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Der Papst und das Doppel-Tabu Asia Bibi und Islam

Freitag 8. April 2016 von Katholisches.info


Katholisches.info

Papst Franziskus schweigt zum Fall Asia Bibi und das eisern seit Beginn seines Pontifikats. Die fünffache, katholische Familienmutter sitzt seit bald sieben Jahren in Pakistan im Gefängnis. 2010 wurde sie wegen Beleidigung des Islams zum Tode verurteilt. Doch obwohl Asia Bibi wegen ihres Glaubens verfolgt wird und schon mehrere Bittbriefe an den Papst geschrieben hat, schweigt Franziskus. “Jedesmal, wenn es um den Islam geht, ist Franziskus extrem vorsichtig, aber zu Pakistan ist seine Zurückhaltung maximal“, so der Vatikanist Sandro Magister.

Das „sinnlose“ Blut-Ostern von Lahore

Zum Blut-Ostern von Lahore sprach Papst Franziskus beim Regina Caeli am Ostersonntag nur mit äußerster Vorsicht. Jedes Wort war genau abgewogen und schriftlich vorgefertigt. Mit Bedacht vermied das katholische Kirchenoberhaupt, die islamischen Täter beim Namen zu nennen. Er bezeichnete das Attentat lieber als „sinnlos“, um nicht gegen den Sinn Stellung nehmen zu müssen, den ihm die Attentäter sehr wohl gegeben haben.

„Auf diese Weise unterwarf er sich den Regeln jener minimalistischen Diplomatie, die traditionell die Schritte des Heiligen Stuhls auf vermintem Boden lenkt“, so Magister. Die Zurückhaltung ist nicht unbegründet. Sie wird von der Sorge diktiert, die Christen Pakistans und auch anderer Länder keinen zusätzlichen Gefahren auszusetzen.

Ein einziges Mal wagte Papst Franziskus ein deutlicheres Wort, als er im April 2015 den Völkermord an den Armeniern beim Namen nannte und damit die Türkei irritierte – und das eigene Staatssekretariat. Letzteres brauchte Monate, um die türkischen Behörden zu beruhigen.

„Zu Pakistan ist der Papst noch zurückhaltender und schweigsamer als sonst“, so Magister. Die Christen dieses Landes sind darüber enttäuscht. Das Dossier Pakistan im Staatssekretariat gehört „zu den umfangreichsten und schmerzlichsten“. Nichts davon taucht aber im Reden und Handeln des Papstes auf. Die wenigen, knappen Ausnahmen sind meist durch äußeren Zwang diktiert.

Die zwölf Sekunden mit dem Mann und einer Tochter von Asia Bibi

Die flüchtige Begegnung von Papst Franziskus mit dem Ehemann und der jüngsten Tochter von Asia Bibi

Emblematisch für dieses Schweigen waren die zwölf Sekunden – “nicht eine mehr”, so Magister –, die Papst Franziskus am 15. April 2015 auf dem Petersplatz mit dem Ehemann und der jüngsten Tochter von Asia Bibi zusammentraf.

Es war nur eine flüchtige Begegnung am Rande der Generalaudienz und getrennt durch die Absperrungen. Für Pressefotos reichte es. Sie vermittelten den Eindruck einer tatsächlichen Begegnung und weckten Hoffnung. Das Video hingegen hielt die Flüchtigkeit des Augenblicks fest. Der Papst wirft gerade einmal einen kurzen Blick auf die katholischen Bittsteller aus Pakistan, die Franziskus um Hilfe baten für eine Ehefrau, eine Mutter und Katholikin, die seit 2010 in der Todeszelle sitzt.

„Franziskus blieb nicht stehen. Er hörte ihnen nicht zu und segnete sie auch nicht. Das Mädchen blickte über soviel Kälte erstaunt an“, so Magister. „Es lief alles ab, als würde der Name Asia Bibi dem Papst nichts sagen.“

Am 17. November 2010, wenige Tage nach dem Todesurteil gegen Asia Bibi, forderte Papst Benedikt XVI. öffentlich ihre Freilassung. Das war das erste und letzte Mal, daß ein Papst sich öffentlich äußerte. Damals kam es zu blutigen Gegenreaktionen durch islamische Gruppen. Seit Asia Bibis Verhaftung stehen die meisten antichristlichen Gewalttaten in Pakistan in einem Zusammenhang mit ihrem Fall, einschließlich das blutige Oster-Massaker 2016, das 74 Tote und 350 Verletzte forderte. Der Großteil von ihnen sind Frauen und Kinder und vor allem Christen.

Mäßiger Einsatz der „Zivilgesellschaft“: Asia Bibi ist Christin, und es geht um den Islam

Am 19. Juni 2009 wurde Asia Bibi verhaftet. Am 11. November 2010 wurde sie zum Tode verurteilt wegen Beleidigung des Islam. Seither war die internationale Staatengemeinschaft nicht imstande, ihre Freilassung zu erwirken. Als Katholikin und wegen des Islams findet Asia Bibi nicht jene Unterstützung der tonangebenden Kräfte der sogenannten „Zivilgesellschaft“, die sie nötig hätte und verdienen würde. Im Westen ist in den tonangebenden Kreisen eine latente Abneigung gegen das Christentum und ein verordnetes Kuschen vor der Radikalität des Islams vorherrschend. Eine gefährliche Mischung, die für die Betroffenen Tod, Schweigen und Kälte bedeutet. Auch einer kampagnengeübten Organisation wie Amnesty International fiel zum Fall Asia Bibi bisher wenig ein.

Der Gouverneur des Punjab, Salmaan Taseer, ein Moslem, und der Minderheitenminister Pakistans, Shahbaz Bhatti, ein Katholik, haben sich für Asia Bibi eingesetzt und ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt. Taseer wurde am 4. Januar 2011 von einem seiner eigenen Leibwächter, Mumtaz Qadri, erschossen. Zwei Monate später, am 2. März, wurde Bhatti ermordet. Papst Benedikt XVI. kannte Bhatti persönlich. Im September des Vorjahres war er mit ihm in Rom zusammengetroffen und hatte seine Ernsthaftigkeit und seinen Glauben schätzen gelernt. Bereits 2005 hatte Bhatti sein geistiges Testament veröffentlicht: „Für Christus will ich sterben.“

Die Worte von Papst Benedikt XVI.

Am 10. Januar 2011, kurz nach der Ermordung Taseers und noch vor dem Attentat auf Bhatti sprach Papst Benedikt XVI. in seinem jährlichen Empfang für das Diplomatische Corps folgende Worte:

“Unter den Normen, die das Recht der Menschen auf Religionsfreiheit verletzen, muß das Gesetz gegen Blasphemie in Pakistan besondere Erwähnung finden: Ich ermutige die Verantwortungsträger dieses Landes erneut, die nötigen Anstrengungen zu unternehmen, es aufzuheben, um so mehr, da es offensichtlich als Vorwand dient, um Ungerechtigkeit und Gewalt gegen die religiösen Minderheiten zu provozieren. Der tragische Mord am Gouverneur der Provinz Punjab zeigt, wie dringend es ist, in diesem Sinn voranzugehen: Die Verehrung Gott gegenüber fördert Brüderlichkeit und Liebe, nicht Haß und Entzweiung.“

Der Bruder von Shahbaz Bhatti, Paul Bhatti, der selbst pakistanischer Minister wurde, bemüht sich immer wieder auf nationaler und internationaler Ebene für Asia Bibi und die Religionsfreiheit zu mobilisieren.

In Pakistan gründete er die All Pakistan Minorities Alliance und kämpft dafür, die Koranschule einigermaßen unter Kontrolle zu bringen, die zum Haß gegen die Christen und andere religiöse Minderheiten aufwiegeln, und für die Abschaffung des Anti-Blasphemiegesetzes, das Asia Bibi ins Gefängnis brachte und seinen Bruder das Leben kostete.

„Ich schreibe aus einer Zelle ohne Fenster“

Ein Erfolg dieses Einsatzes ist das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. Juli 2015, der eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Asia Bibi anordnete. Unterdessen sitzt sie aber weiterhin mit ungewisser Zukunft im Gefängnis. Von dort aus erhebt die die Stimme für ihre Unschuld. Dazu gehören vor allem Briefe an das katholische Kirchenoberhaupt. Im ersten Brief vom Dezember 2012 bedankte sie sich bei Papst Benedikt XVI. für seinen Einsatz zu ihren Gunsten. Der Brief beginnt mit den Worten: „Ich schreibe aus einer Zelle ohne Fenster…“.

Es folgten zwei persönliche Briefe an Papst Franziskus, auf die sie nie eine Antwort erhielt.

Seit 2010 befindet sich Asia Bibi in einem gesonderten Hochsicherheitstrakt in Isolationshaft. Das bedeutet für sie großen psychologischen Druck. Andererseits ist ihr Leben auch im Gefängnis bedroht. Islamische Gruppen haben ein Kopfgeld für ihre Ermordung ausgesetzt. Sogar ihr Essen wird regelmäßig kontrolliert, um zu verhindern, daß sie vergiftet wird.

Mumtaz Qadri, der Mörder von Salmaan Taseer ist für Islamisten ein „Nationalheld“. Nach ihm wurde bereits eine Moschee benannt

Nicht nur für Asia Bibi hat sich 2009 das Leben radikal verändert. Das Gleiche gilt auch für ihren Mann und die fünf Kinder Imran, Nasima, Isha, Sidra und Eishan, die den Vater zu Papst Franziskus begleitete. Die Familie lebt seit Jahren versteckt. Aus Sicherheitsgründen wird ihr Aufenthaltsort geheimgehalten.

Wie notwendig das ist, zeigte sich am vergangen 29. Februar, als Mumtaz Qadri, der Mörder von Salmaan Taseer hingerichtet wurde. Islamische Gruppen organisierten in zahlreichen Städten gewalttätige Proteste. Für sie ist Qadri ein „Nationalheld“. Islamistengruppen forderten von der Regierung, die Pistole, mit der er Taseer erschossen wurde, öffentlich zu verteigern, denn sie sei „heilig“. Das Sunni Ittehad Council bot umgehend eine Million Dollar für die Pistole, die vergoldet werden sollte.

Massaker an den Christen

Und jedesmal fordern diese Gruppe lautstark die Hinrichtung von Asia Bibi. Am Ostersonntag versuchten 30.000 Moslems die Sperrzone zum Regierungsviertel von Islamabad zu durchbrechen. Am Nachmittag desselben Tages zündete ein Islamist auf dem Kinderspielplatz Gulshan-i-Iqbal der Stadt einen Sprengsatz und rieß so viele Frauen und Kinder mit in den Tod. Sein Attentat richtete sich gegen das Osterfest. Der Tag war erstmals von der Regierung zum Feiertag erhoben worden. Die Frauen und Kinder nützen den freien Tag für Spiele.

Zum Attentat bekannte sich die islamische Organisation Jamaat-ul-Ahrar, eine Fraktion von Tehrik-i-Taliban Pakistan (Bewegung der pakistanischen Taliban). Die Terrorgruppe sprach von einem gezielten Angriff gegen die Christen, die Ostern feiern.

In der Vergangenheit gab es bereits mehrere solcher antichristlicher Massaker. Am 22. September 2013 wurden in Peschawar 126 Christen getötet, am 15. März 2015 in Yuhannabad 26 Christen. Die Zahl der Verletzten war jeweils noch größer. Allein in Yuhannabad gab es 30 Schwerverletzte, die lebenslang an den Folgen des Attentats leiden werden. Wie der Namen bereits erkennen läßt, ist Yuhannabad mit 200.000 Einwohnern ein mehrheitlich von Christen bewohnter Stadtteil von Lahore.

Alle drei Massaker von 2013, 2015 und 2016 fanden an einem Sonntag statt, dem heiligen Tag des christlichen Gottes.

Papst Franziskus wird Pakistan nicht besuchen

Erst am 31. März beendeten die Islamisten ihre Straßenproteste mit der Begründung, sie hätten von der Regierung die Zusage erhalten, daß Asia Bibi demnächst durch den Strang hingerichtet werde. Die Regierung dementierte, dennoch herrscht Unruhe unter den Christen des Landes.

Am vergangenen 2. März traf Papst Franziskus am Ende der Generalaudienz kurz mit zwei pakistanischen Bundesministern zusammen. Es handelte sich um den Minister für Häfen und Schiffahrt, Kamran Michael, einen Katholiken, und den Minister für religiöse Angelegenheiten, Sardar Muhammad Yousaf, einen Moslem. Sie überbrachten dem Papst eine Einladung von Premierminister Nawaz Sharif, Pakistan zu besuchen.

Beide Minister interpretierten die Reaktion des Papstes als ein „Ja“. Schnell verbreitete sich das Gerücht, Franziskus könnte auf dem Weg zur Heiligsprechung von Mutter Teresa in Kalkutta im kommenden September in Pakistan haltmachen. Vatikansprecher Pater Federico Lombardi SJ dementierte jedoch:Papst Franziskus werde in diesem Jahr weder nach Pakistan noch nach Kalkutta reisen.

Die Familie von Asia Bibi wurde 2009 von anderen Christen unter Lebensgefahr aus ihrem Heimatort Ittanwali zunächst nach Lahore gebracht. In einer Großstadt ist es leichter anonym zu bleiben. Doch auch dort wurden sie bald ausfindig gemacht und bedroht. Mehrere Ortswechsel folgten. Asia Bibis Mann kann seit Jahren keiner Arbeit nachgehen. Seit einem Jahr lebt er mit den fünf Kindern in einem Gebäude der christlichen Renaissance Education Foundation.

Direktor der Stiftung ist Joseph Nadeem, der Mann mit der orangen Krawatte rechts von Asia Bibis Tochter auf dem Photo mit Papst Franziskus. „Auf spanisch versuchte er vergeblich dem Papst zu sagen, wer der Mann und das Mädchen sind. Es gelang ihm aber, Franziskus das Dossier über Asia Bibi in die Hand zu drücken, das er für das katholische Kirchenoberhaupt zusammengestellt hatte“, so Magister.

Settimo Cielo/Giuseppe Nardi

Quelle: www.katholisches.info

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 8. April 2016 um 9:37 und abgelegt unter Christentum weltweit, Weltreligionen.