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Was kann die Gemeinde heute von Dietrich Bonhoeffer und der Bekennenden Kirche lernen?

Donnerstag 16. April 2015 von Prof. Dr. Rainer Mayer


Prof. Dr. Rainer Mayer

„Wenn nicht alles tĂ€uscht, so stehen wir heute in einem Glaubenskampf, einem Kirchenkampf, gegenĂŒber dem der Kirchenkampf im ‚Dritten Reich‘ nur ein Vorhutgefecht war. Das Unheimliche dabei ist, daß dieser heutige Kirchenkampf vielfach kaum erkannt, ja allermeist verharmlost wird und unter Tarnworten wie ‚Pluralismus‘ voranschreitet.“

– Bischof Hermann Dietzfelbinger (1908-1984) als EKD-Ratsvorsitzender am 19. Februar 1971 vor der EKD-Synode in Berlin-Spandau – [1]

1.  Erkennen

Diese Worte des frĂŒheren Bayrischen Landesbischofs sind heute nicht weniger aktuell und treffend als zu seiner Zeit.

Das GefĂ€hrliche, das Unheimliche, das der Bischof benennt, ist die schleichende, verdeckte Entwicklung. Deshalb wird sie vielfach verharmlost, nicht erkannt oder gar abgestritten. Man gewöhnt sich langsam, Stufe fĂŒr Stufe an die verĂ€nderte Situation, man reagiert nicht, bis schließlich QuantitĂ€t in eine neue QualitĂ€t umschlĂ€gt.

Ein gutes Beispiel dafĂŒr ist ja die Geschichte vom Frosch und dem heißen Wasser: Wirft man einen Frosch in heißes Wasser, dann hĂŒpft er, so schnell er kann, wieder heraus. – Setzt man ihn jedoch in einen Topf mit normal temperiertem Wasser und erhitzt dann das Wasser langsam immer ein wenig mehr, bleibt er sitzen, bis er zuletzt im kochenden Wasser verendet.

Es geht also darum, Entwicklungen rechtzeitig wahrzunehmen und rechtzeitig angemessen zu reagieren. Es gibt ein „zu spĂ€t“!

Aus der Geschichte kann man lernen, aber Geschichte wiederholt sich nicht exakt gleich, allenfalls Ă€hnlich. Aus der Geschichte des Kampfes der Bekennenden Kirche (BK) und des Weges von Dietrich Bonhoeffer können wir viel lernen, doch es gibt auch Unterschiede, die zu beachten sind. Auf diese Unterschiede spielt Bischof Dietzfelbinger an, wenn er feststellt, dass die Entwicklungen heute viel verdeckter verlaufen als zur Zeit des „Dritten Reiches“.

Der Hauptunterschied besteht nĂ€mlich darin, dass der Angriff auf die Kirche damals von außen, vom Staat her geschah. Deshalb kam es dann auch recht bald zur großen Scheidung innerhalb der Kirche, indem die einen sich der staatlichen Ideologie anpassten und mitliefen, die anderen aber am Wort Gottes festhielten und in den Widerstand gingen. Der Angriff von außen war damals unĂŒbersehbar. – Heute kommt der Angriff auf die verfasste Kirche nicht vom Staat her. Im Gegenteil: Auf der oberen Ebene von Kirchenleitungen, Diözesen, EKD und katholischer Bischofskonferenz herrscht derzeit weitgehendstes Einvernehmen mit staatlichen Institutionen. Bei reprĂ€sentativen Veranstaltungen sind Kirchenvertreter eingeladen und oft in der ersten Reihe prĂ€sent. Ein Warnzeichen sind zwar die vermehrten Kirchenaustritte, die sich aber bisher auf die Steuereinnahmen nicht ausgewirkt haben. Im Gegenteil stiegen in den vergangenen Jahre die Kirchensteuereinnahmen noch. Die Verluste durch Austritte werden sich erst in Zukunft gravierend zeigen. Und so dĂŒmpelt das Kirchenschiff im Strom der gesellschaftlichen Entwicklungen gemĂŒtlich dahin. – FĂŒr das gute VerhĂ€ltnis zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik seit dem Zweiten Weltkrieg können wir dankbar sein! Aber das darf nicht blind machen fĂŒr innere krisenhafte Entwicklungen in der Kirche und neuerdings auch im politischen Bereich.

Auf kirchliche Defizite wollte schon zu seiner Zeit Bischof Dietzfelbinger aufmerksam machen. In seinen „Erinnerungen“ schreibt er: „Was mich wĂ€hrend meiner Amtszeit als Ratsvorsitzender [1967-1973] innerlich besonders stark bedrĂ€ngte, war die Einsicht in das MissverhĂ€ltnis von Gestalt und Gehalt im Bereich der EKD… Es war das MissverhĂ€ltnis zwischen dem Verfassungsanspruch und der Lebenswirklichkeit in der EKD, unter dem ich litt.“[2] – Das ist eine Feststellung, die heute in gleicher Weise Wort fĂŒr Wort zutrifft. Es ist das MissverhĂ€ltnis zwischen der wachsenden Ă€ußeren Einheit der EKD – neuerdings weiter fortgeschritten durch das gemeinsame EKD-Pfarrdienstgesetz, das am 1. Januar 2011 in Kraft trat – und der zunehmenden inneren theologischen Verwirrung, ja Verwahrlosung.

Diese Differenz war schon zu Hermann Dietzfelbingers Amtszeit als Landesbischof (1955-1975) erkennbar: Im Januar 1966 war die Bekenntnisbewegung gegrĂŒndet worden. Zu ihrer ersten großen Kundgebung am 6. MĂ€rz 1966 in der Dortmunder Westfalenhalle waren 24.000 Besucher gekommen. Dabei ist ĂŒbrigens bemerkenswert, dass sĂ€mtliche GrĂŒnderpersönlichkeiten der Bekenntnisbewegung wĂ€hrend der Zeit des „Dritten Reiches“ zur BK gehört hatten! Diejenigen also, die zur NS-Zeit den Angriffen von außen am mutigsten widerstanden hatten, waren nun im Blick auf die innere Krise der Kirche ebenfalls die Mutigsten und Weitblickendsten. Sie waren der Überzeugung, dass das Wort Gottes die Kirche reinigen werde und dass vom inneren Leben der Kirche her das Äußere Kraft und Gestalt gewinnen werde, nicht aber umgekehrt von der Kirchenorganisation her. Denn die Kirche Jesu Christi lebt von innen nach außen, nicht von außen nach innen!

Kurz zusammengefasst: Die GefĂ€hrdung der Kirche geschah zur NS-Zeit in erster Linie durch den Angriff von außen; heutzutage geschieht sie in erster Linie durch den Verfall von innen, der sich schließlich – damals wie heute in gleicher Weise – als Anpassung an staatliche und gesellschaftliche Entwicklungen auswirkt. Kirche will auf der Höhe der Zeit bleiben, im sogenannten „Mainstream“ mitschwimmen und dadurch ihre Zukunft sichern.[3] Das also ist bei allen Ă€ußeren Unterschieden die Parallele zwischen der BK und der heutigen kirchlichen Situation: Die Kirche ist durch ihre teils bewusste, teils unbewusste Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen, damals von außen, heute von innen her gefĂ€hrdet. Immer weniger ist sie „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (Matth. 5, 13 f.), wie sie es doch ihrem Auftrag entsprechend sein sollte.

Es gilt, in diesem Zusammenhang stets neu auf das Leitwort hinzuweisen, mit dem der Apostel Paulus seine ausfĂŒhrliche ParĂ€nese (Ermahnung) an die Gemeinde in Rom beginnt: „…Und richtet euch nicht nach dieser Welt, sondern verĂ€ndert euch durch Erneuerung eures Sinnes/Verstandes, damit ihr prĂŒfen könnt, was der Wille Gottes ist, nĂ€mlich das Gute und WohlgefĂ€llige und Vollkommene“ (Römer 12,2). Zuerst also der Glaube, dann die Ethik. An erster Stelle steht die bis ins Leibliche reichende Existenzhingabe und die Umwandlung durch den Heiligen Geist. Danach kann der auf diese Weise erleuchtete Verstand prĂŒfen, was dem Willen Gottes entspricht und beurteilen, was gut und vollkommen und zielgerichtet ist. Erst danach!

Gewiss gibt es immer wieder gegenseitige Beeinflussungen von Kirche und Welt. Doch nach biblischer Aussage muss die Hauptrichtung die PrĂ€gung der Gesellschaft durch den Glauben sein und nicht umgekehrt! Es sind die sich stets wiederholenden SĂŒndenfĂ€lle der Kirchengeschichte, dass die Kirche sich zum AnhĂ€ngsel gesellschaftlicher Entwicklungen und staatlicher Gesetze macht. Die VerkĂŒndigung der Kirche gerĂ€t dann zur religiösen Interpretation der Wirklichkeit, zum Zuckerguss ĂŒber die bestehenden VerhĂ€ltnisse.

Die Volkskirche ist in dieser Richtung mehr gefĂ€hrdet als eine Freikirche oder gar eine Untergrundkirche in totalitĂ€ren Staaten. Bereits lange vor dem Kirchenkampf hatte der junge Dietrich Bonhoeffer 1927 in seiner Dissertation bei einem grundsĂ€tzlichen „Ja“ zur Volkskirche geschrieben:

„Es gibt nun fĂŒr die Kirche einen Zeitpunkt, in dem sie nicht mehr Volkskirche sein darf, und dieser Zeitpunkt ist dann gekommen, wenn die Kirche in ihrer volkskirchlichen Art nicht mehr das Mittel sehen kann, zur Freiwilligkeitskirche   durchzudringen.“[4]

Entsprechend lautet es in dem Verwerfungssatz der Ersten These der Barmer Theologischen ErklÀrung von 1934 gegen das Mitschwimmen in den Trends der Zeit:

„Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und mĂŒsse die Kirche als Quelle ihrer VerkĂŒndigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und MĂ€chte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung    anerkennen.“[5]

Das ist nichts anderes als ein Ruf an die Volkskirche, zu ihrem Zentrum in Jesus Christus zurĂŒckzukehren und von daher – von nichts anderem geleitet – in ihrer Zeit und Welt zu  wirken.

Wie steht es heute damit? LĂ€sst sich die Kirche zum AnhĂ€ngsel gesellschaftlicher Entwicklungen machen, oder bildet sie, wie es doch sein sollte, ein Widerlager gegen fragwĂŒrdige Entwicklungen und Verfallserscheinungen in Staat und Gesellschaft? – Dass heute leider ersteres der Fall ist, dass sich die Volkskirche nĂ€mlich selbst zum AnhĂ€ngsel öffentlicher Entwicklungen macht, ist unĂŒbersehbar. Sie hechelt mit heraushĂ€ngender Zunge gesellschaftlichen Tendenzen hinterher und ist bemĂŒht, sich anzugleichen, um „modern“ zu sein. Das lĂ€sst sich Zug um Zug nachweisen:

Am 16. Februar 2001 wurde das „Gesetz zum Ende der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“ verabschiedet. Was machen einige Landeskirchen? Sie fĂŒhren eine der kirchlichen Trauung nachgeahmte öffentliche Segnung fĂŒr staatlich eingetragene Lebenspartnerschaften ein.[6]

Weiter: Vom 14. August 2006 stammt das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (auch „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt). Was macht die EKD? Sie öffnet mit § 39 im bereits erwĂ€hnten Pfarrdienstgesetz von 2011 die PfarrhĂ€user fĂŒr homosexuelle Lebenspartnerschaften.  Die Landessynode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche hat am 28. Februar 2014 homosexuelle Partnerschaften im Pfarrdienstrecht bereits vollends der Ehe gleichgestellt! – Und das geschieht, obwohl der liberale Staat der Kirche als sogenanntem Tendenzbetrieb durchaus einen anderen Weg gestattet. Die Anpassung verlĂ€uft also genau in die ungeistliche Richtung von der Welt zur Kirche gegen die Weisung von Römer 12!

Der FĂŒlle halber sei ohne Anspruch auf VollstĂ€ndigkeit auf weitere kurzschlĂŒssige kirchliche Anpassungen an gesellschaftliche Trends kurz hingewiesen:

Im Mai 2000 wurde durch die damalige Bundesregierung die gemeinsame GeschĂ€ftsordnung aller deutschen Bundesministerien novelliert und „Gender-Mainstreaming“ als „durchgĂ€ngiges Leitprinzip“ fĂŒr alle ministeriellen Maßnahmen verbindlich gemacht. 2006 wurde, von zahlreichen kirchlichen Persönlichkeiten und Institutionen gefördert, eine sogenannte „Bibel in gerechter Sprache“ herausgebracht; 2013 folgte die ebenfalls von der Gender-Ideologie durchdrungene Orientierungshilfe des Rates der EKD „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlĂ€ssliche Gemeinschaft stĂ€rken“ (sogenanntes „Familienpapier“). Am 7. April 2014 wurde schließlich in Hannover ein „Gender-Studienzentrum“ der EKD eröffnet. – Wieder: Kritiklose Anpassung an die Trends.[7]

Ein weiteres wichtiges PhĂ€nomen stellt die Besetzung und Umdeutung von Begriffen dar. An erster Stelle ist hier der Liebesbegriff zu nennen. In der Gesellschaft wird im Rahmen der Sexualisierung jeglicher sexuelle Kontakt zwischen zwei Personen als „Liebe“ bezeichnet. Ausgenommen wird allenfalls Gewaltgebrauch. – Im kirchlichen Sprachgebrauch wurde dem entsprechend die Differenzierung zwischen Sexus, Eros, Philia und Agape ebenfalls völlig verwischt. Es wird durchweg von „homosexueller Liebe“ gesprochen, obwohl nach statistischen Untersuchungen 95 Prozent der Partnerschaften unter MĂ€nnern nicht treu leben und die fĂŒnf Prozent der Getreuen im Durchschnitt nicht lĂ€nger als fĂŒnf Jahre beisammen bleiben.[8] Dieser Sachverhalt wird von den entsprechenden Interessengruppen damit verschleiert, dass zwischen sexueller und sozialer Treue unterschieden wird. Im kirchlichen Bereich wird diese Problematik ignoriert.

Gravierend wirkt sich auch der verallgemeinernde Gebrauch des Religionsbegriffs aus. Was im Rahmen der Dialektischen Theologie und in der Bekennenden Kirche von Barth bis Bonhoeffer dazu erarbeitet wurde, scheint völlig vergessen zu sein.[9] In der Gesellschaft wird der Religionsbegriff seit der Epoche der AufklĂ€rung, als man die Vielfalt der Weltreligionen entdeckte, als Sammelbegriff fĂŒr alle möglichen Erscheinungen und Richtungen gebraucht, die mit LetztĂŒberzeugungen zu tun haben, welche die vorfindliche Erfahrungswirklichkeit ĂŒbersteigen. Die Sammelbezeichnung „Religion“ ist in der Tat insbesondere dann sinnvoll und hilfreich, wenn es um Gewissens- und Überzeugungsfreiheit geht. Theologisch stellt der verallgemeinerte Religionsbegriff aber eine Denkfalle dar. (Übrigens hat bisher nicht einmal die Religionswissenschaft „Religion“ eindeutig und allgemeingĂŒltig definieren können!) Die Denkfalle besteht darin, dass alle Religionen im Grunde als etwas Gleiches betrachtet werden. TatsĂ€chlich aber sind sie höchst unterschiedlich! Atheisten bedienen sich mit großer Freude solch kurzschlĂŒssiger Gleichsetzung. Ist z.B. eine Religion strukturell gewalttĂ€tig, wird diese Beobachtung generalisiert und samt anderen eventuell da und dort entdeckten negativen Erscheinungen auf „die Religion“ schlechthin ausgedehnt. So verfĂ€hrt z.B. der Atheist Richard Dawkins in seinem Weltbestseller „Der Gotteswahn“.[10] Er verurteilt die Religionen, insbesondere die monotheistischen „abrahamitischer Art“, Judentum, Christentum und Islam pauschal und undifferenziert als gewalttrĂ€chtig. Und er hat darin viele Nachfolger gefunden. Anlass war der Angriff auf das World Trade Center in New York vom 11. September 2001.

Aufgrund des missbrauchten und missverstandenen allgemeinen Religionsbegriffes gibt es innerhalb der EKD einen weitgehenden Schulterschluss mit dem Islam. Man subsummiert den eigenen Glauben unter „Religion“ und setzt sich deshalb z.B. fĂŒr islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen bis hin zu islamischen LehrstĂŒhlen an UniversitĂ€ten ein, nicht zuletzt, um damit den eigenen Bestand zu sichern.[11] Die RĂŒckwirkung besteht darin, dass Gewalt, die im Namen des Islam geschieht, in den Medien als „religiöse Gewalt“ verallgemeinert wird mit der Folge, dass auch bekennende Christen als „Fundamentalisten“ bezeichnet und mit islamischen TerrorattentĂ€tern gleichgesetzt werden.

Typisch dafĂŒr ist ein Leserbrief aus der jĂŒngsten Zeit, dessen erste SĂ€tze im Blick auf die Pariser AnschlĂ€ge auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo lauten: „Die Kerninhalte der Religionen der Welt mĂŒssen unbedingt auf den PrĂŒfstand. Die Vorgaben in der Bibel und im Koran sind Ă€hnlicher Art.“[12] Der erste Satz ist richtig, der zweite völlig falsch! Der Leserbriefschreiber kennt offensichtlich weder den Inhalt des Koran noch den der Bibel. Manchmal hat man den Eindruck, dies sei auch bei einigen evangelischen und katholischen Bischöfen der Fall.[13] Aber statt billiger Anpassung an den Islam mit vorauslaufendem Dhimmi-Gehorsam brĂ€uchten wir eine christliche Willkommenskultur, in deren Rahmen wir den Muslimen ihren Propheten „Isa“ so nahe bringen, dass sie in ihm Jesus Christus als ihren Herrn und Heiland erkennen und zu bekennen lernen. Dann brĂ€uchten wir keine Angst vor Islamisierung zu haben, sondern der Islam hĂ€tte seinerseits Respekt, ja Furcht vor der Kraft des Heiligen Geistes, durch die viele Muslime zum Glauben an Jesus Christus gefĂŒhrt werden. Nicht Ă€ngstlich abgrenzen, sondern von der Bibel her die Weite der Herrschaft Christi aufzuzeigen – so herum mĂŒsste der Einfluss gehen![14]

Und damit sind wir beim Zentralpunkt: In der Kirche wurde die Bibel als Norm fĂŒr Leben und Lehre unsicher. Im Grundlagentext des Rates der EKD „Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017“ lesen wir: „Seit dem 17. Jahrhundert werden die biblischen Texte historisch-kritisch erforscht. Deshalb können sie nicht mehr wie zur Reformationszeit als ‚Wort Gottes‘ verstanden werden. Die Reformatoren waren ja grundsĂ€tzlich davon ausgegangen, dass die biblischen Texte wirklich von Gott selbst gegeben waren.“[15] In Entsprechung dazu hat der Bischof einer Lutherischen Landeskirche am 20. Mai 2014 auf der Delegiertenversammlung der „Arbeitsgemeinschaft fĂŒr Missionarische Dienste im Diakonischen Werk der EKD“ (AMD) ein Referat mit dem Thema „Die Bibel als Grundlage von Glauben und Theologie“ gehalten. Neben manchen zweifellos richtigen Bemerkungen, z.B. dass man sich mit seinem Leben persönlich auf die Bibel einlassen sollte, sagte er, „dass die Bibel ein ganz normales StĂŒck Literatur ist“ und fuhr fort: „Bei so mancher Predigt, die ich höre, bekomme ich den Eindruck, dass das, was jetzt gesagt wird, relevant ist, weil es in der Bibel steht.“[16] Und er begrĂŒndet seine Ablehnung mit den Worten: „Die Bibel ist nicht einfach AutoritĂ€t, weil es konventionell so ist oder weil sie einfach Gottes Wort ‚enthĂ€lt‘. Hier haben die modernen SĂ€kularisierungsprozesse zu einer grundsĂ€tzlichen Infragestellung nicht nur der biblischen AutoritĂ€t gefĂŒhrt. AutoritĂ€t muss heute notwendiger Weise eine sich legitimierende AutoritĂ€t sein. In diesem Sinne kann die Bibel nur noch dann als AutoritĂ€t anerkannt werden, wenn sie in der individuellen LebensfĂŒhrung als hilfreich, sinn- und lebenserschließend erfahren wird.“[17]

Dies also sagt ein lutherischer Bischof ganz im Sinne kirchlicher SelbstsĂ€kularisierung. Hören wir dagegen Luther original z.B. in seiner Schrift „De servo arbitrio“, die er ĂŒbrigens neben seinen Katechismen als seine wichtigste bezeichnet hat:

„Denn das ist nicht die Art eines christlichen Herzens, keine Freude an Bekenntnissen zu haben, im Gegenteil, ein Christ muss Freude an Bekenntnissen haben, oder er wird kein Christ sein… Nichts ist bei den Christen bekannter und gebrĂ€uchlicher als die verbindliche theologische Aussage (assertio). Hebe die verbindlichen theologischen   Aussagen auf, und du hast das Christentum aufgehoben.“[18] … „Der heilige Geist ist kein Skeptiker, nicht Zweifel oder subjektive Ansichten hat er in unsere Herzen geschrieben, sondern verbindliche Aussagen, die gewisser und unerschĂŒtterlicher sind    als das Leben selbst und alle Erfahrung.“[19]

Wiederum bestĂ€tigt sich die im Eingangszitat von Bischof Dietzfelbinger angesprochene Verschleierung und Verdrehung der VerhĂ€ltnisse. Mit geradezu pietistischem Vokabular wird in den AusfĂŒhrungen des Bischofs gesagt, dass es im Glauben auf den persönlichen Bezug zur Bibel ankommt. Diese richtige Feststellung wird aber dazu benutzt, die AutoritĂ€t der Bibel aufzuheben und sie dem Subjektivismus preiszugeben; wĂ€hrend es zwar auch Luther um den persönlichen Glauben geht, aber um einen vom Heiligen Geist bewirkten Glauben, der sich in dankbarer Freude und Gewissheit am geoffenbarten Wort Gottes festmacht. – Am „extra nos“ hĂ€ngt die Heilsgewissheit!

So heißt es auch in der EKD-Schrift „Rechtfertigung und Freiheit“: „FĂŒr viele evangelische Christen ist die regelmĂ€ĂŸige BibellektĂŒre, sei es fĂŒr sich allein zu Hause, sei es mit anderen, ein wichtiges Element ihres Glaubens. Offenbar ist dies deshalb der Fall, weil Menschen immer wieder bemerken, dass sie durch diese Texte in besonderer Weise angesprochen werden. In ihnen haben sich menschliche Erfahrungen mit Gott so verdichtet, dass andere Menschen sich und ihre Erfahrungen mit Gott darin wiederentdecken können.“[20] – Das hört sich gut an, ist aber falsch, denn der biblische Ausgangspunkt sind nicht subjektive menschliche Erfahrungen mit Gott, sondern Gottes geschichtsmĂ€chtiges Handeln, aufgrund dessen Menschen damals wie heute Erfahrungen mit Gott machen! Die Vertauschung von Subjektivem und Objektivem macht alles verkehrt. Schon Bonhoeffer hatte konstatiert: „Der Individualismus hat den Protestantismus der Reformation zerstört.“[21] Ausgerechnet zum ReformationsjubilĂ€um feiern nun Individualismus und Subjektivismus fröhliche UrstĂ€nd!

Man könnte weitere Hinweise auf Verdrehungen und VerfĂ€lschungen hinzufĂŒgen. Dazu gehört z.B. der verbreitete Missbrauch von Begriffen wie Toleranz (alles wird fĂŒr gleich-gĂŒltig erklĂ€rt), Freiheit (missverstanden als völlige Bindungslosigkeit) und Gerechtigkeit (als bloße Nivellierung von Unterschiedlichem); doch belassen wir es bei den genannten Beispielen und bilanzieren die heutige Situation: Der evangelischen Kirche ging ihre Grundlage, die Bibel, weitgehend verloren. Daraus resultieren die weiteren SchĂ€den. Selbst ranghohe Kirchenvertreter können nicht zwischen historischer Bibelauslegung und historischer Kritik unterscheiden.[22] Wer an der AutoritĂ€t der Hl. Schrift festhĂ€lt, wird vielfach als „Fundamentalist“ diffamiert. Luther wĂ€re demnach jedenfalls ein Fundamentalist.

Biblische Hermeneutik ist zweifellos nötig. Doch die Hermeneutik der „modernen“ kirchlichen SĂ€kularisten und Skeptiker beschrĂ€nkt sich darauf, es mit den biblischen Texten nicht so genau zu nehmen, indem sie sĂ€mtliche biblischen Aussagen unter den Vorbehalt eines verwaschenen Liebesbegriffs stellen und von daher alle konkreten Aussagen der Bibel –wie es am Beispiel der Diskussion ĂŒber homosexuelle Praxis immer wieder geschieht – willkĂŒrlichem Subjektivismus unterwerfen, sie fĂŒr „zeitbedingt“ und damit fĂŒr ungĂŒltig zu erklĂ€ren.[23] Nicht einmal die simpelsten Regeln, auch nicht historisch-kritischer Forschung, werden dabei beachtet. Wenn sie wirklich historisch-kritisch arbeiten wĂŒrden, statt sich bloß darauf zu berufen, dann könnte man jedenfalls mit ihnen diskutieren! So aber bleibt nichts als das missverstandene Wort von Augustin: „Liebe, und tue dann, was du willst.“[24] Ähnlich wurde ja schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Situationsethik verfahren.[25] Obwohl sie vielfach widerlegt wurde, wirkt sie untergrĂŒndig fort. Die kirchliche Situation hat sich seither keineswegs gebessert, sondern die negativen Entwicklungen sind weiter vorangeschritten.[26]

All diese Tatsachen und Entwicklungen gilt es zu erkennen!

2.  Bekennen

Weil die Kirche Jesu Christi, wie schon gesagt wurde, nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen lebt, kann vom Erkennen, was die Stunde geschlagen hat, nicht unmittelbar zur Aktion ĂŒbergegangen werden. Vielmehr gilt es, zuerst auf das Wort Gottes zu hören und dann in der gegebenen Situation zu gehorchen. Als glaubende Christen sind wir nĂ€mlich Beauftragte, Boten. Wir reden nicht vom Eigenen, sondern geben die Botschaft weiter, die wir selbst vernommen haben. Deshalb muss der erste Schritt nach dem Erkennen das Bekennen sein, nur als zweites folgt das Handeln. Denn das Bekenntnis ist eine LebensĂ€ußerung des Glaubens; und der Glaube kommt aus dem Hören (fides ex auditu).

FĂŒr unser deutsches Wort „bekennen“ steht in den Bibelsprachen das hebrĂ€ische jādāh und das griechische Verb homologĂ©Ć. Beide Wörter bedeuten sowohl (a) „loben“ und „preisen“ als auch (b) „bekennen“ (nĂ€mlich von SĂŒnden). Damit unterscheidet sich das christliche Bekenntnis ganz wesentlich vom Gebrauch des Wortes „bekennen“ in der heutigen Umgangssprache. Da „bekennt“ man sich zu dieser oder jener Ansicht, zu der einen oder anderen politischen Partei und schließlich gar zu dieser oder jener Veranlagung („coming out“). Dieser verwĂŒstete Sprachgebrauch ist vielfach in die christlichen Gemeinden eingedrungen und gefĂ€hrdet das Glaubensbekenntnis. – Ein sogenanntes „Bekenntnis“ z.B. fĂŒr oder gegen Atomkraftwerke ist eine MeinungsĂ€ußerung, aber kein christliches Glaubensbekenntnis! Und wenn dennoch in vergleichbarer Weise zu einem Gegenwartsproblem Stellung genommen wird, ist zu zeigen, inwiefern diese Stellungnahme mit dem Glauben, also dem Lob Gottes und dem SĂŒndenbekenntnis zusammengehört und aus ihm folgt. Inhaltlich ist das christliche Bekenntnis zentral ein Christusbekenntnis gemĂ€ĂŸ Römer 10,9: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“

Folgendes können wir gerade heutzutage von der Bekennenden Kirche lernen: Wie schon ihre Selbstbezeichnung „Bekennende Kirche“ sagt, setzte sie dem Angriff des NS-Staates das christliche Bekenntnis entgegen. Bezeichnenderweise beginnt die erste These der Barmer Theologischen ErklĂ€rung von 1934 mit dem Christusbekenntnis. Unter Hinweis auf Johannes 14,6 und Johannes 10,1.9 lautet es: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ Dabei ist bemerkenswert, dass zugleich mit dem Christusbekenntnis auf die Heilige Schrift verwiesen wird – gemĂ€ĂŸ den vier reformatorischen Zentralpunkten, die einander ergĂ€nzen und auslegen: In die Mitte gehört das „solus Christus“; darum herum ordnen sich das „sola scriptura“, das sola fide“ und das „sola gratia“. – Mit dieser ersten These der Barmer Theologischen ErklĂ€rung ist der Grund gelegt fĂŒr die weiteren fĂŒnf Thesen, die als Entfaltung der ersten verstanden werden können.

Bekenntnisse entstehen in verschiedenen Situationen. Sie können der Katechesierung (Glaubensunterrichtung) dienen wie die Taufbekenntnisse; oder der Ökumene (Betonung der Einheit) wie die Konkordien; oder der VerkĂŒndigung (Predigt) mit Information der Hörer. Sie können schließlich auch zur Abwehr von Irrlehren dienen, die die Kirche von außen angreifen und/oder von innen zersetzen.

Die Barmer Theologische ErklĂ€rung war ein Bekenntnis zur Abwehr von staatlichen Eingriffen in die Kirche in Verbindung mit Einspruch gegen hĂ€retische Erscheinungen in der Kirche selbst, insbesondere bei der sogenannten „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ (DC), die der staatlichen Ideologie folgte und diese fĂŒr den kirchlichen Bereich als verbindlich ĂŒbernehmen wollte.[27] Unmittelbarer Anlass fĂŒr den Widerstand der BK war die damals so genannte „Judenfrage“. Am 7. April 1933 hatte der NS-Staat das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ beschlossen. JĂŒdischstĂ€mmige Beamte wurden aus dem BeamtenverhĂ€ltnis entlassen. Am 5. September fĂŒhrte, dem folgend, die Generalsynode der Kirche der Altpreußischen Union (APU) den Arierparagraphen fĂŒr ihren kirchlichen Bereich ein. Somit wurden auch Kirchenbeamte jĂŒdischer Abstammung entlassen. Betroffen waren insbesondere evangelische Pfarrer jĂŒdischer Abstammung. (Vielfach wird heute ĂŒbersehen, dass es beim Antisemitismus des NS-Staates nicht um die Glaubens-, sondern um die Rassenzugehörigkeit ging.)

Die DC argumentierten u.a., es könne sich ja eine eigene judenchristliche Kirche bilden. Das Glaubensbekenntnis sei also nicht berĂŒhrt, es handle sich um einen bloßen Verwaltungsakt im ethischen Ermessensspielraum („Adiaphoron“). – Anders Bonhoeffer. Er sah mit dem kirchlichen Arierparagraphen den „casus confessionis“ gegeben, d.h. er sah das Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus verletzt.

Am 15. April 1933 hatte Bonhoeffer bereits das Manuskript zu seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ fertiggestellt.[28] Darin hatte er einen kirchlichen Arierparagraphen als HĂ€resie (Irrlehre) bezeichnet und zwar mit folgender Argumentation: In Galater 2 schreibt der Apostel Paulus, dass diejenigen, die eine Beschneidung zur Bedingung fĂŒr den Glauben an Jesus Christus machen, in gesetzlicher Weise vom Evangelium abgefallen sind, denn damit wird das „allein aus Gnade“ geleugnet. – Mit dem kirchlichen Arierparagraphen wird nun ebenfalls in gesetzlicher Weise eine menschliche Voraussetzung zur Bedingung fĂŒr die Kirchengemeinschaft erhoben, nĂ€mlich die arische Rassenzugehörigkeit. Indem die DC so handeln und Menschen jĂŒdischer Abstammung aus der Kirche ausschließen, trifft sie das Verdikt des Paulus aus Galater 3,1-3:

„O ihr unverstĂ€ndigen Galater [hier: unverstĂ€ndigen DC], wer hat euch behext, denen doch Jesus Christus als Gekreuzigter vor Augen gemalt worden ist? Das eine    will ich von euch wissen: Habt ihr den Geist aus Werken des Gesetzes [hier: durch die Zugehörigkeit zu einer Rasse] empfangen oder aus der GlaubensverkĂŒndigung? So unverstĂ€ndig seid ihr? Nachdem ihr im Geist angefangen habt, wollt ihr jetzt im Fleisch vollenden?“

Es geht um die Alternative, ob eine menschliche Voraussetzung als Heilsweg angesehen wird oder vielmehr allein und ausschließlich der Glaube an Jesus Christus. Nur der Glaube rettet. Eine ethische Frage wird im Raum der Kirche immer dann zugleich zur Heilsfrage, wenn der Glaube an Jesus Christus verdunkelt wird und irgendwelche anderen Voraussetzungen als der Glaube an Jesus zur Bedingung der Rettung und des vollen Heils gemacht werden. Wenn aber  Glaubensgemeinschaft besteht, dann besteht auch Kirchengemeinschaft. Und umgekehrt: Ohne Glaubensgemeinschaft kann es keine Kirchengemeinschaft geben.

Wir erkennen, dass die Barmer Theologische ErklĂ€rung insbesondere in These 1, ohne den Arierparagraphen zu nennen, der Sache nach Bonhoeffers Argumentation entspricht, wenn es – kurz zusammengefasst –  heißt: „Jesus Christus…ist das eine Wort Gottes,…dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und mĂŒsse die Kirche…auch noch andere Ereignisse, MĂ€chte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Nun ist es der Barmer Theologischen ErklĂ€rung ja seltsam ergangen. Es entstand ein Streit darĂŒber, ob sie im Vollsinne als Bekenntnis anzusehen sei. „Die einen betonen die in Barmen ‚bezeugte Gemeinschaft‘ (VELKD), die anderen bezeichnen die Th.E. als ‚fĂŒr die versuchte und angefochtene Kirche wegweisendes Glaubenszeugnis‘ (EKU), und der Reformierte Bund schließlich sieht in ihr ein Bekenntnis, auf einer Ebene stehend wie ‚die Bekenntnisse der Reformation, insbesondere des Heidelberger Katechismus‘.“[29]– Unbeschadet dieser unterschiedlichen Einstufung gehört die Barmer Theologische ErklĂ€rung fĂŒr viele Gliedkirchen der EKD zur Ordinationsverpflichtung der Pfarrer.

An diesen Differenzen (von „Bekenntnis“ bis „ErklĂ€rung zur Situation“) wird die unterschiedliche Auffassung der innerevangelischen Konfessionen deutlich, welche Bedingungen fĂŒr ein im vollen dogmatischen Sinne anzuerkennendes Lehrbekenntnis zu gelten haben.[30] Dietrich Bonhoeffer jedenfalls hat die Barmer Theologische ErklĂ€rung im Vollsinne als gĂŒltiges Lehrbekenntnis angesehen, als Grundbekenntnis der BK, die er ihrerseits als eine eigene Kirche verstand, nicht nur als Bewegung innerhalb der Kirche, auch nicht als Freikirche, sondern als die einzig wahre evangelische Kirche in Deutschland im Sinne des biblischen Zeugnisses und der Bekenntnisse der Reformation. FĂŒr ihn galt schlicht und klar: „Die Bekennende Kirche ist die einzig wahre Kirche Jesu Christi in Deutschland… Die Reichskirchenregierung ist hĂ€retisch.“[31] Bonhoeffer bestand auf klarer Scheidung, wenn es um die Wahrheit des Evangeliums ging. Faule Kompromisse aufgrund falsch verstandener „Liebe“ lehnte er stets entschieden ab. Ja, im Zusammenhang der Frage, ob man sich nachtrĂ€glich von der BK trennen und den ReichskirchenausschĂŒssen unterstellen dĂŒrfe, prĂ€gte er den viel umstrittenen Satz:

„Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil.“[32]

Nach Bonhoeffers Sicht – und diese wĂ€re auf die heutig Situation zu ĂŒbertragen – ist das Bekenntnis „…nicht Darstellung des Lehrganzen, sondern aufgrund des Lehrganzen getroffene Entscheidung der Kirche, an einem bestimmten Ort den Kampf aufzunehmen.“ „Es ist die aufgrund der Theologie von der Kirche vollzogene Entscheidung ĂŒber ihre Grenzen.“[33]

Somit sind wir heute gefragt, ob wir angesichts der erkannten IrrtĂŒmer und Verwirrungen in der Kirche unserer Tage nicht ebenfalls ein Bekenntnis wagen mĂŒssen, das Auskunft gibt ĂŒber die Grenzen der Kirche, das klar und deutlich hĂ€retische Entwicklungen aufzeigt indem, vom Lehrganzen her begrĂŒndet, Irrlehren abgelehnt und ausgeschlossen werden.

3.  Handeln

Dietrich Bonhoeffer schrieb am 28. April 1934 aus London an seinen Schweizer Freund Erwin Sutz: „Nachfolge Christi – was das ist, möchte ich wissen – es ist nicht erschöpft in unserem Begriff des Glaubens.“[34] Das Bekenntnis hat Folgen. Dem Glauben folgt die Tat. Die BK begnĂŒgte sich nicht mit Barmen. HĂ€tte sie das getan, wĂ€re die Barmer Theologische ErklĂ€rung wohl weitgehend wirkungslos geblieben. Auf der Zweiten Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem (19.-20. Oktober 1934) wurden alle DC-Kirchenleitungen fĂŒr illegitim erklĂ€rt, ein kirchliches Notrecht errichtet und ein „Reichsbruderrat“ gewĂ€hlt, der am 20./21. November 1934 die erste vorlĂ€ufige Kirchenleitung (VL) unter dem Vorsitz des Hannoverschen Bischof Marahrens bildete. Leider kam es auf der letzten Bekenntnissynode (17.-22. Februar 1936) in Bad Oeynhausen zur Spaltung der BK aufgrund der Frage, ob man mit den staatlichen KirchenausschĂŒssen, die nun unter Generalsuperintendent Zoellner standen, zusammenarbeiten könne. Insbesondere die „intakten“ Lutherischen Landeskirchen Bayern, WĂŒrttemberg und Hannover bejahten dies sowie einige LandesbruderrĂ€te. Die ĂŒbrigen BruderrĂ€te wĂ€hlten am 12. MĂ€rz 1936 eine „Zweite VorlĂ€ufige Kirchenleitung“ (2. VKL). Die drei Lutherischen Landeskirchen sowie einige LandesbruderrĂ€te bildeten daraufhin am 18. MĂ€rz 1936 ihrerseits eine Kirchenleitung, die sich als „Rat der Evang.-Lutherischen Kirche Deutschlands“ bezeichnete. Die erste Richtung der BK nannte man die „radikalen“, die zweite die „gemĂ€ĂŸigten“ Barmer, wĂ€hrend drittens die „zerstörten“ Kirchen mit Herrschaft der DC in den Kirchenleitungen bestehen blieben, wie es z.B. in ThĂŒringen der Fall war. Dietrich Bonhoeffer hielt sich bewusst und entschieden zur radikalen Richtung von Barmen.

Abgesehen von diesen geschichtlichen Entwicklungen ist es wichtig festzustellen, dass schon in der Barmer Theologischen ErklĂ€rung selbst vom Bekennen zum Handeln geschritten wird. Denn in der Verwerfungsformel von These 3 lautet es: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dĂŒrfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen ĂŒberlassen.“ – Die Ă€ußeren Ordnungen der Kirche – heute also u.a. das Pfarrdienstgesetz –  sind also nicht beliebig. Es ist zu widerstehen, wenn kirchliche Ordnungsvorgaben politisch-weltanschauliche Überzeugungen verbindlich machen, die nicht mit der Nachfolge Christi zu vereinbaren sind.

Wie aktuell diese Entscheidung der Barmer Theologischen ErklĂ€rung ist, zeigt sich daran, dass die Bischofskonferenz der VELKD Anfang November 2011 den § 39 des neuen EKD-Pfarrdienstgesetzes uneingeschrĂ€nkt ĂŒbernommen hat mit der BegrĂŒndung, bei dem Zusammenleben homosexueller Verbindungen im Pfarrhaus handele es sich nicht um eine Glaubens- und Bekenntnisfrage, sondern lediglich um eine Ordnungsfrage, mithin um ein Adiaphoron. Dem steht eindeutig These 3 von Barmen entgegen. Sie wendet sich klar nicht nur gegen falsche Lehre, sondern auch dagegen, dass die Kirche sich in ihren Ordnungen nach den herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen richtet! Kein Geringerer als Eberhard Bethge hat festgestellt:

„Und wahrscheinlich ist Barmen III ĂŒberhaupt der Knackpunkt in der ganzen Geschichte, weil die Fragen der Gestalt der Kirche plötzlich ganz dicht an das Bekenntnis heranrĂŒcken.“[35]

Entsprechend heißt es in Bonhoeffers Gutachten vom 24. Juli 1936 fĂŒr den Pommerschen Bruderrat der BK:

„Daß aber die Ordnungen [der Kirche] bekenntnisgebunden sein mĂŒssen, daß in statu confessionis in der Frage der Ordnungen keinen Schritt gewichen werden darf, das ist lutherischer und reformierter Lehre gemeinsam, darum geht es heute.“[36]

Und darum geht es auch heute im Jahr 2015!

Dass Bekennen und entsprechendes Handeln aufgrund des Bekenntnisses zusammengehören, zeigte sich auch bei der Entstehung der BK: Nachdem die APU-Generalsynode („Braune Synode“) am 5. September 1933 den Arierparagraphen fĂŒr den kirchlichen Bereich eingefĂŒhrt hatte, rief Martin Niemöller in einem Rundschreiben vom 21. September 1933 seine PfarramtsbrĂŒder auf, einen „Pfarrernotbund“ zu bilden und ihm per Unterschrift auf dem Wege der Selbstverpflichtung beizutreten. Wer beitrat, unterschrieb folgende ErklĂ€rung:

  1. Ich verpflichte mich, mein Amt als Diener des Wortes auszurichten und allein in der Bindung an die Heilige Schrift und an die Bekenntnisse der Reformation als die rechte Auslegung der Heiligen Schrift.
  2. Ich verpflichte mich, gegen alle Verletzung solchen Bekenntnisses mit rĂŒckhaltlosem Einsatz zu protestieren.
  3. Ich weiß mich nach bestem Vermögen mit verantwortlich fĂŒr die, die um solchen Bekenntnisses willen verfolgt werden.
  4. In solcher Verpflichtung bezeuge ich, dass eine Verletzung des Bekenntnisstandes mit der Anwendung des Arierparagraphen im Raum der Kirche Christi geschaffen ist.“[37]

Hiermit ging es also nicht nur leichthin um Worte, sondern um eine verbindliche Verpflichtung, wozu ja insbesondere der dritte Punkt gehörte, den vom Ariergesetz und von sonstiger Gewalt Betroffenen finanziell beizustehen. – Am 15. Januar 1934 zĂ€hlte der Pfarrernotbund bereits 7036 Mitglieder!

Was gilt fĂŒr heute? – ZunĂ€chst ist der Weg zu einem neuen Bekenntnis einzuschlagen. VorlĂ€ufer gibt es. An erster Stelle ist der „Initiativkreis Evangelisches Kirchenprofil“ zu nennen, der bereits im Jahr 2011 unter dem Titel „FĂŒr die Freiheit des Glaubens und die Einheit der Kirche“ ein Bekenntnis formuliert und verbreitet hat, das die aktuellen Irrlehren klar benennt und verwirft.[38] In Sachsen ist eine Bekenntnisinitiative entstanden[39] und beim Christustag 2014 in Stuttgart wurden in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Allianz von 12 Personen aus der Evangelischen Kirche in Deutschland unter dem Titel „Zeit um Aufstehen“ sieben bekenntnisartige Thesen aufgestellt, bei denen allerdings die klare Bezeichnung der Irrlehren fehlt.[40] Die Verfasser der Thesen wĂŒnschen, dass sich eine Basisbewegung bilden möge, die die evangelische Kirche vor dem ReformationsjubilĂ€um 2017 zur Mitte des Glaubens zurĂŒckruft, so dass sie sich von ihrer reformatorischen Mitte her erneuert.

Zu diesen Bekenntnissen, ErklĂ€rungen und EntwĂŒrfen sind viele Tausende zustimmende Unterschriften gesammelt und dokumentiert worden. Aber vieles ist auch bereits im Sande verlaufen. Allein eine ErklĂ€rung zu unterschreiben, reicht nicht. Es gilt, mit ganzer Existenz alles in die Waagschale der persönlichen Nachfolge Jesu Christi zu werfen, wie es Dietrich Bonhoeffer getan hat. So entspricht es auch den Nachfolgeworten Jesu im Neuen Testament (vgl. Matth. 10,38 par.; 16,24 parr.).

Wir sollen die HĂ€nde zwar nicht in den Schoß legen, allerdings zugleich auch wissen, dass eine Erneuerung der Kirche nur aus dem Gebet geboren wird. Es bedarf eines neuen Wunders, wie Barmen ein Wunder war. Vielleicht entsteht eine „ecclesiola in ecclesia“ (ein Kirchlein in der Kirche), wie Philipp Jakob Spener (1635-1705) den Kreis entschiedener Christen innerhalb der Landeskirchen nannte. Eine unfehlbar reine Gemeinde wird es jedoch nicht geben, denn die Gemeinde bleibt immer ein „corpus permixtum“, ein wanderndes Gottesvolk, stets unterwegs bis zur Vollendung, die Christus, der wiederkommende Herr, selbst bringen wird. Dies zu bedenken, macht demĂŒtig und bewahrt vor ehrgeiziger Rechthaberei.

Übrigens ist – bei aller Hochachtung vor den damaligen Zeugen –  auch die BK kein Ideal, das wir blind kopieren mĂŒssten. In seinen Briefen aus dem Tegeler GefĂ€ngnis Ă€ußert sich Bonhoeffer rĂŒckblickend wiederholt kritisch ĂŒber den Weg der BK. Sein Haupteinwand lautet: „Eintreten fĂŒr die ‚Sache‘ der Kirche, aber wenig persönlicher Christusglaube.“[41] Das sollte uns zu denken geben. Es geht nicht um die „Sache der Kirche“, noch weniger um unsere eigene Sache, sondern um Jesus Christus und den Glauben, der sich in gehorsamer Nachfolge allein an ihm ausrichtet und festmacht.

Abschließend sollten wir aber auch ein Mut machendes Wort aus der Zeit der BK hören und zu Herzen nehmen. Es wurde damals an Viele verschickt, die dem Pfarrernotbund beitraten, und lautet:

„Wir haben nicht zu fragen, wieviel wir uns zutrauen; sondern wir werden gefragt, ob wir Gottes Wort zutrauen, daß es Gottes Wort ist und tut, was es sagt.“[42]

Solches Vertrauen wird auch uns heute ganz gewiss nicht enttÀuschen.

Stuttgart, im MÀrz 2015                                                       

Prof. Dr. Dr. habil. Rainer Mayer

Vortrag bei den Kongressen des Gemeindehilfsbundes am 21. und 28. MĂ€rz 2015 in Krelingen und Zavelstein. Alle VortrĂ€ge und Seminare der Kongresse in Krelingen vom 20.-22.3. und in Zavelstein vom 27.-29.3. werden in einer Dokumentation veröffentlicht. Diese kostet 5,00 € zzgl. Versand und kann in der GeschĂ€ftsstelle des Gemeindehilfsbundes vorbestellt werden (info@gemeindehilfsbund.de).

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Dietrich Bonhoeffer:

Die Bedeutung des Bekenntnisses fĂŒr die Kirche

Dietrich Bonhoeffer, Die Bekennende Kirche und die Ökumene, August 1935,

Werke Band 14, S. 378 – 399; hier: S. 382 f.

Die Bekennende Kirche bedeutet fĂŒr die Ökumene insofern eine echte Frage, als sie diese in ihrer Gesamtheit vor die Frage der Konfession stellt. Die Bekennende Kirche ist die Kirche, die in ihrer Ganzheit ausschließlich durch das Bekenntnis bestimmte Kirche sein will. Es ist grundsĂ€tzlich nicht möglich, an irgend einem Punkt mit dieser Kirche ins GesprĂ€ch zu kommen, ohne sofort die Bekenntnisfrage zu stellen. Weil die Bekennende Kirche im Kirchenkampf gelernt hat, daß  von der VerkĂŒndigung des Evangeliums bis zu den Kirchensteuern das Bekenntnis und dieses allein die Kirche bestimmen muß, weil es in ihr keinen bekenntnisfreien, neutralen Raum gibt, stellt sie jeden GesprĂ€chspartner sofort vor die Bekenntnisfrage. Es gibt keinen anderen Zugang zur Bekennenden Kirche als die Bekenntnisfrage. Es gibt keine Möglichkeit eines taktisch gemeinsamen Handelns jenseits der Bekenntnisfrage. Damit schließt sich die Bekennende Kirche gegen jeden politischen,  sozialen, humanitĂ€ren Einbruch hermetisch ab. Das Bekenntnis erfĂŒllt ihren ganzen Raum.

Zu diesem Bekenntnis, wie es in den Barmer und Dahlemer SynodalbeschlĂŒssen bindend ausgelegt ist, gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Also auch hier ist eine NeutralitĂ€t unmöglich, auch hier bleibt eine Zustimmung an diesem oder jenem Punkt jenseits der Bekenntnisfrage ausgeschlossen. Vielmehr muß die Bekennende Kirche darauf bestehen, daß sie in jeder verantwortlichen kirchlichen Auseinandersetzung soweit ernst genommen wird, daß dieser ihr Anspruch erkannt und ihr zuerkannt wird. Sie muß ferner darauf bestehen, daß sich in jedem GesprĂ€ch mit ihr die kirchliche SolidaritĂ€t darin bekundet, daß der GesprĂ€chspartner nicht zugleich mit ihr und mit den von ihr verworfenen Kirchen der Irrlehre das GesprĂ€ch aufnimmt, ja daß auch fĂŒr den ökumenischen GesprĂ€chspartner dort das GesprĂ€ch endgĂŒltig abgebrochen ist, wo sie es in kirchlicher Verantwortung fĂŒr abgebrochen erklĂ€rt.

Das ist ein unerhörter Anspruch. Aber nur so kann die Bekennende Kirche in das ökumenische GesprĂ€ch eintreten. Und das muß man wissen, um sie zu verstehen und um ihre Sprache recht zu interpretieren. Ließe die Bekennende Kirche von diesem Anspruch, so wĂ€re der Kirchenkampf in Deutschland schon gegen sie entschieden und damit auch der Kampf um das Christentum.

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[1] Zitiert nach: Hermann Dietzfelbinger, VerĂ€nderung und BestĂ€ndigkeit. Erinnerungen, MĂŒnchen (Claudius V.) 1984, S. 304. – Die derzeit in der EKD weit verbreitete gegenteilige Auffassung spiegelt sich in der Aussage des Kieler Kirchenhistorikers Johannes Schilling. Auf die Frage, ob heutzutage eine neue Bekenntnisschrift erforderlich sei, antwortete er: „GlĂŒcklicherweise nein! Bekenntnisschriften werden aus Krisensituationen heraus geboren – und eine solche haben wir im Moment nicht.“ (Interview anlĂ€sslich der Neuausgabe der Bekenntnisschriften der Evang.-Luth. Kirche, in: ideaSpektrum  2015, Nr. 8, S. 23).

[2] A.a.O., S. 303.

[3] Zur aktuellen Situation vgl.: Reinhard Slenczka, Der lebendige Gott und die politische Religion. Was die Kirche mit der politischen Gemeinschaft verbinden soll, zerstört die Kirchengemeinschaft. Mit einer Anleitung zur PrĂŒfung und Scheidung der Geister fĂŒr die Gemeinde, Informationsbrief der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“, Nr. 286, Juli 2014.

[4] Dietrich Bonhoeffer, Sanctorum Communio (Werke Band 1, MĂŒnchen 1986), S. 150.

[5] Barmer Theologische ErklĂ€rung (Hg. A. BurgsmĂŒller, R. Weth), Neukirchen 1983, S. 34.

[6] Die Orientierungshilfe des Rates der EKD „Mit Spannungen leben“ von 1996, die zwar Kompromisse suchte, aber  jedenfalls noch festgehalten hatte, „…dass es keine biblischen Aussagen gibt, die HomosexualitĂ€t in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen“ (S. 21), wurde ignoriert.

Ignoriert wurden erst recht gutachtliche Stellungnahmen von wissenschaftlich-theologischer Seite wie z.B. die gutachtliche Stellungnahme von Wolfhart Pannenberg, in der es u.a. heißt: „Eine Kirche, die sich als begrĂŒndet auf dem Boden der Heiligen Schrift versteht, kann angesichts der einhelligen Ablehnung homosexueller Praxis durch die biblischen Zeugnisse homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht gottesdienstlich segnen. Geschieht das dennoch, so bedeutet das ipso facto, dass eine solche Kirche nicht mehr auf dem Boden der SchriftautoritĂ€t steht und folglich auch aufgehört hat, evangelische Kirche in der Nachfolge der Reformation zu sein.“ (Vgl. W. Pannenberg, Angst um die Kirche. Zwischen Wahrheit und Pluralismus, in:  Evangelische Kommentare 1993, S. 709-713; Ders.: BeitrĂ€ge zur Ethik, Göttingen 2004, S. 99ff.)

[7] Zur Kritik der Gender-Ideologie vgl. Rainer Mayer, Biblische Anthropologie und das Gender-Mainstreaming-Programm, Sonderdruck des Informationsbriefes der Bekenntnisbewegung, 2011; Zur Geschichte und Soziologie der Gender-Thesen vgl. insbesondere: Gabriele Kuby, Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit, Kißlegg 212.

[8] Quelle: www.erziehungstrends.net/node/164; Download vom 27.01.2015. – Vgl. das „Insidermagazin“:  DU & ICH, Heft 3,  31. Jg. 1999, S. 16 -17: Vierzehn Beziehungstips. – Auf S. 16 wird festgestellt: „94 Prozent alle MĂ€nner-Ehen dauern nicht lĂ€nger als ein halbes Jahr.“

[9] Wegen des irrefĂŒhrenden Gebrauchs des allgemeinen Religionsbegriffs wurde auch Bonhoeffers Forderung in den GefĂ€ngnisbriefen nach einer „nichtreligiösen Interpretation biblischer Begriffe“ und einem „religionslosen Christentums“ bis hin zu einer „Gott-ist-tot-Theologie“ im sĂ€kularistischen Sinne missverstanden. In Wahrheit geht es Bonhoeffer darum, den christlichen Glauben von bloßer ReligiositĂ€t zu unterscheiden. Vgl. Rainer Mayer, Hat sich Dietrich Bonhoeffer geirrt? Seine These von der religionslosen Zukunft und das Wiedererwachen der Religion in der Gegenwart, in: Rainer Mayer / Peter Zimmerling (HG.), Dietrich Bonhoeffer aktuell. Biographie-Theologie-SpiritualitĂ€t, Gießen/Basel 2. Aufl. 2013, S.174-196.

[10] Richard Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 2007; Englisches Original: The God Delusion, London 2006.

[11] Das Paradox besteht darin, dass nach Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (RU) in ein ordentliches (staatliches) Lehrfach ist, das aber inhaltlich in Übereinstimmung mit den Religionsgemeinschaften erteilt wird. Es setzt also die Unterscheidung von Staat und Religion voraus. Da der Islam eine solche Unterscheidung jedoch nicht kennt und nicht praktiziert, kann nach der Logik des Grundgesetzes gar kein islamischer RU an öffentlichen Schulen eingefĂŒhrt werden. Da es trotzdem geschieht, hat man fĂŒr islamische LehrstĂŒhle an UniversitĂ€ten, die islamische Religionslehrer ausbilden sollen, „BeirĂ€te“ hauptsĂ€chlich konservativer islamischer VerbĂ€nde als staatliche Ansprechpartner gebildet. Sie sollen eine Art „Kirchenersatz“ darstellen. Das aber ist ein Widerspruch in sich selbst. – Somit wurde das Grundgesetz missachtet und ausgehöhlt!

[12] In: Wochenzeitung „Sonntag aktuell“, vom 18. 01. 2015, „Debatte“, S. 6.

[13] „Die KardinĂ€le Marx und Wölki haben offensichtlich niemals den Koran gelesen… Auf ihre Verlautbarungen trifft die Äußerung des französischen Journalisten Quirico zu, der 2013 monatelang in Syrien gefangen war: ‚Es ist der Westen, der nicht verstehen will, dass es keinen moderaten Islam gibt.‘ Das Evangelium, die frohe Botschaft Jesu Christi, des Sohnes Gottes…fordert nirgends Anpassung an den Zeitgeist, enthĂ€lt aber die Warnung: ‚Die Zeichen der Zeit habt ihr nicht erkannt.‘“ (Informationen aus Kirche und Welt. Mitteilungen des Forums Deutscher Katholiken, Hg.: Aktionsgemeinschaft IK-Augsburg, 19. Jg., Nr. 2, Februar 2015, S. 4).

[14] Vgl. das Wort Dietrich Bonhoeffers: „Je ausschließlicher, desto freier… Je ausschließlicher wir Christus als unseren Herrn erkennen und bekennen, desto mehr enthĂŒllt sich uns die Weite seines Herrschaftsbereiches.“ (Ethik, Werke Band 6, MĂŒnchen 1992, S. 346 f.)

[15] GĂŒtersloh /Hannover 2014, S. 84.

[16] Manuskript, veröffentlicht bei AMD, Mai 2014, S. 9.

[17] A.a.O., S. 8 (Hervorhebung im Original).

[18] Martin Luther, Daß der freie Wille nichts sei. Antwort D. Martin Luthers an Erasmus von Rotterdam, (Hg. H.H. Borcherdt und Gg. Merz) (MĂŒnchner Lutherausgabe), 3. Aufl. 1962, S. 11.

[19] A.a.O. S. 14.

[20] Rechtfertigung und Freiheit, S. 85.

[21] Vorlesung „Geschichte der Systematischen Theologie des  20. Jahrhunderts“ (Werke Band 11, GĂŒtersloh 1994), S. 145.

[22] Vgl. dazu: Rainer Mayer, Recht und Grenze historisch-kritischer Arbeit an der Bibel, in: Gottes Wort- zeitbedingte Vorstellung oder bleibende Wahrheit? Der Kampf um die Bibel heute, idea-Dokumentation Nr. 4, 2012, S. 59-64.

[23] Joachim Hesse, in: Rundbrief Gemeindehilfsbund, Nr. 131, Nov. 2014, S. 2, konstatiert mit Recht: „Hier wird das allgemeine Liebesgebot missbraucht, um das spezielle Gebot auszuhebeln. Das Gegenteil ist richtig: Das allgemeine Doppelgebot der Liebe konkretisiert sich in den speziellen Geboten und Verboten, hebt sie nicht auf, sondern bestĂ€tigt sie. Die Kirche handelt dem Doppelgebot der Liebe entsprechend, wenn sie die SĂŒnde aufdeckt (Gesetz) und in Jesus Christus Umkehr, Vergebung und Erneuerung anbietet (Evangelium).“

[24] Augustinus, In epistulam Joannis VIII, 8: „dilige et quod vis fac.“ Gerade Augustinus differenziert den Liebesbegriff, insbesondere caritas und amor; „dilige“ hat die Grundbedeutung von „hoch schĂ€tzen“. Im Zusammenhang geht es Augustinus darum zu zeigen, dass man nicht von einer bestimmten Ă€ußeren Verhaltensweise eindeutig auf das Motiv zurĂŒckschließen kann, dass man z.B. aus Liebe strafen und aus Bosheit schmeicheln kann. Keineswegs geht es Augustinus darum, die Verbindlichkeit der biblischen Gebote aufzulösen. Zur Gesamtproblematik ethischer Hermeneutik vgl. Rainer Mayer, Moral und christliche Ethik, Stuttgart 1976.

[25] Vgl. die situationsethischen EntwĂŒrfe aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von John A.T. Robinson, Christliche Moral heute, MĂŒnchen 1964 und Joseph Fletcher, Moral ohne Normen?, GĂŒtersloh 1967.

[26] Der Journalist Markus GĂŒnther, Artikel „Diaspora“, in: Frankfurter Allgemeine  Sonntagszeitung, 28. 12. 2014 stellt fest: „Politische Programme mĂŒssen zeitgemĂ€ĂŸ sein, Unterhaltungsangebote auch; eine Religion muss absolute Wahrheiten fĂŒr sich in Anspruch nehmen können – oder es ist keine Religion.“  Als wichtigsten Grund fĂŒr die Krise des Christentums nennt er die Glaubenskrise in der Kirche: „Aus Jesus als ‚Sohn Gottes‘ wurde Jesus, ein vorbildlicher Mensch wie Buddha und Gandhi auch. Aus der Auferstehung Christi wurde eine Legende, die man nicht wörtlich nehmen soll… Frieden in der Welt, mehr Gerechtigkeit fĂŒr alle…Gott braucht’s dafĂŒr nicht.“

[27] Die DC sind nicht zu verwechseln mit anderen „deutschglĂ€ubigen Bewegungen“, die auf germanisches Volkstum zurĂŒckgreifen wollten. 1933 grĂŒndeten der TĂŒbinger Religionswissenschaftler Jakob Wilhelm Hauer und Graf Ernst zu Reventlow die „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung“ (ab 1934 „Deutsche Glaubensbewegung“) zwecks ZusammenfĂŒhrung verschiedener „deutschglĂ€ubiger“ BĂŒnde. Als Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung“ richtete Hauer im August 1933 eine Denkschrift an Reichsinnenminister Frick und Reichskirchenkommissar JĂ€ger mit dem Antrag, seinen Verband als „öffentliche Körperschaft“ staatlich anzuerkennen. AusdrĂŒcklich betonte Hauer in der Denkschrift, dass man nicht das Christentum, sondern einen „deutschen Glauben“ vertrete (Quelle: Denkschrift, S. 3). – Im Unterschied dazu nannten sich die DC, geschĂŒtzt durch die neue Verfassung der „Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 14. Juli 1933 ausdrĂŒcklich „Deutsche Christen“. – Hauer kam mit seinem Vorstoß zu spĂ€t, denn am 20. Juli 1933 war ebenfalls bereits das Konkordat zwischen Hitler und der Röm.-Kath. Kirche geschlossen worden. – Diese Ereignisse zeigen, welche Verwirrung damals bestand und was alles im Namen von „Religion“ möglich ist!

[28] Werke Band 12, GĂŒtersloh 1997, S. 349-358.

[29] Gerhard Ruhbach, Artikel: Barmer Theologische ErklĂ€rung, in: Evangelisches Lexikon fĂŒr Theologie und Gemeinde (EThLG), Bd. 1,  Wuppertal und ZĂŒrich 1992, S. 179.

[30] Zu dieser Problematik vgl.: Rainer Mayer, Kirchenspaltung? Bonhoeffer, Barmen, Politik und Bekenntnis heute, Stuttgart 1987.

[31] Aufsatz „Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft“ (1936), Werke Band 14, GĂŒtersloh 1996, S. 668.

[32] A.a.O., S. 676. Die so genannte Frage der „Legalisierung“ betraf vor allem Vikare, die ihre Examina vor den PrĂŒfungsausschĂŒssen der BK abgelegt hatten und nun als „illegal“ galten. Sie wurden nicht ins kirchliche BeamtenverhĂ€ltnis ĂŒbernommen und lebten von den freiwilligen Gaben der Gemeinden. Ihnen wurde angeboten, sich „legalisieren“ zu lassen. Sie hatten sich nur den ReichskirchenausschĂŒssen zu unterstellen. Ihre Examina sollten dann rĂŒckwirkend anerkannt werden. – Das war  ein verlockendes Angebot und eine große Versuchung, zumal damit kĂŒnftige finanzielle Sicherheit verbunden war.

[33] A.a.O., S. 664.

[34] Werke Band 13, GĂŒtersloh 1994, S. 129.

[35] Interview mit Eberhard Bethge, in: Der evangelische Erzieher, Nr. 4, 42. Jg., (1990), S. 460.

[36] Werke Band 14, S. 713.

[37] Lexikon Drittes Reich, www.lexikon-drittes-reich.de/Pfarrernotbund. Download vom 22.01.2015. Vgl. die Zusammenfassung dieser vier Verpflichtungen bei Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer, Theologe. Christ. Zeitgenosse, Eine Biographie, MĂŒnchen 1967, S. 364.

[38] FĂŒr die Freiheit des Glaubens und die Einheit der Kirche. Aktuelle Grundaussagen des christlichen Glaubens, abgedruckt u.a. in: hoffen und handeln. Zeitschrift fĂŒr engagierte Christen, 2011, Nr. 10, S. 4-5. (Auch im Internet abrufbar).

[39] NĂ€heres unter: www.bekenntnisinitiative.de.

[40] Michael Diener/Steffen Kern (Hg.), Zeit zum Aufstehen. Ein Impuls fĂŒr die Zukunft der Kirche, Holzgerlingen 2014.

[41] „Entwurf einer Arbeit“ vom 3. August 1944, in: Widerstand und Ergebung, Werke Band 8, GĂŒtersloh 1998, S. 557 f. – Auch in der BK war nĂ€mlich die Bibelfrage nicht gelöst worden. Die BK wurde hauptsĂ€chlich durch den Protest gegen die staatliche Gleichschaltung und den Einsatz fĂŒr die „Sache der Kirche“ zusammengehalten. Die Spannweite zur Bibelfrage innerhalb der BK hingegen reichte – um zwei Exponenten zu nennen – von Walter KĂŒnneth bis Rudolf Bultmann. Das wurde nach dem Krieg in den spĂ€ten 50er und den 60er Jahren im „Kampf um die Bibel“ besonders wirksam.

[42] Quelle: Hannes Karnick/Wolfgang Richter, Niemöller. Eine Reise durch ein protestantisches Leben, Köln, 2. Aufl. 1988, S. 70.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 16. April 2015 um 10:43 und abgelegt unter Kirche, Theologie.