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Sola gratia – Allein die Gnade (6 Thesen zum Reformationsjubiläum)

Mittwoch 5. Juli 2017 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

1  Die reformatorische Gnadentheologie ist entstanden vor dem Hintergrund der mittelalterlichen röm.-kath. Theologie und Volksfrömmigkeit. Danach musste der Christ unbedingt Gutes tun, um vor dem Gericht Gottes gerettet zu werden. Das Endgericht wurde in Predigten und szenischen Darstellungen so drastisch dargestellt, dass die Menschen in Angst getrieben wurden und durch gute Werke und Almosen ihr ewiges Heil sichern wollten. Wer sich seines Heils ganz sicher sein wollte, dem wurde geraten, die drei sog. evangelischen Ratschläge (Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam) im Kloster zu praktizieren. Luther hat als junger Mönch (1505-1508) nach diesen Regeln gelebt, aber weder Frieden mit Gott noch Lebensfreude erlebt. „Wenn irgendein Mönch sich durch Möncherei den Himmel verdient hat, dann auch ich“.

2  Nicht nur im Mittelalter, sondern grundsätzlich versucht der Mensch immer wieder, sein Leben mit eigenem Können zu meistern und vor Gott und den anderen gut dazustehen. „Jeder ist seines Glückes Schmied“, „Hilf dir selber, dann hilft dir Gott“, „Yes we can“ lauten die entsprechenden Sprüche. Heute hat sich diese Lebensphilosophie in Gestalt der Selbstbestimmungsideologie weitgehend durchgesetzt. Der Mensch meint, sein Lebensglück in der Durchsetzung seiner persönlichen Wünsche und Pläne finden zu können. Die Gnadenbotschaft des Neuen Testaments, dass ein gelingendes Leben und das ewige Heil ganz und gar von Gottes Gnade abhängt, ist dem modernen Menschen fremd geworden. Auch Christen tun sich mit der biblischen Gnadenbotschaft immer wieder schwer und meinen, sie müssten durch ein frommes Leben etwas zu ihrem Heil beitragen.

3  Was für ein Gottes- und Menschenbild steckt hinter dieser Überzeugung und Haltung? Es ist das Gottesbild der Freunde Hiobs. Danach belohnt Gott die Guten und bestraft die Bösen. Wenn es einem Menschen schlecht geht, dann wird das als Strafe Gottes gedeutet. Eliphas: „Wo ist jemals ein Unschuldiger umgekommen?“ (Hiob 4,7); Zophar: „Wenn du den Frevel aus deiner Hand tust, dann geht dein Leben auf wie der Mittag“ (Hiob 11,13-19). Gott wird hier zum Oberrichter wie im Koran. Der Mensch fristet in dieser Sicht letztlich ein Sklavendasein. Er muss sich immer anstrengen, gut zu sein, sonst ergeht es ihm schlecht.

4  In die neuzeitliche Theologie hat der Humanist Erasmus von Rotterdam diese Auffassung eingeführt (in seiner Schrift „Vom freien Willen“, 1524). Nach ihm ist der freie Wille „diejenige Kraft des menschlichen Willens, mit der der Mensch sich zu dem hinwenden kann, was zum ewigen Heil führt, oder sich davon abwenden kann“. Der eigene freie Wille ist hier der Schlüssel zur Seligkeit. Luther hat demgegenüber den Menschen in allen Heilsfragen als völlig abhängig von Gott erklärt (in seiner Schrift „Vom unfreien Willen“, 1525). „Du überlegst gar nicht, wieviel du dem Willen beilegst, wenn du sagst, er könne sich hinwenden oder abwenden, denn damit schließt du völlig den Heiligen Geist mit seiner Kraft aus, als wäre er überflüssig oder gar nicht notwendig“. Kleiner Katechismus (1529): „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten“. Paulus: „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“ (Röm 9,16).

5  Ist angesichts des unfreien Willens nicht alle Mission, Evangelisation und Bekehrungspredigt sinnlos? Nein, im Gegenteil, gerade durch den Ruf zum Glauben wird dem Heiligen Geist Raum gegeben, am Menschen zu wirken. Wenn er dem Wort Gottes gehorsam wird, hat ihn Gottes Gnade erreicht. Gott will, dass allen Menschen geholfen wird, aber er will dafür unser Gebet. (1 Tim 2,4). Nach der reformatorischen Lehre sind das Evangelium und die Sakramente die Gnadenmittel, durch die Gott den Heiligen Geist gibt, „der den Glauben wirkt, wann und wo es Gott gefällt“ (Augsburger Bekenntnis 1530, Artikel V – Vom Predigtamt).

6  Nur das sola gratia macht ernst mit der Sündenverfallenheit des Menschen, vermag ihn völlig dankbar zu machen, ihn vor Hochmut bewahren und gibt allein Gott die Ehre. Nur das sola gratia macht damit ernst, dass der Mensch als Geschöpf völlig von Gott abhängig ist, dass sogar seine guten Werke von Gott vorbereitet sind (Eph 2,10) und dass seine Bewahrung vor dem Gerichtszorn Gottes allein Christi Verdienst ist (Röm 5,9). Es gilt, diese teure Gnade Gottes festzuhalten und die „billige“ Gnade (Bonhoeffer) zurückzuweisen, die dem Menschen die Vergebung nachwirft, ohne dass er seine Sündhaftigkeit vor Gott erkennt und bekennt.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 5. Juli 2017 um 20:44 und abgelegt unter Christentum weltweit, Gemeinde, Kirche, Theologie.