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Ist das Neue Testament vertrauenswürdig? Die Auferstehung von Jesus Christus aus der Sicht eines Historikers

Donnerstag 20. April 2017 von Dr. Jürgen Spieß


Dr. Jürgen Spieß

Die Auferstehung von Jesus Christus ist der Grund des christlichen Glaubens (1 Kor 15,14, „Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube eine Illusion“) und der christlichen Hoffnung (1 Petr 1,3, „wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu“). Im Gedenken an diese Auferstehung feiern die Christen weltweit jedes Jahr das Osterfest und in jeder Woche den Sonntag. Was kann ein (Alt-)Historiker über die Auferstehung von Jesus sagen? Da Geschichte nicht durch Versuche wiederholbar ist, arbeiten Historiker nicht wie Naturwissenschaftler, sondern wie Juristen. Sie rekonstruieren vergangene Ereignisse auf Grund von Quellen, Indizien und Zeugenaussagen; sie führen also einen „Indizienprozess“.

Welche Quellen und Zeugnisse gibt es nun für die Auferstehung Jesu?

Historisch ernst zu nehmen sind hier vor allem die Schriften des Neuen Testaments, d. h. die Evangelien, die Apostelgeschichte und auch die Briefe. Weiteres Material außerhalb des Neuen Testaments ist historisch nicht sehr ergiebig, abgesehen von einer sehr wichtigen Ausnahme: einer Notiz des römischen Geschichtsschreibers Tacitus (ca. 55–120 n. Chr.). Er äußert sich im Zusammenhang mit dem Brand Roms zur Zeit des Kaisers Nero auch über die Christen (sie wurden von Nero fälschlich als Brandstifter bezeichnet) und schreibt über sie: „Dieser Name stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“ (Tacitus, Annalen XV, 44). Das ist eine präzise Übereinstimmung mit der Überlieferung des Neuen Testaments.

Hatten die Autoren des Neuen Testaments überhaupt ein Interesse an historischen Fragen?

Den Schreibern des Neuen Testaments und den ersten Christen waren historische Fakten durchaus wichtig: z. B. können wir die Kreuzigung Jesu auf Grund historischer Angaben im Neuen Testament auf den 7. April 30 datieren. Im Glaubensbekenntnis wurde später als einziger Name neben dem von Jesus Christus und Maria der Name von Pontius Pilatus aufgenommen. „Gekreuzigt unter Pontius Pilatus“, d. h. nicht irgendwann, irgendwo, irgendwie, sondern zur Zeit der Statthalterschaft von Pilatus in Judäa (26–36 n. Chr.).

Hatten die Menschen in der Antike nicht andere Vorstellungen von historischer Wahrheit als wir heute?

Die Göttinger Althistorikerin Helga Botermann hat gezeigt („Der Heidenapostel und sein Historiker“, in: ThBeitr 24/2 (1993); auch im Internet unter  www.iguw.de), dass Lukas wie jeder (auch moderne) Historiker ein Bild von der Vergangenheit entwirft unter methodisch richtiger Benutzung der Quellen und mit dem Anspruch auf Wahrheit, nämlich die Dinge so darzustellen, wie sie gewesen sind. Seine Darstellung – wenige Jahrzehnte nach den Ereignissen abgefasst – beruht auf Augenzeugenberichten (Lk 1,2), und bei der Apostelgeschichte auch auf eigenen Erinnerungen.

Er schrieb für eine zeitgenössische Leserschaft, die aus Erzählungen oder aus eigener Kenntnis ein Urteil von den Dingen besaß. Es besteht also keine Veranlassung, seiner Geschichtserzählung von vornherein mit einem pauschalen Skeptizismus zu begegnen. Die Informanten des Lukas waren zugleich seine Kritiker. Das macht die Annahme von vornherein unwahrscheinlich, er hätte willkürlich seine Vorurteile und Intentionen der Geschichtserzählung aufpfropfen können. (Botermann)

Welche Indizien gibt es nun für die Auferstehung von Jesus?

Das leere Grab. Es wird in allen Evangelien überliefert. Dabei werden drei Gruppen von Zeugen genannt: Soldaten, die das Grab bewachen sollten, Frauen, die gekommen waren, um den Leichnam einzubalsamieren und die Jünger, die von den Frauen gerufen wurden.

Das leere Grab wurde in der Antike, in einer Zeit, da eine Nachprüfung noch möglich war, nicht bestritten. Umstritten war, wie es zum leeren Grab kam. Die verbreitete Behauptung, der Leichnam Jesu sei gestohlen worden (Mt 28,13), um eine Auferstehung vorzutäuschen, zeigt, dass auch die Gegner Jesu von der Leiblichkeit der Auferstehung ausgingen. Hätten die Anhänger Jesu nicht die Leiblichkeit der Auferstehung verkündigt, dann wäre die Behauptung vom Leichenraub sinnlos. Das Aufweisen des Leichnams hätte dann nichts bewiesen, sein Fehlen auch nicht. Es ist offensichtlich, dass die Juden die Auferstehungsbehauptung als ein Auferwecktwerden Jesu aus dem Grabe verstanden haben und offenbar konnten sie einen Leichnam nicht vorweisen (so der Berner Theologieprofessor Johannes Heinrich Schmid). Das Argument, dass der Leichnam noch im Grabe verwese, begegnet in der Überlieferung nicht. Eine solche Behauptung, wenn man sie hätte beweisen können, wäre sehr viel wirksamer gewesen als die Leichenraubhypothese (so der Neutestamentler Prof. Martin Hengel, Tübingen).

Im Grab zurück blieben Leinentücher und das zusammengefaltete Schweißtuch (Joh 20,4 ff.). Das spricht gegen einen Leichenraub, denn man wickelt einen Leichnam, den man rauben will, nicht vorher aus.

In neuerer Zeit wurde manchmal behauptet: „Das Grab war nicht leer“. Man argumentiert: Paulus wusste nichts vom leeren Grab, sondern das leere Grab findet sich nur in den Berichten der (nach Meinung vieler Theologen etwas später als die Briefe des Paulus verfassten) Evangelien wieder. Dazu ist zu sagen:

a. Wenn Paulus nichts über das leere Grab schreibt, dann heißt das nicht, dass er nichts davon wusste. Das ist ein logischer Fehlschluß. Vielleicht war die Tatsache des leeren Grabes ja zu seiner Zeit so bekannt, dass er nichts darüber schreiben musste.

b. In seinen Briefen äußert sich Paulus an keiner Stelle über die historischen Fragen der Auferstehung, wie es etwa die Evangelien tun. Er muss also auch nichts über das leere Grab schreiben. Die wichtigste Stelle, die wir trotzdem zu dieser Thematik in seinen Briefen finden, 1 Kor 15,1–10 (25 Jahre nach den Ereignissen verfasst), geht der Frage nach, wie ist das allgemein mit der Auferstehung der Toten? Und in diesem Zusammenhang schreibt Paulus: Wie kann es Leute geben, die sagen, es gäbe keine Auferstehung der Toten, wo doch Gott Jesus von den Toten auferweckt hat? Paulus setzt also die Kenntnis der Gemeinde von der Auferstehung Jesu voraus. An diese Kenntnis knüpft er in seiner Argumentation an. In diesem Zusammenhang nennt er auch Zeugen für die Auferstehung von Jesus.

c. In der Apostelgeschichte, die als historische Quelle grundlegend ist für den Rahmen einer Geschichte des Urchristentums (Botermann), äußert sich Paulus (Kapitel 13) zum Grab Jesu und stellt es in einen Gegensatz zum Grab Davids (das tat vor ihm auch schon Petrus, Apg 2,29–31): „David entschlief … und wurde zu seinen Vätern versammelt und sah die Verwesung. Der aber, den Gott auferweckt hat, sah die Verwesung nicht.“ (13,36 f.) Paulus wusste also durchaus etwas vom leeren Grab. Auch die Formulierung in 1 Kor 15,4 „begraben … auferweckt“ setzt doch wohl die Überzeugung eines leeren Grabes voraus.

Außerdem: Wenn das Grab nicht leer gewesen wäre, hätte sich die Verkündigung der ersten Christen über die Auferstehung von Jesus in Jerusalem nicht lange halten können.

Berichte über die Begegnungen mit dem Auferstandenen, werden in allen Evangelien, zu Beginn der Apostelgeschichte, aber auch in der schon zitierten Passage in 1 Kor 15 überliefert. Kann man das erfinden? Der jüdische Neutestamentler Pinchas Lapide hält das für undenkbar:

„Wenn die geschlagene und zermürbte Jüngerschar sich über Nacht in eine siegreiche Glaubensbewegung verwandeln konnte, lediglich auf Grund von Autosuggestion oder Selbstbetrug – ohne ein durchschlagendes Glaubenserlebnis –, so wäre das im Grunde ein weit größeres Wunder als die Auferstehung selbst.“

Für Lapide ist es besonders bemerkenswert, dass Frauen als erste Zeugen des Auferstandenen genannt werden. Denn damals galt das Zeugnis von Frauen nichts. („Das Zeugnis der Frau ist nicht rechtsgültig wegen der Leichtfertigkeit und Dreistigkeit des weiblichen Geschlechts“, so der jüdische Historiker Flavius Josephus (38–100 n. Chr.)). Was machte es dann also für einen Sinn, Frauen als Zeugen für ein nicht geschehenes Ereignis zu erfinden?

Der Vorgang der Auferstehung selbst wird nicht beschrieben. Niemand war Zeuge dieses Handelns Gottes. Die Autoren des Neuen Testaments lassen allerdings keinen Zweifel an der Leiblichkeit des Auferstandenen: „… ein Geist hat nicht Fleisch und Bein wie ihr seht, dass ich habe.“ (Lk 24,39) oder: „sie umfassten seine Füße.“ (Mt 28,9). Durch die Himmelfahrt Jesu kommen die Begegnungen mit dem Auferstandenen zu einem sichtbaren Abschluss.

Die Wirkungsgeschichte. Die Hoffnungen der Jünger waren mit dem Tod Jesu am Kreuz begraben worden. Einen Widerhall dieser tiefen Enttäuschung findet man in der Geschichte von den Emmausjüngern (Lk 24). Das leere Grab allein hatte bei ihnen keinen (Oster-)Jubel ausgelöst.

Die Jünger blieben aber trotz Spott, Verfolgung und Tod bei ihrer Verkündigung: „Gott hat den Jesus Christus, den ihr gekreuzigt habt, auferweckt“. Sie verkündigten diese Botschaft mitten in Jerusalem wenige Wochen nach der Kreuzigung (Apg 2). Von ihrer jüdischen Erziehung her waren die Jünger nicht darauf vorbereitet, dass der Messias sterben und dass Gott ihn auferwecken würde. Noch einmal Lapide:

„Solch eine nachösterliche Verwandlung, die nicht weniger real als plötzlich und unverhofft war, bedurfte wohl eines konkreten Grundes, der die Möglichkeit einer leiblichen Auferstehung keineswegs ausschließen kann. Eins dürfen wir mit Sicherheit annehmen: An ausgeklügelte Theologenweisheit haben weder der Zwölferkreis noch die Urgemeinde geglaubt.“

Waren die Menschen in der Antike leichtgläubiger als wir, die wir von der Aufklärung geprägt sind?

Als Paulus in Athen über die Auferstehung von Jesus (Apg 17) sprach, gab es anschließend drei Gruppen von Hörern: die Spötter, die sich auf Grund ihrer philosophischen Vorurteile (es gibt keinen Gott bzw. Gott will/kann nicht in die Geschichte eingreifen) so etwas überhaupt nicht vorstellen konnten; die Vertager, die meinten, man solle später auf die Sache noch einmal zurückkommen, und die Hörer, die zum Glauben an den auferstandenen Jesus kamen. Eine besondere Leichtgläubigkeit ist hier nicht erkennbar.

Fazit

Nach der historischen Überlieferung ist diese Auferstehung sehr gut bezeugt: Das leere Grab, die Begegnungen mit dem Auferstandenen, die Reaktion der Jünger. Die drei Hörergruppen von Athen wird es auch heute – nach der Aufklärung – geben, wenn über die Auferstehung von Jesus gesprochen wird.

Dr. Jürgen Spieß ist Althistoriker und war Leiter des Instituts für Glaube und Wissenschaft, Marburg.

Institut für Glaube und Wissenschaft, Marburg, www.iguw.de

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Verwendete und weiterführende Literatur:

Biddle, Das Grab Christi. Neutestamentliche Quellen – Historische und archäologische Forschungen – Überraschende Erkenntnisse, Gießen 1998.

Botermann, „Der Heidenapostel und sein Historiker“, in: Theologische Beiträge 24/2, 1993, 62–84.

H.-J. Eckstein/M. Welker (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Auferstehung, Neukirchen-Vluyn 2002.

Hempelmann, Jesus lebt – das Grab ist leer! Wie glaubhaft ist die Auferstehung?, Wuppertal 2002.

Hengel, „Das Begräbnis Jesu bei Paulus und die leibliche Auferstehung aus dem Grabe“, in: F. Avemarie/H. Lichtenberger (Hrsg.), Auferstehung – Resurrection, Tübingen 2001, 119–183.

Lapide, Auferstehung – Ein jüdisches Glaubenserlebnis, Stuttgart 21978. J. H. Schmid, Die Auferweckung Jesu aus dem Grab, Basel 2000.

Spieß, Ist Jesus auferstanden? Ein Historiker zur Auferstehung von Jesus Christus, Marburg 42011.

 

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 20. April 2017 um 11:53 und abgelegt unter Kirche, Theologie.