leute. Es ist ja gerade, als ob wir Gottes eigene Majestät hier erschauten; und deshalb ist unsere Gewißheit unerschütterlich fest, stärker, als sie uns menschliches Urteil verleihen könnte.

So halten wir dafür, daß die Schrift zwar durch den Dienst von Menschen, aber tatsächlich doch aus Gottes eigenem Munde zu uns kommt. Nicht Beweisgründe, nicht Wahrscheinlich­keiten suchen wir, um unser Urteil darauf zu gründen, sondern wir unterwerfen unser Urteil und unser Denken dieser völlig aller Frage entzogenen Tatsache. Das geschieht freilich nicht so, wie einige es machen, die zuweilen eine unbekannte Sache mit Eifer annehmen, die ihnen dann doch bei näherer Kenntnis mißfällt, sondern es geschieht darum, weil wir voll und ganz überzeugt sind, es mit der unbestreitbaren Wahrheit zu tun zu haben! Das hat auch nichts mit der Art zu tun, wie elende Menschen dem Aberglauben ihren Geist gefangen geben, sondern wir kommen zu dieser Gewißheit, weil wir empfinden, daß hier die unbezweifelbare Gewalt gött­licher Majestät waltet und wirkt – und diese Kraft zieht und entzündet uns zum Gehorsam, mit Wissen und Willen, aber viel lebendiger und stärker, als alles menschliche Wollen und Wissen!

So ruft der Herr mit vollem Rechte durch Jesaja aus (43,10), die Propheten samt dem Volke seien seine Zeugen; denn sie waren ja durch Weissagungen belehrt und zweifelten nicht daran, daß Gott ohne Trug und Zweideutigkeit zu ihnen geredet habe. Das ist eine Ãœberzeugung, die der Gründe nicht bedarf, das ist ein Wissen, das seinen Grund in sich selber trägt, ja, auf dem das Herz sicherer und beständiger ruht als auf irgendwelchen Gründen; das ist ein Empfinden, das nur aus himmlischer Offenbarung entstehen kann. Ich rede von dem, was jeder einzelne Gläubige bei sich selber erfährt – freilich reichen meine Worte bei weitem nicht hin, um die Sache recht zu beschreiben! Ich übergehe jetzt vieles, weil ich an anderer Stelle auf diese Dinge zurückkommen muß. Für jetzt wollen wir uns dies merken, daß nur der Glaube der rechte ist, den der Heilige Geist in unseren Herzen versiegelt. Der bescheidene Leser, der sich gern sagen läßt, wird sich mit einem Zeugnis als Be­gründung zufrieden geben: nämlich mit der Verheißung des Jesaja, alle Söhne der erneuerten Kirche würden von Gott gelehrt sein (Jes. 54,13). Da würdigt Gott seine Auserwählten allein eines einzigartigen Vorrechtes und unterscheidet sie da­mit von dem ganzen Menschengeschlecht. Denn womit soll die rechte Lehre bei uns ihren Anfang nehmen, als mit der bereitwilligen Freudigkeit, das Wort Gottes zu hören? Gott aber fordert Gehör durch den Mund des Mose, wie geschrieben steht: „Du sollst nicht sprechen in deinem Herzen: wer wird in den Himmel fahren . oder wer wird hinabsteigen in den Abgrund? Siehe, das Wort ist in deinem Munde .“ (5. Mose 30,12ff.; hier nur einige Stücke daraus, etwas ungenau angeführt!).

Wenn Gott einen solchen Schatz der Weisheit allein für seine Kinder hat bereiten wollen, so ist es nicht verwunderlich oder widersinnig, wenn unter der Masse der Menschen soviel Unwissenheit und Stumpfheit sich zeigt. Unter „Masse“ verstehe ich hier auch die hervorragendsten Menschen, ehe sie in den Leib der Kirche eingefügt sind! Jesaja erklärt an einer Stelle, die prophetische Lehre werde nicht nur den Außenstehenden, sondern auch den Juden, die für Hausgenossen gelten wollten, unverständlich sein, und dann fügt er gleich den Grund dafür bei: „Denn nicht allen wird der Arm des Herrn offenbar“ (Jes. 53,1). Sooft uns die geringe Zahl der Gläubigen wankend machen will, sollen wir uns im Gegenteil vor Augen halten, daß niemand die Geheimnisse Gottes begreifen kann – als die, welchen es gegeben ist.

Johannes Calvin, Institutio 1-07-05

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 19. September 2017 um 10:35 und abgelegt unter Theologie.