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Buchempfehlung: Gerhard Müller, Einsichten Martin Luthers – damals und jetzt. 2. Aufl. Martin-Luther-Verlag 2017; 356 Seiten, 19,00 Euro

Mittwoch 21. Juni 2017 von Administrator


Der emeritierte Erlanger Kirchenhistoriker Gerhard Müller kann zwei Jahre nach Erscheinen der 1. Auflage seines Lutherbuchs eine 2. erweiterte Auflage vorlegen. Auch sie ist dem Andenken an seine 2013 verstorbene Ehefrau gewidmet. Die Struktur des Buchs ist beibehalten, ein erster Teil behandelt Martin Luthers Werk, der zweite Teil benennt die Konsequenzen, die aus Sicht des Autors heute aus der Theologie Martin Luthers gezogen werden sollten. Der erste Teil wurde um vier Kapitel erweitert, die Luther als Bibelausleger, als Bibelbeurteiler, als Bestsellerautor und als Politiker beschreiben. Dem zweiten Teil wurde der Aufsatz „Haben Lutheraner besondere Schwierigkeiten mit Kirche?“ hinzugefügt. Außerdem hat die 2. Auflage ausführliche Personen-, Sach-, Orts- und Bibelstellenregister. Ebenso gibt es eine Aufstellung der zitierten Werke Luthers.

Das Buch ist einfach und auch für Nichttheologen gut verständlich geschrieben. Der Autor hat seine auf S. 201 erhobene Forderung beherzigt, dass man von Theologie so reden müsse, „dass sie wieder öffentlich beachtet wird“. Man spürt G. Müller ab, dass er sein langes Leben in Martin Luthers Schule gegangen ist. Das Buch will keine Lutherbiographie sein, sondern die wichtigsten und heute noch relevanten Profile des Menschen Luther herausstellen. Man lernt – jeweils mit vielen Zitaten belegt – den Theologen, den Polemiker, den Prediger, den Seelsorger, den Pädagogen und den Liturgiker sowie die eben erwähnten neu hinzugekommenen vier Profile Luthers kennen. Die heute umstrittenen Schriften Luthers zum Bauernkrieg und über die Juden sowie seine oft maßlose Papstkritik werden ausführlich und kenntnisreich dargestellt. Der Leser bekommt hier überraschende Informationen, wie z.B. den Hinweis, dass Luther 1531 seine scharfen gegen die Bauern gerichteten Schriften von 1525 bedauerte (S. 189). Auch der schlechte seelsorgerliche Rat Luthers an den hessischen Landgrafen Philipp von 1539 wird entsprechend kommentiert (S. 182ff). Den Seelsorger Luther lernt man kennen anhand seiner Schrift „Wie man beten soll, für Meister Peter Balbirer“ (1537) und der mehr bekannten Schrift über die „Vorbereitung auf das Sterben“ (1519). Im Kapitel über Luther als Bestsellerautor spielt naturgemäß die Bibel die Hauptrolle. Hier hätte man sich eine kurze Stellungnahme zur „Lutherbibel 2017“ gewünscht, die bei allem Ernstnehmen klassischer lutherischer Wortbildungen auch bibelkritische Auffassungen der Herausgeber widerspiegelt.

Der 2. Teil besticht durch seine Aktualität und Offenheit. Einen breiten Raum nehmen Reflektionen über die Kirche, das Bekenntnis und Reformansätze für die Kirche ein. Dort kann man solche Sätze wie „Macht ist für Kirche tödlich“ lesen (S. 202). Mit deutlicher Kritik am Kirchenbegriff Karl Barths arbeitet G. Müller die seiner Meinung nach unverzichtbare Unterscheidung von Gesetz und Evangelium heraus (S. 214ff). Auf S. 234 wird ein nicht allzu bekanntes Loblied Luthers auf die Kirche zitiert. Auch im Kapitel über die VELKD gibt es sehr lohnenswerte grundsätzliche Ausführungen über Luthers Kirchenbegriff. In die aktuellen innerkirchlichen Auseinandersetzungen über Ehe und Familie und Homosexualität greift der Autor in mehreren Kapiteln ein, in denen seine biblisch-reformatorische Position deutlich erkennbar ist. Erfrischend ist seine Definition eines „zeitgemäßen Bekenntnisses“: es müsse schriftgemäß sein.

Wer die vielen Facetten des Menschen und Theologen Luther von einem profunden Kenner dargestellt bekommen möchte, der ist mit diesem Buch bestens beraten. G. Müller verhehlt an keiner Stelle seine persönlichen Überzeugungen, aber seine Urteile sind geprägt von Altersweisheit, Ausgewogenheit und Liebe zum Reformator.

Pastor Dr. Joachim Cochlovius (Walsrode), 21.6.2017

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 21. Juni 2017 um 16:35 und abgelegt unter Buchempfehlungen, Rezensionen.