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Predigt über Lukas 7,36-50: „Ein bisschen Glauben gibt es nicht.“

Montag 20. März 2017 von Pfr. Ulrich Hauck


Pfr. Ulrich Hauck

Liebe Gemeinde!

„Ein bisschen Glauben gibt es nicht.“ Das ist der Titel eines Buches von Daniel Böcking. Er ist stellvertretender Chefredakteur von BILD.online. Er beschreibt darin seine persönlichen Erfahrungen, wie Gott sein Leben umgekrempelt hat. Daniel Böcking ist ein Mensch, der das Leben in vollen Zügen genossen hatte. Er sagt, er habe immer schon geglaubt, dass es Gott gibt. Aber er hatte keine Beziehung zu ihm. Es war, wie er selbst sagt, so ein „Individual-Glaube“, selbst so zu Recht gelegt, dass Gott nicht zu sehr in mein Leben eingriff.

Ein Nachdenken und eine Veränderung begann bei ihm dann 2010, wo er bei dem großen Erdbeben in Haiti, von BILD aus einen Hilfseinsatz organisierte und als Journalist berichtete. Dort begegnete er auch Ärzten, Schwestern und technischen Helfern, die bewusst als Christen unterwegs waren, um Menschen aus den Trümmern zu retten und zu helfen.

Beim morgendlichen Gebet im Helferkreis habe er betroffen dabei gestanden – habe sich nicht getraut den Mund aufzumachen, aber angefangen in seinem Herzen, im Geist mitzubeten, mit Gott zu reden. Das habe dann nach und nach dazugeführt, dass er noch und noch Fragen hatte nach Gott und dem christlichen Glauben, und dass er anfing in der Bibel zu lesen und auf Gott zu hören.

Das führte schließlich zu einer totalen Lebensveränderung und persönlichen Hingabe an Gott! Deshalb lautet der Titel seines Buches auch: „Ein bisschen Glauben gibt es nicht.“

So ein authentischer Lebensbericht ist tief beeindruckend!

In unserem heutigen Bibelabschnitt aus dem Lukasevangelium geht es auch um einen Menschen, der eine radikale Lebensveränderung erfahren hat, durch die Begegnung mit Jesus. Da kommt eine Frau zu Jesus, als er im Haus des Pharisäers Simon zu Gast ist. Lukas nennt sie eine „Sünderin“. Man muss wissen, dass das damals die Bezeichnung für eine „Hure“, eine „Prostituierte“ war.

Stellen wir uns diese Szene vor: Diese stadtbekannte Frau hat irgendwie Eingang in das Haus des Pharisäers gefunden, und naht sich nun Jesus. Sie tritt von hinten an Jesus heran – also in der Haltung einer Sklavin – nicht frei ihm gegenüber in die Augen sehend. Sie weiß, dass sie`s nicht wert ist. Sie schämt sich! Und sie weint! Sie weint so sehr, dass ihre Tränen herabströmen und Jesu Füße davon nass werden. Betroffen trocknet sie mit ihren langen Haaren Jesu Füße, küsst sie und salbt sie schließlich mit Öl – aus einem kleinen Gefäß!

Nun stellen sie sich vor, eine ähnliche Szene würde sich hier im Gottesdienst, in der Kirche vor dem Altar abspielen, dass jemand sein Herz so ungestüm ausschütten würde und seinen Tränen so freien Lauf ließe!

Den Meisten von uns wäre das peinlich. Solch ein gefühlsbetontes, emotionales Verhalten passt doch nicht in unseren Gottesdienst, würden wir wohl denken. Hier hat doch alles wohltemperiert und geordnet abzulaufen. Da ist wenig Platz für sichtbares Überwältigtsein und Begeisterung.

Und wie war Jesu Reaktion damals? Er lässt es sich gefallen. Er weicht nicht empört zur Seite. Er weist diese Frau nicht zurück! Im Gegenteil: Dieses emotionale, fast intime Verhalten dieser Frau findet seine ausdrückliche Zustimmung. Er stellt es als vorbildlich hin!

Genauso erstaunt, wie viele von uns, reagierte Simon, der Gastgeber, ein Pharisäer – also ein besonders religiöser Mensch. Er hatte Jesus zwar in sein Haus eingeladen – aber mit einem distanziert kritischen Interesse. Und er dachte bei sich selbst: Wenn Jesus wirklich ein Prophet wäre, ein Mann Gottes, dann hätte er solch eine nahe, persönliche Berührung durch eine Prostituierte doch gar nicht zugelassen. Oder Jesus hätte wenigstens versuchen müssen, dieser Frau ihren sündigen Lebenswandel klarzumachen und sie davon abzubringen; denn in der jüdischen Tradition der Rabbiner galt es als gute Tat, eine Hure von ihrem Tun abzubringen!

Und so ist Simon, dieser fromme Pharisäer empört, dass Jesus sich zunächst mit dieser Frau solidarisch zeigt. Das wirft kein gutes Licht auf Jesus! Und vielleicht schadet dieser Umgang von Jesus mit dieser Frau in meinem Haus auch meinem eigenen guten Ruf!

Simon zeigt hier menschlich und religiös nachvollziehbare Gedanken. Viele – auch heute – können ihn sicherlich ganz gut verstehen. Aber Simon sieht nicht richtig – nicht tief genug. Und auch wir Christen sehen manchmal zu oberflächlich. Dies und jenes gehört sich nicht. Dieses und jenes macht man nicht! Oftmals wird auch Moral und christlicher Glaube verwechselt. Und vielen ist es auch in ihrem Leben ganz recht, wenn sie nicht auffallen. Und so verhält man sich, wie es andere auch tun und wie es erwartet wird. Anpassen, nur nicht anders sein.

Jesus ist anders, er schaut mit anderen Augen. Er sieht bei dieser Frau tiefste Dankbarkeit, persönliche Betroffenheit und liebende Zuwendung. Diese Frau zeigt Jesus gegenüber Herz. Sie lässt ihn ihre Bewunderung, ihre Dankbarkeit, ihre ganze Liebe spüren!

Jesus sieht das. Er weiß sehr wohl zu unterscheiden zwischen menschlich-religiösem Verhalten und echter Glaubens- und Herzenshaltung. Und so erteilt Jesus ihr schließlich eine Generalabsolution. Er spricht sie frei, frei von ihren vielen Sünden und Verstrickungen. Er sagt vor aller Augen und Ohren: „Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“ Und Jesus spricht der Frau direkt zu: „Dein Glaube hat dir geholfen. Gehe hin mit Frieden!“

Ist das nicht ein großartiger Erweis der grenzenlosen Barmherzigkeit Gottes? Jesus hüllt diese „Sünderin“ ein in den Mantel der Vergebung und Liebe Gottes! Er erkennt ihr tiefes Weinen und ihre herzliche Zuwendung als vorweggenommene Dankbarkeit für Gottes Gnade und Barmherzigkeit. Jesus trat ihr nicht mit erhobenem, moralischem Zeigefinger, nicht mit Bloßstellung und Verurteilung gegenüber. Damit setzte Jesus diese von Sünde versklavte Frau frei. Diese Frau hatte eine tiefe Sehnsucht nach Heilung. Sie wusste, wie krank und elend ihr Leben war. Jesus hat sie herausgeholt aus dem Sumpf der Selbstverachtung – denn was war ihr „schmutziges Geschäft“ anderes als Selbstverachtung.

Wie viel Selbstverachtung gibt es auch heute, in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen? Wie viele Menschen wissen um ihr krankes, elendes Leben, selbst wenn nach außen hin oft ein schöner Schein ist und sie selbstbewusst auftreten. Es ist dann immer entscheidend, ob ein Mensch Sehnsucht nach Heil hat, ob er bereit ist, die Gnade Gottes zu suchen und anzunehmen oder ob er lieber in seiner alten Lebensweise verharrt, die ihn zerstört. Wer Sehnsucht nach Veränderung, Umkehr und Heilung hat, der kommt zu Jesus. Wer aber lieber sein hartes Herz behält und sein altes Leben fortsetzen will, der giert maximal nach religiöser Absegnung seines sündigen Verhaltens.

Diese Frau aber hatte echte Sehnsucht nach Heilung und einen ehrlichen Blick in den Spiegel, deshalb kam sie zu Jesus. Und das war ihr so wichtig, dass sie all ihren Mut zusammen nahm und ungebeten in das Haus des Simon vordrang. Und bei Jesus erlebte sie ihre Umkehr – aus ihrer „Selbstverurteilung“ zur „Annahme bei Gott“, aus der „Wertlosigkeit“ zur „Würde“, aus der „Verdammnis“ in die“ liebende Nähe Gottes“!

Die Begegnung mit Jesus hat diese Frau erst richtig liebesfähig gemacht. Genau das ist es, was auch Daniel Böcking in seiner persönlichen Begegnung mit dem lebendigen Gott erfahren hat – da ist tiefer Frieden in sein Herz und all seine Sinne gekommen! Einen Frieden wie ihn die Welt nicht geben kann, eine umfassenden Frieden mit Gott durch Jesus Christus. „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“, beschreibt der Apostel Paulus diesen SHALOM in Römer 8, 1.

Eine solche lebensverändernde Umkehr ist grundlegend für ein Christenleben. Die Abkehr vom alten Leben, ja vom eigenen selbstverliebten ICH und eine Hinwendung zum lebendigen Gott. Einmal mit seinem Leben vor Gott zusammenbrechen, auf den Knien vor Gott seine Schuld bekennen – und Gottes Vergebung, Gnade und Liebe zugesprochen zu bekommen und am eigenen Leibe zu erfahren, dieser tiefe Frieden mit Gott.

Das hat jene Frau damals im Haus des Simon erlebt. Das haben seither viele erlebt, so auch Daniel Böcking in seiner Lebenswende. Das war für ihn so tiefgehend, beglückend, und umfassend, dass er seinem Buch den Titel gegeben hat: “Ein bisschen Glauben gibt es nicht!“

Ich wünsche und bete, dass jeder mindestens einmal so seinem himmlischen Vater begegnet, am besten im Beisein eines Beichtvaters oder einer Beichtmutter.

Jesus wendet sich in unserem Text dann noch dem Simon zu und deutet ihm diese ganze Szene durch eine kleine Geschichte, ein Gleichnis: Zwei Leute haben bei demselben Gläubiger Schulden, die sie nicht bezahlen können. Der eine mehr, der andere weniger Schulden. Am Fälligkeitstag erlässt der Gläubiger beiden ihre Schulden!“ Und Jesus fügt die Frage hinzu: Wer von beiden wird ihn am meisten dankbar sein und ihn lieben? Natürlich der, der am meisten erlassen und geschenkt bekam – weiß Simon richtig zu antworten!

Beschämt muss sich Simon von Jesus sagen lassen: Diese Frau hier hat mehr geliebt als Du. Du bist mir sehr zurückhaltend, in kritischer Distanz, begegnet – nicht einmal die obligatorische Schüssel Wasser hast du mir an der Tür hingestellt, um meine vom Weg schmutzigen Füße zu waschen – geschweige denn, dass du mir einen Begrüßungskuss gegeben hättest – und hast mir schon gar nicht mein Haupt mit Öl gesalbt, aber diese Frau hat mich überschüttet mit ihrer liebenden Zuwendung!

Wo und wie ist diese Geschichte von Simon auch meine und deine Geschichte? Frage dich selbst:

  • Wie steht es um die Liebe zu Jesus in meinem Leben?
  • Wie ist meine Beziehung zu Gott?
  • Wie und mit wem gestalte ich mein Leben? Oder besser gefragt: Von wem lasse ich mein Leben gestalten?
  • Habe ich diesen Schritt der Lebensübergabe an Christus schon getan oder versuche ich immer noch ohne auszukommen?
  • Habe ich mich unter das Kreuz des Christus gebeugt und seine Erlösung und Vergebung für mein Leben angenommen?
  • Bin ich wirklich begeistert davon, was Gott mir in Jesus geschenkt hat? Lebt Jesus in mir und ich in ihm? Wohnt sein Heiliger Geist in mir und bin ich erfüllt von dem SHALOM und habe ich diesen tiefen Frieden mit Gott?
  • Wenn ja, dann weiß ich, in tiefer Dankbarkeit, wie viel mir vergeben ist und wie vergebungsbedürftig ich Tag für Tag bin?
  • Wenn ja, dann sehe ich mit den tiefer sehenden Augen Jesu, mit seinem Erbarmen meine Mitmenschen an?

Jesus liebt jeden einzelnen von uns so sehr, dass er heute Morgen unseren Mangel an Liebe, an herzlicher Hingabe und Begeisterung aufdecken will.

Wo ist unter uns herzliche Liebe, echte persönliche Zuwendung – zu Jesus und auch untereinander? Lieben wir wirklich Gott mit Herzen, Mund und Händen – also mit unserer ganzen Person? Freuen wir uns von Herzen an Gott und seiner Gnade in Jesus Christus? Leitet uns diese Liebe und Freude in Lob und Dank und Anbetung Gottes – auch in unserem täglichen Beten und Bibellesen?

Vergessen wir nicht: Alles, was Gott will und tut entspringt seinem brennenden Verlangen nach uns Menschen – ja selbst wenn wir durch tiefe Krisen und Nöte gehen müssen. Die Wahrheit ist: Wen Gott liebt, den züchtigt er, d.h.den beschneidet er und zieht ihn durch alles hindurch an sein Vaterherz – auch wenn es uns weh tut und wir es nicht verstehen.

Deshalb hat Jesus auch den Sinn aller Gebote zusammen gefaßt in dem Doppelgebot der Liebe. Er sagt: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit aller deiner Kraft und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Glaube ist eine Liebesbeziehung, die Liebe zum dreieinigen Gott ist das Höchste und Wertvollste im Leben.

Von der Liebe Gottes, in der er uns in Jesus Christus sucht, wissen viele Menschen in ihrem Kopf, aber wie schwer fällt es vielen, in ihrem Herzen zu erfassen, dass Gott uns wirklich liebt? Als Martin Luther im Kloster unter seinem Sündenbewußtsein, unter Anfechtungen und Zweifeln litt, hat sein Seelsorger, sein Ordensoberer Staupitz ihm geraten: „Lieber Martin, schau im Geist, im Glauben immer wieder auf Christus am Kreuz. Der hat alles für dich vollbracht!“ So fand Luther zur Gewißheit im Glauben und zum Frieden mit Gott!

Das Kreuz Jesu Christi ist unser Heil! Dein Heil! Sonst nichts!

Diese befreiende Glaubenserfahrung und beglückende Gewißheit hat der Apostel Paulus in Römer 8 so einzigartig ausgedrückt: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder etwas in der Höhe noch etwas in der Tiefe noch irgendeine Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn!“

Diese befreiende Glaubenserfahrung zu leben und an andere weiterzugeben, ist eine lebenslange Aufgabe. Schwierige Lebensumstände und böse Gegebenheiten in dieser Welt wollen das manchmal hindern. Der Teufel versucht immer wieder Menschen von Gott fernzuhalten oder abzubringen. Er will unseren Blick von Jesus weglenken und uns mit Alltäglichem ablenken.

Deshalb ist es gut, mehr und mehr miteinander zu lernen im Glauben auf Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, zu schauen, der alles überwunden hat und über alles triumphiert. Jesus ist Sieger – und auch wir dürfen im Glauben an ihm dranbleiben und mit ihm durch alle Finsternis dieser Welt und den Tod gehen und überwinden. An Ende werden die Überwinder in den Himmel aufgenommen und mit weißen Festkleidern angetan!

Jesus lebt! Mit ihm auch ich! In der festen Glaubensüberzeugung: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder etwas in der Höhe noch etwas in der Tiefe noch irgendeine Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn!“

Amen.

Pfarrer Ulrich Hauck, 19.3.2017, Predigt in der Prot. Kirchengemeinde Landau-Mörzheim beim gemeinsamen Gottesdienst des Gemeindehilfsbundes und des Netzwerkes bekennender Christen in der Pfalz (NbC).

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 20. März 2017 um 9:05 und abgelegt unter Predigten / Andachten.