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Wesen und Bedeutung der Engel. Biblische Einblicke

Samstag 10. Dezember 2005 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Wesen und Bedeutung der Engel. Biblische Einblicke

Einführung

Wer durch christliche Buchhandlungen geht, kann feststellen, daß Bücher über Engel derzeit Konjunktur haben. Ps. 91,11 ist seit Jahren ein gern gewählter Taufspruch: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen“. Die Vorstellung, daß bei besonderen Bewahrungen ein persönlicher Schutzengel mitgewirkt hat, ist sehr verbreitet, sogar unter Nichtchristen. Luthers Morgen- und Abendsegen, die beide einen Hinweis auf den Engel Gottes enthalten, wurden in das 1994 herausgekommene Evangelische Gesangbuch aufgenommen: „Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde“. Das sind Gründe genug, das biblische Zeugnis über die Engel neu zu bedenken.

Was sind Engel?

Nach dem biblischen Zeugnis sind Engel besondere Geschöpfe, die ein personales Wesen haben, also über Leib, Seele und Geist verfügen. Sie gehören der unsichtbaren Welt an. Die Zweckbestimmung ihrer Existenz muß christologisch bestimmt werden: Sie sollen Christus dienen, der sie erschaffen hat. „Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seinen Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen“ (Kol. 1,16). Der Begriff „Engel“ kommt von griech. angelos, was Bote oder Gesandter heißt. Die Bibel gliedert die Engel in verschiedene Kategorien und schreibt ihnen unterschiedliche Funktionen zu.

Kategorien der Engel

Zunächst sind die Thronengel zu nennen, die Gott in seinen himmlischen Thronsälen umgeben. Solche Thronengel schaute Jesaja bei seiner Berufung zum Propheten (Jes. 6,2f.). Auch Hesekiel (Hes. 1,5ff.) und Johannes (Offenb. 4,6ff.) schauen diese Thronengel. Nach ihren Gestalten zu urteilen, scheinen sie die gesamte Kreatur vor Gott zu repräsentieren.

Die Johannesoffenbarung gibt ferner einen Einblick in die himmlischen Engelscharen und Engelchöre. Wenn es in den apokalyptischen Ankündigungen Jesu heißt, daß der Menschensohn zusammen mit seinen Engeln auf die Erde kommen wird (Mk. 8,38; Mt. 13,41f.; 2. Thess. 1,7), dann sind die Engelscharen gemeint. Der alttestamentliche Begriff „Jahwe Zebaoth“ (Herr der Heerscharen) meint wahrscheinlich diese Engelscharen.

Der Prophet Daniel gibt Aufschluß über die Existenz von Völkerengeln. Michael ist im Danielbuch der Engelfürst Israels (Dan. 10,21), außerdem wird ein Engelfürst Persiens genannt (Dan. 10,13). In der Johannesoffenbarung kämpft Michael mit seinen Engeln gegen Satan und dessen Engel (Offenb. 12,7ff.).

Der Engel des Herrn. In 1. Mose 16,7 findet dieser Engel die fliehende Hagar, in 1. Mose 22,11ff. ruft er Abraham zweimal „vom Himmel her“, in 1. Mose 32,23ff. ringt ein geheimnisvoller Mann mit Jakob am Jabbok, welcher nach allen dort berichteten Attributen der Engel des Herrn war. Ferner wird das fliehende Volk Israel vom Engel des Herrn am Schilfmeer geschützt, er tritt Bileam entgegen, und er hilft dem fliehenden Elia. Der Engel des Herrn scheint eine unmittelbare Verkörperung Gottes zu sein, jedenfalls lassen einige der genannten Texte keine Unterscheidung zu. Nach G. Kittel (ThWNT Bd. 1, S. 75) ist dieser Engel „Organ des besonderen Gnadenverhältnisses Jahwes zu Israel“.

Gefallene Engel

Schon der Schöpfungsbericht zeigt Satan als gefallenen Engelfürsten, der die Menschen zur Auflehnung gegen Gott verführt. Die geheimnisvolle Stelle aus der Urgeschichte 1. Mose 6,1-4 berichtet vermutlich von einem vorsintflutlichen Engelfall. Engel verkörperten sich in Menschengestalt und vergewaltigten Frauen, so daß Engel-Mensch-Mischwesen entstanden. Paulus weist auf die „Mächte und Gewalten“ hin, die als böse Geister über die Finsterniswelt herrschen, und er meint damit zweifellos gefallene Engelwesen (Eph. 6,12). Endgültig wird Satan mit seinen Engeln während der letzten Zeitphase unmittelbar vor der Wiederkunft Christi aus den Thronsälen Gottes vertrieben (Offenb. 12,7ff.).

Funktionen der Engel

Nach den schon erwähnten Visionen Jesajas, Hesekiels und des Apostels Johannes zu urteilen, zelebrieren die Thronsaalengel und die himmlischen Engelscharen und -chöre eine ewige Liturgie im Angesicht Gottes. Nach altkirchlicher Auffassung, die sich in den großen Weltkirchen bis heute erhalten hat, stimmt die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde in ihrer Liturgie in diesen ewigen Lobgesang der Engel ein. Dies kommt im Lobgebet (der sog. Präfation) im Rahmen der Abendsmahlsliturgie zum Ausdruck.

Engel sind ferner Gesandte und Interpreten göttlicher Botschaften. Schon Jakob schaute in seiner Vision der Himmelsleiter (1. Mose 28) Engel als Botschafter Gottes. Daniel empfängt von Gabriel nach seinem großen stellvertretendem Bußgebet einen Einblick in Gottes Heilsplan bis hin zur Wiederkunft Christi (Dan. 9,20-27). Im Zusammenhang der Weihnachtsgeschichte und der Auferstehungsberichte agieren besondere Botschafter-Engel. Philippus erhält vom Engel des Herrn den Befehl, von Jerusalem in Richtung Gaza zu laufen, um dort dem Minister aus Äthiopien zu begegnen (Ag. 8,26). Dort, wo Menschen göttliche Botschaften nicht verstehen können, interpretieren Engel den Inhalt. Diese Funktion von Engeln finden wir besonders beim Propheten Daniel und in der Johannesoffenbarung.

In vielfältiger Weise treten Engel als Helfer in Aktion. Israel erfährt am Schilfmeer auf diese Weise göttliche Hilfe (2. Mose 14,19ff.), Elia auf der Flucht (1. Kön. 19,4-8), Daniels Freunde im Feuerofen (Dan. 3,28), Daniel in der Löwengrube (Dan. 6,23). Auch die Apostel erfahren durch Engel entscheidende Hilfe. So wird z.B. Petrus zweimal vom Engel des Herrn aus dem Gefängnis befreit (Ag. 5,9ff. und 12,7ff.).

Engel sind auch als Gerichtsvollstrecker tätig. Als David sein Kriegsheer zählen ließ und sich damit gegen Gott versündigt, schlug der Engel des Herrn 70000 Mann mit der Pest (2. Sam. 24,15f.). Als der assyrische König Sanherib Jerusalem belagerte und Hiskia zu Gott um Errettung flehte, schlug der Engel des Herrn im Lager der Assyrer 185000 Mann (2. Kön. 19,35). Der gottlose König Herodes Agrippa wird ebenfalls vom Engel des Herrn geschlagen (Ag. 11,23). Wenn Christus wiederkommt, wird er zusammen mit seinen Engeln die Gottlosen richten (Mt. 13,41f.; 25,31; 2. Thess. 1,7f.). In der Johannesoffenbarung sind ebenfalls zahlreiche Engel an den endgeschichtlichen Gerichten beteiligt.

Aktuelle Fragen zu den Engeln

Stehen die Engel oder die Menschen höher? Nach dem Schöpfungsbericht sind nicht die Engel, sondern die Menschen nach Gottes Bild erschaffen und dazu berufen, in dieses Bild hineinzuwachsen. Das ist eine einmalige Auszeichnung der Menschen. Nach Ps. 8,6 ist der Mensch wenig niedriger gemacht als Gott und soll mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt werden. Eine solche Aussage wird nicht über die Engel gemacht. Die gefallenen Engel werden von den erlösten Gotteskindern gerichtet werden (1. Kor. 6,3). Die Thronengel müssen ihr Angesicht vor Gott verhüllen. Der durch Christus erlöste Mensch darf die Herrlichkeit Gottes erkennen, jetzt im Glauben, dann im Schauen (2. Kor. 3,18; Röm. 8,17ff.).

Dürfen Engel verehrt oder angebetet werden? In der Gemeinde in Kolossä traten Leute auf, die sich ihrer Engelsanbetung und ihrer Engelsvisionen rühmten. Paulus warnt eindrücklich vor solchen Auffassungen und Praktiken, weil sie sich nicht an Christus als dem Haupt der Gemeinde orientieren (Kol. 2,18f.). Johannes wird in Offenb. 22,9 ermahnt, ausschließlich Gott und keinen Engel anzubeten. Eine irgendwie geartete Engelverehrung kann also für Christen nicht in Frage kommen.

Gibt es persönliche Schutzengel? Nach dem Zeugnis der Bibel treten Engel dort in Aktion, wo Gott seinen Heilsplan mit seinem Volk Israel, mit Christus und mit den Aposteln umsetzt. Straf- und Gerichtsengel erscheinen dort, wo Menschen und Mächte versuchen, sich diesem Plan zu widersetzen. Davon, daß jeder Christ einen persönlichen Schutzengel hat, wie es z.B. die Röm.-Kath. Kirche lehrt (Katechismus der Kath. Kirche, Abschnitt 336), weiß die Bibel nichts. Die manchmal als Beleg herangezogenen Stellen meinen etwas anderes. In Mt. 18,10 ist vermutlich der Hinweis auf die „Kleinen“ ein Hinweis auf die Jünger. In Ag. 12,15 handelt es sich um eine bloße Annahme der versammelten Gemeinde. Eine allgemeine Schutzengellehre ist aus diesen Stellen nicht zu gewinnen. Christen haben in Jesus Christus „Leben und volle Genüge“ (Joh. 10,10). Damit haben sie den besten Lebensschutz, den es überhaupt geben kann.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 10. Dezember 2005 um 19:17 und abgelegt unter Theologie.